Landreform in Simbabwe

Zu wenig Nahrungsmittel

Die Bilanz ist negativ: 15 Jahre nach der „Fast-Track-Landreform“ kann sich Simbabwe selbst nicht mehr ernähren. Dennoch war die Reform kein kompletter Fehlschlag, meinen Experten.
Statt Nahrungsmittel bauen die Farmer in Simbabwe heute beinah nur mehr Exportgüter wie Tabak an. Herrmann/Lineair Statt Nahrungsmittel bauen die Farmer in Simbabwe heute beinah nur mehr Exportgüter wie Tabak an.

Die Bilanz ist negativ: 15 Jahre nach der „Fast-Track-Landreform“ kann sich Simbabwe selbst nicht mehr ernähren. Dennoch war die Reform kein kompletter Fehlschlag, meinen Experten.

Präsident Robert Mugabe stellte mit seiner kontroversen Fast-Track-Landreform im Jahr 2000 die Landwirtschaft in Simbabwe auf den Kopf. Er wollte sein Land entkolonialisieren und das Farmland der Weißen an arme Kleinbauern umverteilen. So verloren rund 4500 weiße Großfarmer meist gewaltsam ihren Besitz. Mehr als 7 Millionen Hektar wurden in den vergangenen 15 Jahren umverteilt. Die Regierung gab das Land hauptsächlich Kleinbauern – und Personen mit guten Beziehungen zur Mugabe-Regierung.

Der Agrarsektor kommt seit der umstrittenen Landreform nur schlecht auf die Beine. Vor der Reform war das Land die Kornkammer der Region und hat Getreide exportiert. Heute muss Simbabwe jährlich 100 000 Tonnen Mais und fast alle anderen Nahrungsmittel importieren, um seine Bevölkerung zu ernähren. Ein Grund dafür ist, dass viel Land brach liegt. Nur etwa 40 Prozent des neu verteilten Landes werde momentan produktiv genutzt, bemängelt Phillan Zamchiya, der an der Universität in Oxford und Harare Politikwissenschaft lehrt.

Ein Grund dafür sei, dass die neuen mittelgroßen Höfe hauptsächlich politische Eliten ergattert hatten und diese nicht bewirtschaftet werden. Den Kleinbauern wiederum fehlt oft das nötige Equipment, Düngemittel und Know-how. Viele von ihnen waren vorher keine Bauern und hätten deshalb kein Interesse und wenig Leidenschaft für die Landwirtschaft.

Laut Zamchiya trägt aber auch die Politik der Mugabe-Regierung Schuld daran, dass der Agrarsektor in der Krise steckt. Mugabe sei nicht fähig, die makroökonomische Stabilität des Landes zu sichern. Dafür gäbe es aber viel Korruption in den verschiedenen Wirtschaftszweigen. Zamchiya führte zeitweise das zivilgesellschaftliche Netzwerk Crisis in Zimbabwe Coalition an, das sich für Gerechtigkeit und gute Regierungsführung einsetzt.


Gewinner und Verlierer

Die Fast-Track-Landreform sei jedoch kein kompletter Fehlschlag, urteilte Prosper Matondi auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika und des Zimbabwe Netzwerkes in Bonn im Mai. Matondi ist Geschäftsführer des Think Tanks Ruzivo Trust in Harare und beschäftigt sich seit 16 Jahren mit der Landwirtschaft Simbabwes.

Mugabe habe immerhin ein Landwirtschaftsmodell zugunsten der Kleinbauern geschaffen und verteilte Farmland auf rund eine Million Simbabwer, erklärt Matondi. „Die Zahlen zeigen, dass die meisten Kleinbauern seit der Landreform bessere Lebensgrundlagen haben als vorher.“ Zu den großen Verlierern zählen neben den weißen Großfarmern aber auch rund 300 000 Farmarbeiter. Diese hat die Regierung, wie die weißen Bauern, bislang nicht angemessen entschädigt.

Außerdem hat die Reform Matondi zufolge eine einmalige Chance verpasst, Frauen mehr einzubeziehen „Frauen sind aber das Rückgrat der Landwirtschaft in Simbabwe“, sagt er. Von den 70 Prozent, die auf dem Land lebten, arbeiteten mehr als die Hälfte in der Landwirtschaft. Aber nur rund 18 Prozent haben eigenes Land bekommen.

Schuld daran, dass die Armut in Simbabwe seit den 1990er Jahren kontinuierlich ansteige, sei nicht nur die Fast-Track-Landreform, erklärt Matondi. Verantwortlich dafür seien auch die Strukturanpassungsprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds.

Die Umverteilung zieht bis heute vieleProbleme nach sich. „Es gibt noch so viel Durch­einander, was die Verwaltung sowie Landnutzungs- und Grundrechte angeht“, sagt Matondi. Seit 1999 gab es keine neue Agrarpolitik und Gesetze. Bisher ist das umverteilte Land Staatsbesitz und kann den Bauern wieder genommen werden. Viele Kleinbauern seien unsicher, ob sie das Land langfristig nutzen und weitervererben können.


Problem Vetternwirtschaft

Das Argument, dass kommerzielle Großfarmen besser für die Wirtschaft und Ernährungssicherheit Simbabwes wären, weist Matondi zurück: „Vor der Reform waren kommerzielle Farmen nur erfolgreich, weil sie eine starke Lobby hatten und der Staat sie massiv subventioniert hat.“ Wenn die Regierung auch den kleinbäuerlichen Sektor so unterstützen würde und die Bauern ihr Land voll nutzten, könnten sie die Bevölkerung versorgen, versichert der Agrarexperte.

Für den Politikwissenschaftler Zamchiya ist die Fast-Track-Landreform jedoch nur ein Symptom eines größeren Problems in Simbabwe. „Die meisten staatlichen Reformprogramme werden zugunsten der bestehenden Machtstrukturen und Vetternwirtschaft umgesetzt“, sagt er. Für den Agrarsektor gelte: Bauern, die nicht die Regierungspartei ZANU-PF unterstützten, würden eingeschüchtert, bedroht oder ­geschlagen. Überall grassiere Korruption. Wer Simbabwes Ernährungs- und Wirtschaftskrise lösen wolle, müsse also bei der Politik beginnen.

Theresa Krinninger

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