Afrika

Informelle Märkte in Afrika unter Druck

In den wachsenden urbanen Zentren Afrikas arbeiten viele Menschen im informellen Sektor. Doch die Beschäftigungsverhältnisse sind prekär – auch weil Raum knapp ist, wie sich am Beispiel von Abidjan in Côte d’Ivoire zeigt.
Laden für den täglichen Bedarf in Abidjan. Irit Ittner Laden für den täglichen Bedarf in Abidjan.

Informelle Arbeit trägt maßgeblich zum Einkommen der Menschen in afrikanischen Städten bei. Das liegt zum einen am Mangel an formellen Arbeitsplätzen und zum anderen daran, dass viele die Einstellungsvoraussetzungen für reguläre Stellen nicht erfüllen. Die soziale Ausgangsposition spielt eine wesentliche Rolle: Menschen ohne Bildungsabschluss oder Meldepapiere haben kaum Chancen auf einen rechtlich gesicherten Arbeitsvertrag.

Sie gehen deshalb oft unfreiwillig informelle Arbeitsverhältnisse ein, indem sie etwa mündliche Verträge abschließen oder sich als Tagelöhner verdingen. Teils sind sie bei offiziell gemeldeten Unternehmen informell beschäftigt. Teils handelt es sich aber auch um informelle Unternehmen, etwa weil zu wenig Kapital vorhanden ist, um gesetzliche Auflagen für eine Registrierung erfüllen zu können.

Nicht sozial abgesichert

Der informelle Sektor ermöglicht Beschäftigten einen relativ leichten Zugang zu Arbeit und hohe Flexibilität. Allerdings fehlt ihnen der Zugang zu sozialer Absicherung, Zusatzleistungen, Gewerkschaften und anderen arbeitspolitischen Errungenschaften. Viele informell Angestellte hoffen deshalb, mit der Zeit den Sprung in den formellen Arbeitsmarkt zu schaffen, der ihnen mehr Sicherheit und auch höhere Einkommen verspricht. Gleiches gilt für informelle Unternehmerinnen und Unternehmer.

In afrikanischen Städten lassen sich Aktivitäten im öffentlichen Raum oft nicht eindeutig dem formellen oder informellen Sektor zuordnen. Das gilt beispielsweise auch für den Wohnungsmarkt (siehe meinen Beitrag auf www.dandc.eu). Klar ist: Obgleich informell Beschäftigte oft wichtige Leistungen für die Gesellschaft erbringen, leiden sie unter den negativen Auswirkungen ihres Status. Das zeigt sich beispielsweise in Abidjan, der Küstenmetropole der Côte d’Ivoire.

„Städtische Unordnung“

In Abidjan gehen Teile der Stadtverwaltung und der Distriktregierung seit mehreren Jahren verstärkt gegen spontan entstandene Märkte und nicht gemeldeten Straßenhandel vor. Sie ließen bereits informelle Geschäfte entlang ganzer Straßenzüge abreißen. Auch in vielen anderen westafrikanischen Städten sanktionieren Behörden das, was sie als „städtische Unordnung“ oder „Verstopfung“ bezeichnen. Sie interpretieren die Aneignung öffentlicher Grünanlagen, Plätze und Brachen durch informelle Kleingewerbe als anarchische Bedrohung der staatlichen Obrigkeit und als Angriff auf die öffentliche Ordnung.

Die Gewerbetreibenden sehen das anders. Aus ihrer Sicht nutzen sie öffentliche oder brachliegende Räume in der Stadt, um auf ehrliche Weise ihr Einkommen zu verdienen, etwa mit Straßenhandel oder Handwerk. Ihre Kleingewerbe sind zwar nicht angemeldet, sie zahlen aber häufig Marktsteuern oder Gebühren, die das Personal der Stadtverwaltung vor Ort eintreibt.

Auf informellen Märkten kommt es häufig zu Bränden. Manche Gewerbetreibende vermuten, dies geschehe, um ihre Arbeitsorte zu zerstören oder einen Anlass für eine Räumung zu schaffen. In neue, offiziell gebaute Markthallen oder Ladenzeilen umziehen können nur wenige von ihnen, weil die finanziellen Zugangshürden hoch sind.

Übergangsregelungen könnten helfen

Ist ein informeller Markt erst einmal geräumt, wird die Stelle teils im Rahmen der offiziellen Stadtentwicklung bebaut, teils auch abgesperrt oder zu umzäunten Grünanlagen umfunktioniert. Damit sind diese Orte für die gewerbliche Nutzung verloren.

Trotz besseren Wissens und langer Erfahrung geht die Stadtplanung nicht auf die Bedürfnisse der Gewerbetreibenden ein und richtet keine geeigneten Orte für deren Aktivitäten im öffentlichen Raum ein. Dabei würde es den Gewerbetreibenden und ihren Beschäftigten oft schon helfen, wenn repressive Maßnahmen gegen sie unterblieben und wenn die Verantwortlichen verlässliche Übergangsregelungen zur Nutzung von öffentlichen Räumen schaffen würden.

In Abidjan und anderswo zeigt sich, dass Arbeitsverhältnisse nicht nur durch ihren rechtlichen Status und den Grad der sozialen Absicherung bestimmt werden – auch wenn beide Faktoren wesentlich zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen können. Solange mangels Alternativen weiterhin viele Menschen im informellen Sektor beschäftigt sind, spielen geeignete Orte für das informelle Gewerbe in der Stadt eine wichtige Rolle. Der Handlungsbedarf ist groß: Die Urbanisierung auf dem afrikanischen Kontinent nimmt zu, sodass die knappe Ressource Raum auch in Zukunft ein hohes Konfliktpotenzial bergen wird.


Irit Ittner (ehem. Eguavoen) arbeitet am Geographischen Institut der Universität Bonn sowie am German Institute of Development and Sustainability (IDOS). Sie forscht seit 2017 in Abidjan. Ihre Studie wurde von der Fritz-Thyssen Stiftung finanziert (10.20.2.003EL).
Irit.Ittner@idos-research.de

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