Multilaterale Politik

Die nächste Chance

Ende letzten Jahres hat der UN-Klimagipfel in Cancún beschlossen, einen Grünen Klimafonds einzurichten. Die Verhandlungen über seine Ausgestaltung laufen. Sie bieten die Möglichkeit, die Defizite der bisherigen Finanzierungsinstrumente – etwa zu geringe Mittelausstattung für Anpassung an den Treibhauseffekt und Unberechenbarkeit der Geldflüsse – zu korrigieren.


Von Liane Schalatek

Wenige Monate vor dem Klimagipfel im südafrikanischen Durban wird im globalen Poker um die Beiträge reicher und armer Länder zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs die notwendige Finanzierung von Anpassung armer Länder an den Treibhauseffekt und die Emissionsminderung dort weiterhin als Verhandlungschip missbraucht. Diese destruktive Politisierung muss aufhören. Die Verhandlungen über den neuen Grünen Klimafonds der Klimarahmenkonvention bieten dafür eine gute Gelegenheit. Beim Gipfel in Cancún 2010 fielen wichtige Entscheidungen für die internationale Klimafinanzierung. Sie müssen jetzt ohne das quid-pro-quo der Koppelung an freiwillige Emissionsreduzierung durch Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien umgesetzt werden.

Die gravierenden Folgen des Klimawandels sind ­bereits zu spüren. Die ärmsten Länder sind besonders betroffen – und dort wiederum die ärmsten Bevölkerungsgruppen, darunter Frauen und Indigene. Der Treibhauseffekt bedroht ihr Überleben und ihre künftigen Entwicklungschancen. Sowohl die Fortschritte der letzten Jahrzehnte als auch die Erfüllung der Millennium­entwicklungsziele bis 2015 stehen auf dem Spiel.

Wesentliche Grundlagen

Der Gipfel in Cancún bestätigte die kurz- und langfristigen Finanzzusagen der Industriestaaten, um Entwicklungsländer bei ihren Bemühungen zur Anpassung und Emissionsminderung zu unterstützen. Reiche Länder versprachen für die drei Jahre bis 2012 rund 30 Milliarden Dollar als schnelle Anstoßfinanzierung sowie bis 2020 jährlich rund 100 Milliarden Dollar an langfristigen Mitteln.

Diese Summen erscheinen groß – bleiben aber hinter den Bedarfsberechnungen der Weltbank zurück. Sie schätzt, dass von 2030 an jährlich bis zu 100 Milliarden Dollar für Anpassung und bis zu 175 Milliarden für Emissionsreduzierung benötigt werden. Immerhin bedeuten die Zusagen von Cancún aber einen deutlichen Anstieg gegenüber den rund 13,2 Milliarden Dollar, die bis Juli 2010 über mehrere Jahre in verschiedenen Klimafinanzierungsmechanismen bereitgestellt wurden.

Offen ist weiterhin, wie mittelfristig die Steigerung der Finanzzusagen bis 2020 garantiert werden soll. Es gibt keine präzisen Vorgaben. Es ist wünschenswert, aber unwahrscheinlich, dass die Klimaverhandlungen in Durban mehr Klarheit bringen. Den Industrienationen – allen voran die USA – fehlt angesichts angespannter Haushalte der politische Wille, mehr Geld für die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) und den internationalen Klimaschutz aufzuwenden.

Dieses Grunddilemma prägt die Debatte über Größe, Zielsetzung und Finanzausstattung des neuen globalen Grünen Klimafonds. Darüber verhandeln seit April 40 Ländervertreter – 25 aus Entwicklungs- und 15 aus Industrieländern – im Transitional Committee stellvertretend für die internationale Staatengemeinschaft. Das Ergebnis soll in Durban zur Abstimmung vorgelegt werden.

Wichtige Vorgaben wurden schon in Cancún formuliert:
– Ein „signifikanter Teil“ der neuen multilateralen Anpassungsfinanzierung soll zukünftig durch den neuen Fonds fließen.
– Er soll eine „ausgewogene Allokation“ von Mitteln für Anpassung an den Klimawandel und Emissionsminderung anstreben.
– Alle Klimafinanzmittel – nicht nur die des Grünen Fonds – müssen zusätzlich zu den zuvor bestehenden Versprechen fließen.
– Die Mittel müssen zudem vorhersehbar sein und den Bedürfnissen entsprechen.

Diese Vorgaben sprechen die Kernschwächen der bisherigen Klimafinanzierung an. Bislang steht zum Beispiel viel zu wenig Geld für Anpassung an den Treibhauseffekt zur Verfügung. Die Beziehungen zwischen Zahler- und Empfängerländern werden zudem dadurch belastet, dass die reichen Nationen viele Zusagen nicht vollständig und nur mit Verzögerung erfüllen (siehe Kasten).

Der Grüne Klimafonds könnte daran etwas ändern und die bestehenden Schwächen der inter­natio­nalen Klimafinanzierungsarchitektur syste­matisch angehen. Dazu bedarf es freilich einer grundsätzlichen Neuorientierung und eines neuen globalen Konsenses. Der fehlt bislang noch, allerdings zeichnen sich erste wichtige Übereinstimmungen ab. So fordern im Transitional Committee beispielsweise alle Parteien für den neuen Fonds rigorose Ergebnisorientierung.

Klar ist auch, dass der Grüne Klimafonds Mittel nicht nur über multilaterale Institutionen wie die Weltbank oder das UNDP vergeben wird, sondern wie der Adaptation Fonds (AF) des Kyoto Protokolls Empfängerländern direkten Zugang gewähren wird. Dieses Verfahren stärkt die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer. „Country Ownership“, eine der fünf Grundsäulen der Paris Declaration on Aid ­Effectiveness, steht in den Verhandlungen über den Grünen Fonds als Vergabeprinzip nicht mehr zur Disposition. Die noch recht junge Erfahrung des AF, der erst seit Anfang 2010 Gelder vergibt, zeigt aber auch, dass für direkten Zugriff in den ärmsten Ländern Capacity Development und technische Beratung nötig sind, die ihrerseits Geld kosten. Diese Kosten sollte der neue Fonds von Beginn an tragen. Idealerweise sollten zudem auch subnationale Akteure inklusive zivilgesellschaftlicher Gruppen Mittel für stimmige Programme beim Fonds beantragen können.

Effektivität und Effizienz

Noch keine Einigung gibt es dagegen in vielen anderen Fragen, zum Beispiel beim Anteil öffentlicher Gelder im Grünen Klimafonds. Aus Sicht der Entwicklungsländer soll der größte Teil der langfristigen Klimafinanzierungsmittel von jährlich 100 Milliarden Dollar ab 2020 durch den Grünen Klimafonds fließen. Damit das zuverlässig geschieht, müsste sichergestellt werden, dass das meiste Geld aus obligatorischen Budgetzahlungen der Industrieländer kommt. Diese müssten auch mit öffentlichen Mitteln für den anfänglichen Kapitalstock aufkommen.

Mittelfristig werden sicherlich der Privatsektor und innovative Finanzmechnismen wie etwa CO2-Steuern für die Ressourcenausstattung des Grünen Klimafonds bedeutsam werden. Doch ohne Kernfinanzierung aus öffentlichen Mitteln kann keine ausgewogene Mittelverteilung sichergestellt werden, bei der zumindest die Hälfte aller Aufwendungen dazu dienen muss, arme Länder auf die Auswirkungen des Treibhauseffekts einzustellen. Für derartige Anpassungsmaßnahmen sind staatliche Gelder nötig, weil hier massives Engagement des Privatsektors im Gegensatz zu Investitionen in saubere Energietechnik kaum zu erwarten ist.

Um wirklich transformativ zu wirken, muss der Grüne Klimafonds schließlich neue „Best Practice“-Maßstäbe setzen. Das betrifft vor allem die Beteiligung und Berücksichtigung vielfältiger Interessengruppen auf subnationaler Ebene. So sollten nationale Planungsprogramme, die unter offener und transparenter Beteiligung aller wichtigen Interessengruppen in Empfängerländern erstellt wurden, die Grundlage für die Mittelvergabe durch den Fonds bilden. Betroffene Gemeinschaften und zivilgesellschaftliche Vertreter sollten als aktive Beobachter mit Interventionsrecht im Verwaltungsrat zugelassen werden. Das würde beispielsweise den Einfluss von Frauen oder Indigenen stärken, die bisher politisch oft nur eine geringe Rolle spielen.

Der Grüne Klimafonds sollte zudem eine unabhängige Evaluierungsstelle und einen Rechtsbehelf („redress mechanism“) vorsehen. Das entspricht der bestehenden Praxis multilateraler Entwicklungsbanken.

Damit sich alte Fehler der Entwicklungspolitik nicht wiederholen, braucht der neue Fonds aber vor allem rigorose Sozial-, Gender- und Umweltrichtli­nien, die sich an geltenden Menschenrechts-, Umweltrechts- und Arbeitsrechtsverpflichtungen orientieren. Dies ist keine neue Konditionalität, wie manche Regierungen von Entwicklungsländern fürchten. Es geht viel mehr darum, Effizienz und Effektivität des Fonds sowie die gerechte Verteilung seiner Mittel zu gewährleisten.

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