Braindrain in Afrika

Braindrain in Afrikas Gesundheitswesen

Die Arbeitsbedingungen im afrikanischen Gesundheitssystem sind vielfach katastrophal. Fachkräfte verlassen den Kontinent in Richtung Europa und Nordamerika. Darunter leidet die Krankenversorgung in Afrika weiter. Andererseits zeigen jüngste Entwicklungen, dass sie von Migration langfristig profitieren kann, wenn Fachleute beispielsweise zurückkehren oder in moderne Einrichtungen investieren.
Südafrikanisches Gesundheitspersonal demonstriert im März in Johannesburg für mehr Gehalt. picture-alliance/AA/Ihsaan Haffejee Südafrikanisches Gesundheitspersonal demonstriert im März in Johannesburg für mehr Gehalt.

Hilflos zuschauen, wie Menschen in afrikanischen Krankenhäusern sterben, oder Leben in der Ferne retten? Vor dieser Entscheidung stehen Ärzt*innen südlich der Sahara. Fachkräfte aus englischsprachigen Ländern ziehen nach London, Sydney oder New York. Wer aus einem frankofonen Land kommt, entscheidet sich für Paris oder Montreal. Die Folgen sind dieselben: In den Herkunftsländern verschärft sich der Mangel an medizinischem Fachpersonal.

Um den Verfall der Gesundheitswesen und ihre schlechten Arbeitsbedingungen anzuprangern, streiken Ärzt*innen öffentlicher afrikanischer Krankenhäuser immer wieder – etwa in Nigeria. Andererseits gibt es auch Arbeitslosigkeit nach dem abgeschlossenen Medizinstudium. So wurden im vergangenen Dezember 40 der 3000 arbeitslosen Ärzt*innen aus der Elfenbeinküste, die ihre Einstellung in den öffentlichen Dienst forderten, verhaftet. Ein Gericht verurteilte sie zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung.

Schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Bezahlung zeugen von deprimierend geringer Wertschätzung. Tatsächlich können Ärzt*innen leicht in Nordamerika 25-mal so viel Geld verdienen wie in Westafrika. Folglich verlassen viele ihre Heimat. Länder mit hohen Einkommen profizieren dann von ihnen.

In Frankreich kommen laut offiziellen Statistiken etwa zehn Prozent aller Ärzt*innen aus dem Ausland. In Irland und Kanada sind es rund 35 Prozent. In britischen Krankenhäusern stammten 2022 mehr als 66 000 von 750 000 Gesundheitsfachkräfte aus dem Ausland. Vor zehn Jahren schätzte ein äthiopischer Regierungsvertreter, in Chicago arbeiteten mehr Landsleute als Ärzt*innen als in Äthiopien.

Reiche Nationen haben große Personallücken im Gesundheitswesen. Sie füllen sie mit Zuwanderung. In Afrika sind immer mehr internationale Agenturen zur Anwerbung von Gesundheitspersonal tätig.

Grundsätzlich ist die Migration afrikanischer Gesundheitsfachkräfte nach Europa oder Nordamerika nichts Neues. Die ersten Wellen, in denen sich afrikanische Ärzt*innen in Europa niederließen, gab es in den 1960er- und 1970er-Jahren. Damals kehrten viele, die Auslandsstipendien für ein medizinisches Studium erhalten hatten, nach Abschluss nicht in ihre – oft autoritär regierten – Länder zurück.

Mittlerweile wurde in Afrika die universitäre Gesundheitsausbildung ausgebaut. Nun gibt es Migrationswellen von medizinischem Personal mit afrikanischen Abschlüssen. Das gilt besonders für Ärzt*innen, die sich auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisieren wollen. In Europa oder Nordamerika sehen sie die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und internationale Anerkennung zu erlangen.

Brillante afrikanische Ärzt*innen, die im Ausland leben, werden für ihre Beiträge und Innovationen geehrt. Es ist fraglich, ob sie Vergleichbares auf dem Heimatkontinent erreicht hätten.

Der jüngste Exodus von afrikanischem Gesundheitspersonal begann in den 2000er-Jahren. Inzwischen wandern auch Krankenpfleger*innen aus, ebenfalls motiviert durch attraktive Gehälter und Entwicklungsmöglichkeiten.

Zurückkehren, um Leben zu retten

Die Integration dieser in Afrika ausgebildeten Pflegekräfte in die Gesundheitssysteme der reichen Staaten durchläuft dabei verschiedene Phasen, die nicht selten zu einer beruflichen Herabsetzung führen. Trotz abgeschlossenem Medizinstudium gehören manche dann zum Pflegepersonal. Andere machen einen weiteren Abschluss, um eine angemessene Anstellung zu finden. Dabei verdienen sie im Vergleich zu ihren einheimischen Kolleg*innen oft weniger.

Trotz solcher Nachteile wandern viele Fachkräfte aus Afrika ab. Sie hoffen, dass sich ihr beruflicher Status im Laufe der Jahre verbessert. Manche wollen auch genügend finanzielles Kapital und Wissen sammeln, um dann in ihrem Heimatland private Kliniken zu gründen.

Lange Zeit waren Menschen, die sich für eine Beschäftigung im Ausland entschieden hatten, in ihren afrikanischen Herkunftsländern schlecht angesehen. Es hieß, sie seien unpatriotisch und stellten ihr eigenes Wohlergehen in den Vordergrund, anstatt mit ihrem Wissen und Können zur Entwicklung ihrer Länder beizutragen. Auch im Ausland tätige Pflegekräfte bleiben davon nicht verschont. Tatsächlich verursachen sie riesigen Lücke im jeweiligen Gesundheitssystem.

Andererseits zeigen nun jüngste Entwicklungen, dass Arbeitsmigration afrikanischer Fachkräfte große Beiträge zur Modernisierung des Gesundheitswesens daheim leistet. Diese Leute überweisen regelmäßig Geld für Investitionen in den Bau von privaten Krankenhäusern und Kliniken in Afrika. Obendrein kehrt medizinisches Personal auch aus dem Ausland zurück, um selbst in solchen Einrichtungen zu arbeiten.

So entstehen Institutionen der Spitzenklasse, welche den Medizintourismus wohlhabender Eliten in reiche Länder begrenzen. Teilweise unterstützt die afrikanische Diaspora auch den Bau von medizinischen Stationen im ländlichen Raum oder richtet Ausbildungszentren ein, um das erworbene Wissen weiterzugeben.

Aus der Diaspora heraus werden auch karitative Missionen durchgeführt. Fachkräfte verschiedener Richtungen versorgen dabei Patient*innen, die sonst keinen Zugang zu medizinischen Leistungen hätten.

Zudem gibt es Initiativen zur Einrichtung von Krankenversicherungssystemen auf Gemeindeebene, die mithilfe von Geldern aus der Diaspora finanziert werden. Somit führt die Migration und Etablierung von afrikanischem Gesundheitspersonal in reichen Ländern zu neuen Modellen internationaler Kooperation und verstärktem Wissenstransfer. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung auf dem Kontinent auch dadurch langfristig verbessert. Bislang profitieren allerdings vor allem wohlhabende Schichten in Städten von guten privaten Krankenhäusern.

Samir Abi ist Wirtschaftswissenschaftler und Leiter der nichtstaatlichen Organisation Visions Solidaires in Togo.
samirvstg@gmail.com

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