Kommunalfinanzen

Die richtige Balance

Benin hat einen vertikalen Finanzausgleich und eine neue kommunale Steuer eingeführt. Beide Innovationen haben in Afrika Vorbildcharakter. Benin muss nun kommunale Einnahmen mit staatlichen Zuwendungen und Geberbeiträgen sinnvoll austarieren.


[ Von Ulrich Nitschke und Tim Auracher ]

Dezentralisierung ist eine komplizierte Angelegenheit. Besonders wichtig ist das Konnexitätsprinzip. Es besagt, dass der Staat, wenn er Kompetenzen auf Kommunen überträgt, auch dafür sorgen muss, dass diese die nötigen Finanzmittel bekommen, um ihren neuen Aufgaben gerecht zu werden. Benin hat 2008 zu diesem Zweck den „Fonds d’Appui au Dévelopement des Communes“ (FADeC) eingeführt.

2010 hat Benin zudem das kommunale Steuerwesen reformiert. Über international gebräuchliche Grund- und Gewerbesteuern hinaus erheben die Kommunen nun auch die „Taxe de Développement Local“ (TDL). Diese innovative Steuer betrifft vor allem Agraraktivitäten und ähnelt der Mehrwertsteuer. Sie greift verschiedene Modelle auf, die Kommunen zuvor in rechtlichen Grauzonen praktizierten.

Staatliche Zuweisungen sichern ein Mindestmaß an Einheitlichkeit der Lebensbedingungen, während kommunale Steuern die Autonomie der Gebietskörperschaften stärken. Beide Ziele sind wichtig. Es kommt also darauf an, die richtige Balance zu finden – und dafür zu sorgen, dass die internationalen Entwicklungspartner eine angemessene Rolle übernehmen können.

Der FADeC

Kurz nach der Verabschiedung der rechtlichen Grundlagen im Mai 2008 überwies die Regierung die ersten Gelder an die Kommunen. Die Folgen wurden schnell sichtbar. 2009 lag der Anteil der staatlichen Gesamtausgaben, der von Kommunen getätigt wurde, mit knapp neun Prozent mehr als doppelt so hoch wie 2007.

Bis 2009 stützte sich der FADeC allein auf den nationalen Haushalt. Doch 2010 haben Geber begonnen, ihn zu unterstützen. Die internationalen Entwicklungspartner tun sich damit aber noch schwer. Der FADeC bedeutet nämlich ein Stück Kontrollverlust, weil bei der Mittelverwendung nicht mehr zwischen nationaler Eigenleistung und Geberzuschüssen unterschieden werden kann.

Der FADeC entspricht denn auch auf vorbildliche Weise der Paris Declaration on Aid Effectiveness: Er wird ausschließlich von beninischen Organen gesteuert („Ownership“) und hat einheitliche Verfahren für Finanzierung, Transfer, Mittelverwendung und Prüfkriterien („Alignement“).

Der FACeC überweist den Kommunen die Mittel, die ihnen nach dem Konnexitätsprinzip zustehen, und kontrolliert anschließend die Verwendung. Er ist – im Gegensatz zu verwandten Fonds etwa in Mali oder Ghana – kein Parallelfonds, der Investitionen nach Antragsverfahren finanziert.

Der FADeC unterscheidet zwischen Zuweisungen für laufende Ausgaben und für Investitionen. Erstere existieren schon seit längerem, werden nun aber unter dem Dach des FADeC forgeführt. Das eigentlich neue sind die Investionszuweisungen. Sie werden abermals unterschieden in ungebundene und zweckgebundene Zuweisungen.

Über die ungebundenen Investitionszuweisungen können Kommunen im Rahmen ihrer gesetzlichen Kompetenzen mit wenigen Einschränkungen frei verfügen. Als Faustregel gilt, dass die Investitionen dem staatlichen „kommunalen Entwicklungsplan“ entsprechen müssen. Die Nationale Kommission für Lokale Finanzen (CONAFIL), die paritätisch aus Bürgermeistern und hochrangigen Ministerialbeamten besteht, entscheidet nach klaren Regeln über die Verteilung der Mittel auf die Kommunen. Dabei gibt es
- einheitliche Sockelbeträge,
- Kriterien für den Lastenausgleich (Bevölkerung, Fläche, Armutsindex) und
- Erfolgskriterien (Indikatoren für die Leistung der Kommunalverwaltungen, der gewählten Organe und der Finanzverwaltung).

Die zweckgebundenen Investitionszuweisungen sollen den Bedarf der Kommunen abdecken, der durch die Kompetenzübertragung in Sektoren wie Gesundheit, Wasserversorgung und Grundbildung entstanden ist. Die Fachministerien bestimmen pro Département über die Höhe der Mittel. Auf der Départementebene melden die Kommunen ihren Bedarf an. Die jeweiligen Präfekten verhandeln dann mit den Bürgermeistern und verschiedenen nachgeordneten Behörden, wie das Geld verteilt wird.

Bisher verhalten sich die Fachministerien und die internationalen Geber gegenüber dem FADeC noch recht zurückhaltend. Die Prozesse zur Verteilung der gebundenen Mittel sind noch nicht eingespielt. Der institutionelle Rahmen steht aber samt Verantwortlichkeiten fest, so dass der Druck, das neue Instrument auch zu nutzen, wächst.

Künftig dürfte das Volumen der gebundenen und ungebundenen Zuweisungen an die Kommunen deutlich zunehmen. Logischerweise wird dadurch der Anteil der Eigeneinnahmen der Kommunen an ihren Haushalten sinken. Tatsächlich ist dieser von 2007 bis 2009 um mehr als zehn Prozent gefallen, obwohl die Eigeneinnahmen in dieser Zeit sogar um rund 21 Prozent gestiegen sind.

Kommunale Steueraufkommen

Künftig dürften jedoch dank der neuen TDL auch die kommunalen Eigeneinnahmen vor allem im ländlichen Raum stark steigen. Früher waren klassische Steuern auf Grundbesitz und Gewerbe die Haupteinnahmequellen der Kommunen Benins. Dank eines computergestützten Katasters sind sie in den größeren Städten des Landes recht ergiebig. Im ländlichen Raum generieren sie aber kaum Einnahmen.

Dieses Defizit dürfte die TDL in Zukunft ausgleichen. Die größte Herausforderung bei der Einführung des innovativen Instruments, das der Mehrwertsteuer ähnelt, war, im ländlichen Raum den Verkauf von Waren von Erzeugern an Händler effizient zu besteuern. Dabei besann sich der Gesetzgeber auf diverse Methoden, die viele Kommunen in rechtlichen Grauzonen bereits angewendet hatten.

Die TDL kombiniert zahlreiche Abgaben, die von Kommunen kreiert wurden, um an der örtlichen Wirtschaftstätigkeit fiskalisch zu partizipieren. Ein Vorteil der TDL ist nun ihre kohärente Gesetzesform. Sie hat die verschiedenen Einnahmepraktiken standardisiert und verhindert nun Doppelbesteuerung. Ihre flächendeckende Anwendung wird vielen Kommunen signifikante Einnahmesteigerungen bringen.

Blick nach vorn

Benin hat seine innerstaatlichen Finanzbeziehungen auf Vordermann gebracht. Das Land bietet den internationalen Entwicklungspartnern heute einen modernen Mechanismus zur Unterstützung der Kommunalfinanzen.

Zu klären ist allerdings noch, wie die Balance zwischen Eigeneinnahmen der Gebietskörperschaften, staatlichen Zuwendungen und Gebertransfers aussehen soll. Dabei geht es nicht um eine akademische Diskussion, welche Relation nach welchen Modellannahmen optimal wäre. Vielmehr geht es darum, wie sich die verschiedenen politischen Kräfte im Lauf der Zeit so arrangieren, dass sie die nötige Balance dynamisch immer wieder neu definieren.

Relevant sind dabei folgende Fragen:
- Wieviel Geld stellt der Staat via FADeC den Kommunen zur Verfügung? Bisher gibt es dafür keine rechtliche Norm. Derzeit hat sich eine Gruppe von gleichgesinnten Gebern mit der Regierung darauf verständigt, dass der Beitrag des Staates mindestens dem Vorjahreswert entsprechen soll. Dieses Kriterium ist offensichtlich nicht auf Dauer angelegt.
- Wieviel sollen die internationalen Entwicklungspartner zum FACeC beisteuern? Bei den ungebundenen Zuweisungen mag die Faustregel genügen, dass die Geber nicht mehr als die Hälfte des Geldes bereitsstellen sollen. Schwieriger ist es bei den zweckgebundenen Zuweisungen, denn viele Entwicklungspartner sind mit anderen Programmen und parallelen Korbfinanzierungen in Sektoren wie Gesundheit, Wasserversorgung und Bildung aktiv, die kommunale Zuständigkeiten berührern oder sogar überschneiden.
- Wie werden höhere kommunale Eigeneinnahmen möglich, ohne die Steuerzahler zu sehr zu belasten? Die Einführung der TDL war sinnvoll, weil sie die kommunale Autonomie gestärkt, die Planungssicherheit erhöht und zugleich Doppelbesteuerung verhindert hat. Das Instrument hat aber seine Grenzen erreicht. Sinnvoll wäre jetzt die Einführung von Steuern, von denen Staat und Kommunen nach einem festen Schlüssel profitieren („Gemeinschaftssteuern“). Dafür käme beispielsweise die Mehrwertsteuer in Frage.
- Welche Mitbestimmungsrechte brauchen die Kommunen? Die nationale Finanzkommission CONAFIL lässt bereits die Partizipation kommunaler Entscheidungsträger zu. Den gesetzlichen Rahmen gibt allerdings weiterhin das nationale Parlament alleine vor. 2009 beschloss es Befreiungen von der Gewerbesteuer, sodass die kommunalen Einahmen aus der Gewerbesteuer nach deutlichen Zuwächsen in den Jahren davor wieder um 20 Prozent zurückgingen. Sinnvoll wäre eine Anhörungspflicht des nationalen Gemeindeverbandes „ANCB“ vor jeder gesetzlichen Entscheidung, die unmittelbar die Kommunalfinanzen berühren. Noch besser wäre die Festschreibung einer Finanzverfassung für Staat und Kommunen.

Benin hat wichtige Schritte unternommen, um staatlichen Aufgaben zu dezentralisieren und die angemessene Finanzausstattung der Kommunen zu sichern. Es besteht der politische Wille, Reformen in diese Richtung weiter voranzutreiben. Die hier entwickelten Modelle setzen Maßstäbe für andere Länder. Abgeschlossen ist der Reformprozess indessen noch nicht.

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