Öko-Jeans

Slow fashion

Die Jeansproduktion ist besonders schädlich für die Umwelt und für die Gesundheit der Arbeiter. Einige Jeanshersteller verbessern ihre Produktionsmethoden und Arbeitsbedingungen. Eva-Maria Verfürth sprach mit Monique Voorneman von der niederländischen Marke Kuyichi, einer Pionierin ökologisch produzierter Jeans.
In diesem tunesischen Unternehmen werden die Stoffe für Kuyichi zugeschnitten und zu Jeans genäht. Kuyichi In diesem tunesischen Unternehmen werden die Stoffe für Kuyichi zugeschnitten und zu Jeans genäht.

Kuyichi wurde 2001 gegründet und war die erste Marke, die fair und ökologisch produzierte Jeans anbot. Was war der Grund dafür?
Kuyichi wurde von der Nichtregierungsorganisation (NGO) Solidaridad gegründet, die Bio-Baumwolle in die Textilindustrie einführen wollte. Zuvor hatte die NGO ihren Schwerpunkt auf fair gehandelten Bio-Kaffee und Bio-Obst gelegt, und es war bekannt, dass die Baumwollindustrie große Probleme verursachte. Damals hatten Marken wie Patagonia begonnen, Outdoor-Kleidung aus ökologisch angebauter Baumwolle herzustellen. Die Modeindustrie verwendete aber fast gar keine Bio-Baumwolle. Solidaridad versuchte, große Jeanshersteller für das Projekt zu gewinnen, aber sie waren nicht interessiert. Daher gründete die NGO eine neue Modemarke, um die Produktionsbedingungen und die Situation der Arbeiter in den Entwicklungsländern zu verbessern.

Öko-Jeans zu produzieren ist bekanntermaßen besonders schwierig. Warum begann die neue Modemarke nicht mit T-Shirts?
Kuyichi wollte eine ganze Kollektion. Nur T-Shirts machen keine Marke.

Inwiefern sind Jeans von Kuyichi „sauberer“ produziert als andere?
Es gibt zahlreiche Zertifizierungs- und Akkreditierungssysteme für Öko-Bekleidung auf nationaler und internationaler Ebene. Einige von ihnen zeigen den Anteil der ökologisch angebauten Fasern an; andere attestieren dem Stoff umweltfreundliche Herstellung. Die meisten unserer Jeansstoffe sind GOTS zertifiziert. Die Abkürzung steht für Global Organic Textile Standard. GOTS beinhaltet beide Aspekte, die Umwelt und alle betroffenen Arbeiter werden geschützt – von den Anbaufeldern bis in die Fabriken. Natürlich dient GOTS auch der Gesundheit der Verbraucher. Stoffe, die dem GOTS entsprechen, bestehen aus mindestens 95 Prozent ökologisch angebautem Material und sind mit zertifizierten Mitteln gefärbt.

Halten Sie weitere Standards ein?
Ja, einige Kuyichi-Jeans entsprechen dem Organic Content Standard 100, der auch einen Anteil von mindestens 95 Prozent ökologisch angebautem Material erfordert. Ein kleiner Teil unserer Kollektion enthält recycelte Baumwolle oder recyceltes Polyester. Für diese Kleidungsstücke nutzen wir die Zertifikate OCS Blended und Global Recycle Standard. Unsere besondere Stärke ist, dass wir für unsere Kollektion fast ausschließlich kontrolliert biologische Baumwolle und andere nachhaltig produzierte Materialien verarbeiten.

Kuyichi strebt auch bessere Arbeitsbedingungen an. Wie definieren Sie faire Bedingungen?
Wir schätzen die Arbeit der Fair Wear Foundation (FWF – Stiftung für Faire Kleidung), einer unabhän­gigen Non-Profit-Organisation, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Arbeiter in der Textilindustrie auf der ganzen Welt einsetzt. Wir haben uns verpflichtet, den Arbeitsverhaltenskodex der FWF einzuhalten. Dieser beinhaltet:

  • keine Zwangsarbeit,
  • Versammlungsfreiheit und Recht auf Tarifverhandlungen,
  • keine Diskriminierung bei der Arbeit,
  • keine Kinderarbeit,
  • Zahlung eines existenzsichernden Lohns,
  • angemessene Arbeitsstunden,
  • sichere und gesunde Arbeitsbedingungen und
  • rechtlich verbindliche Arbeitsverträge.


Was bedeutet „existenzsichernder Lohn“?
Die FWF definiert das als Lohn, der nicht nur den Grundbedarf der Arbeiternehmer und ihrer Familien deckt, sondern auch ein frei verfügbares Einkommen gewährleistet. Grundbedarf beinhaltet dabei Wohnung – inklusive Strom –, Nahrung, Trinkwasser, Kleidung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Kinderbetreuung, Transport und sogar einen Sparbetrag. Der existenzsichernde Lohn ist in jedem Land unterschiedlich hoch. Die FWF legt die genaue Höhe basierend auf genauer Recherche fest.

Erstreckt sich Ihre Nachhaltigkeitsstrategie auch auf den Transport?
Ja, wir versuchen, Lufttransporte zu vermeiden. Beispielsweise setzen wir auf Lkws und Schiffe, um Stoffe aus den Spinnereien und Webereien in der Türkei in die Nähfabriken in der Türkei und Tunesien zu transportieren. Außerdem messen wir die CO2-Emissionen unserer Firmenzentrale und tun unser Bestes, sie zu reduzieren. Zudem kompensieren wir die verbliebenen Emissionen, indem wir in nachhaltige Energieprojekte und in Emissionsreduzierung an anderen Orten investieren.

Die Zulieferkette ist lang. Sie beginnt auf den Baumwollfarmen und führt über mehrere Verarbeitungsstufen. Wo werden Ihre Jeans produziert?
Wie die meisten Marken besitzt Kuyichi keine eigenen Stoff- oder Nähfabriken. Wir greifen auf Zulieferer zurück, die für ihren Teil des Produktionsprozesses verantwortlich sind. Unsere Bio-Baumwolle wird in der Türkei und Kirgisistan angebaut. Die Stoffe werden in der Türkei und Italien gefertigt. Genäht und gewaschen wird in der Türkei und Tunesien. Reißverschlüsse, Verschlüsse, Knöpfe und Nieten stammen aus Deutschland. Detaillierte Informa­tionen finden Sie auf unserer Website.

Wie stellen Sie sicher, dass alle Zulieferer sich an Ihre sozialen und ökologischen Vorgaben halten?
Wir wählen und überprüfen unsere Zulieferer sehr sorgfältig. Ausschlaggebend sind Kriterien wie Umweltaspekte, Arbeitsbedingungen und Produktqualität. Wir besuchen regelmäßig Produktionsstätten und bauen langfristige Beziehungen zu den Zuliefe­rern auf. Zudem berichtet die FWF über Kuyichis Performance, bewertet unseren Fortschritt und weist uns auf mögliche weitere Verbesserungen hin. Prüfteams der FWF kontrollieren die Fabriken, in denen unsere Jeans produziert werden. Sie stellen sicher, dass der Arbeitskodex eingehalten wird, und fördern die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Interessenvertretern.

Arbeiten Ihre Zulieferer ausschließlich für Kuyichi oder auch für andere Kunden?
Alle Zulieferer arbeiten auch für andere Kunden. Der Anteil der Produktion für Kuyichi bewegt sich zwischen weniger als ein und rund 50 Prozent.

Haben Sie manchmal auch Probleme mit der Zuverlässigkeit der Zulieferer oder der Qualität ihrer Arbeit?
Ja, leider hatten wir 2012 ein Qualitätsproblem bei einem Jeans-Zulieferer. Wir mussten uns anstrengen, um den Qualitätsstandard zu erreichen, der von uns erwartet wird. Heute funktioniert die Handelsbeziehung wieder problemlos. Aus Fehlern muss man lernen. Wir befinden uns in einem Prozess, um immer mehr Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen. Wir versuchen, Probleme auf kreative Weise in Zusammenarbeit mit unseren Zulieferern zu lösen. Und wir greifen auf die Unterstützung unabhängiger Experten zurück.

Ist es bei der Jeansherstellung möglich, komplett auf umweltfreundliche Bestandteile und Verarbeitung zu setzen?
Bio-Baumwolle hat einen deutlich niedrigeren CO2-Fußabruck als konventionelle Baumwolle. Die Wasserverschmutzung ist auch viel geringer. Dennoch benötigt die ökologische Baumwollproduk­tion viel Wasser, und für die Nassverarbeitung von Jeans – inklusive Vorbehandlung, Färben, Drucken und Veredelung – werden bestimmte Chemikalien benötigt. Zudem werden sehr viel Wasser und Energie eingesetzt.

Was tut Kuyichi dagegen? Verkaufen Sie gebleichte Jeans?
Glücklicherweise werden nachhaltige Alternativen entwickelt. Wir arbeiten ständig an der Verbesserung unserer Verarbeitungsprozesse, wie zum Beispiel der Aufhellung, Abnutzung und 3D-Effekten auf der Jeans. Wir setzen keine schädlichen Sandstrahl- oder Abstrahlverfahren zur Veredelung ein. Es gibt viele Alternativen, und wir werden immer besser.

Wieso sind Ihre Jeans nicht teurer als die der großen Kleidungshersteller, die sich an keine Umwelt- und Arbeitsstandards halten?
Unsere Profitmargen sind niedrig, und wir setzen auf kreatives, preisgünstiges Marketing anstatt auf teure Werbung.

Auch ohne Werbung wurde Kuyichi in vielen der einflussreichsten Mode- und Lifestyle­magazine Europas vorgestellt, darunter ­Vogue und ELLE. Wie war das möglich?
Für die Zeitschriften hat unsere wahre Geschichte offenbar einen interessanten Inhalt. Aber unser Ziel ist es, eine große Zahl von Menschen anzusprechen, nicht nur Meinungsmacher oder Modemagazine.

Kuyichi-Jeans werden in Läden und online verkauft. Welcher Kanal ist wichtiger?
Beide sind wichtig und beide haben Vor- und Nachteile. Aber wir verstehen online und offline nicht als zwei getrennte Welten. Unser neuer Webshop beispielsweise erlaubt den Kunden zu erfahren, wo die Produkte hergestellt werden, wie sie gemacht werden, und von wem. Diese Informationen könnten auch Kunden interessieren, die Kuyichi-Produkte in einem Laden kaufen, oder Einzelhändler, die ihren Kunden detailliertere Auskunft geben wollen.

Wo verkaufen Sie am meisten?
Unsere größten Märkte sind derzeit die Niederlande und Deutschland.

Wächst der Markt für Öko-Jeans?
Nach unserer Erfahrung gibt es eine langsam wachsende Nachfrage. Allerdings ist ökologisch produzierter Stoff bei den Kunden nicht das wichtigste Kriterium. Auf der Suche nach einer neuen Jeans interessieren sie sich für Kriterien wie Farbe, Preis und Modell. Und normalerweise sind Passform und Tragekomfort ausschlaggebend für die Kaufentscheidung. Für eine Nischengruppe ist auch Nachhaltigkeit ein Kriterium, genau wie die Arbeitsbedingungen.

Wer sind Ihre Hauptwettbewerber? Die großen internationalen Marken oder andere ökologisch produzierende Marken?
Kuyichi hat viele Wettbewerber, darunter die gro­ßen weltweiten Jeansmarken, aber auch die nachhaltigen Jeansmarken. Unsere Wettbewerber verkaufen Jeans zu einem ähnlichen Preis und mit einer ähnlichen Qualitätsbandbreite in den gleichen Geschäften.

Modetrends verändern sich schnell in Europa. Es scheint, als würden die Leute jedes halbe Jahr ihren Stil ändern. Wie gehen Sie damit um?
Kuyichi glaubt nicht an „fast fashion“. Alle unsere Kleidungsstücke sind dazu entworfen, lange zu halten: Sie sind aus qualitativ hochwertigen Stoffen mit einem zeitlosen Erscheinungsbild gefertigt. „Slow fashion“ unterstützt eine gewisse Lebenseinstellung, und wir gehen davon aus, dass unsere kollektiven Entscheidungen einen Einfluss auf andere Menschen und die Umwelt haben.

Wer hat eine größere Verantwortung dafür, die Weltwirtschaft fairer zu machen – die Hersteller oder die Verbraucher?
Alle tragen einen Teil der Verantwortung und müssen ihr gerecht werden. Modemarken spielen eine sehr große Rolle, da sie über Materialien, den Produktionsort und das, was die Fabriken für ihre Produkte bekommen, bestimmen. Transparenz ist auch die Verantwortung der Marken. Aber am Ende entscheiden die Verbraucher, was sie kaufen. Um die Textilindustrie wirklich zu verändern, müssen alle Beteiligten einiges tun. Etwa müssen die Regierungen in Entwicklungsländern den Mindestlohn anheben und Arbeitsgesetze streng durchsetzen, um die Arbeitnehmer zu schützen. Die Fabriken müssen mehr tun, um ihre Arbeiter zu schützen, und existenzsichernde Löhne zahlen. Die Verbraucher sollten Qualität über Quantität stellen. Und wenn sie einkaufen gehen, sollten sie nach zertifizierten Öko-Labels Ausschau halten und die Verkäufer nach den Arbeitsbedingungen fragen, unter denen ihre Ware produziert wurde.

Kritiker argumentieren, dass Fairtrade letztlich ein Nischenmarkt bleiben wird, mit wenig Auswirkung auf die Weltwirtschaft. Welche Wirkung kann Kuyichi auf den globalen Textilmarkt haben?
Wir möchten andere mit unserem Nachhaltigkeitswissen animieren, Gleiches zu tun oder es noch besser zu machen. Kuyichi brachte die erste Öko-Jeans auf den Markt. Heute haben einige andere Marken auch Bio-Baumwoll-Jeans in ihren Kollek­tionen. Wir freuen uns, dass wir die Messlatte für viele Unternehmen um uns herum erhöht haben, und hoffen, noch viele weitere zu inspirieren.

 

Monique ­Voorneman ist Bereichsleiterin Kommunikation bei Kuyichi.
monique@kuyichi.com

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