Entwicklungspolitik

Migration in Afrika gestalten

Europäer nehmen afrikanische Migration häufig als europäisches Problem wahr. Aus afrikanischer Sicht ist sie aber eine interne afrikanische Angelegenheit – und bei weitem nicht in jedem Fall ein Problem.
Afrika ist nicht nur Ursprung, sondern auch Ziel vieler Migranten. Dieser Pakistaner betreibt einen Laden in Kapstadt, Südafrika. picture-alliance/dpa Afrika ist nicht nur Ursprung, sondern auch Ziel vieler Migranten. Dieser Pakistaner betreibt einen Laden in Kapstadt, Südafrika.

Der Deutsche-Welle-Journalist Florent Kossivi Tiassou hat vor kurzem ein Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Burundi und Tansania besucht. „Dort haben mich viele Leute gefragt: Wie kommt man nach Europa?“, erzählt er. Doch der Kontinent sei keineswegs für alle Afrikaner auf der Flucht das Ziel. „Sehr viele wollen in Afrika bleiben“, sagt Tiassou. Zudem sei der Traum von Europa für die in Tansania gestrandeten Burundier unerfüllbar: Die Menschen sind arm, und Burundi liegt im Herzen des afrikanischen Kontinents.

Die einen wollen also nicht, die anderen können nicht. Tatsächlich bleibt die große Mehrheit der geflüchteten Afrikaner in Afrika, viele als Binnenvertriebene im eigenen Land, viele andere in direkten Nachbarländern.

Ihre Verwaltung und Integration funktioniere in vielen Fällen besser, als von außen wahrgenommen wird, sagt Hamidou Bouba, der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der afrikanischen Gemeinde in Deutschland, der sich als Dachverband der afrikanischen Diaspora versteht. „Wenn die Gesellschaft Menschen aufnehmen will, klappt das auch – selbst wenn die Politik überfordert ist.“

Während die Zielländer oft wirtschaftlich von der Migration profitieren, verlieren die Herkunftsländer junge Menschen und Arbeitskräfte. Dieser Braindrain ist ein großer Verlust.

Flucht und Migration gab es schon immer. Seit 2015 mehr als eine Million Menschen nach Europa kamen, werden beide aber dort deutlich stärker wahrgenommen. In Deutschland wird nun die „Bekämpfung von Fluchtursachen“ verstärkt als Aufgabe der Entwicklungshilfe diskutiert.

Benjamin Schraven vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) kann sich damit nicht anfreunden. Er hält es für wichtiger, Migration entwicklungspolitisch zu gestalten und zum Beispiel in den betroffenen Regionen die Bewegungsfreiheit – wie sie etwa die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS vorsieht – zu unterstützen, sagte er auf einer Veranstaltung des DIE, der European Association of Development Research and Training Institutes (EADI) und des Verbandes Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) im Mai in Bonn.

Laut Elke Löbel, der Flüchtlingsbeauftragten im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), beeinflusst die Entwicklungshilfe Migration in Afrika bereits. Als Beispiel nennt sie Marokko, das als eins der wenigen Länder des Kontinents ein Asylgesetz und ein Programm für Rückkehrer habe. Das BMZ berate Rabat in der Migrationspolitik.

Tiassou sieht die Kooperation mit Marokko kritisch. Schwarzafrikaner würden dort extrem schlecht behandelt und hätten keine Rechte. Sein Vorwurf: „Die EU versucht, Marokko als Asylbremse zu benutzen.“ Wenn Geld nach Marokko fließe, komme das nach seinen Kenntnissen jedenfalls nicht den Asylsuchenden zugute.

Bei der Diskussion der Fluchtursachen verweist Tiassou auf die Rolle westlicher Firmen in Afrika. Zum Beispiel verdiene der französische Konzern Areva sehr viel Geld mit dem Uranabbau im Norden Nigers. Doch den Menschen vor Ort gehe es schlecht: „Es gibt keine Straßen, keine Schulen, keine Krankenhäuser.“ Für Tiassou liegt das Problem auf der Hand: „Das Geld fließt nach Europa – und die Leute hinterher.“ Dass es auch anders geht, zeige die Firma HeidelbergCement in seiner Heimat Togo. Der deutsche Baustoffkonzern betreibe dort ein Klinkerwerk und habe in der Nähe ein Modelldorf mit guter Infrastruktur gebaut. „Solche Aktionen sind wichtig, um Abwanderung zu stoppen“, sagt ­Tiassou.

Katja Dombrowski

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