Sexualisierte Gewalt

„Ich werde ihm nie verzeihen“

Sexualisierte Gewalt ist in Südafrika weit verbreitet. 2012 wurden 17 junge Mädchen während eines traditionellen Initiationsrituals in Mahushu an der Grenze zum Krüger-Nationalpark mehrfach vergewaltigt. Das Bezirksgericht hat drei Jahre gebraucht, um die Täter, einen traditionellen Heiler und seine Frau, zu verurteilen. Strikteres Vorgehen ist unerlässlich.
In Südafrika gibt es viele verschiedene Initiationsriten. africamediaonline/picture-alliance In Südafrika gibt es viele verschiedene Initiationsriten.

„Ich werde diesem Mann nie verzeihen; ich hasse ihn so sehr.“ Naledi war 15 Jahre alt, als sie an der sogenannten Initiationsschule teilnahm, einem traditionellen Ritual, mit dem Jungen und Mädchen in der Pubertät auf das Erwachsensein vorbereitet werden. Sie hat sich darauf gefreut. Die Mädchen sollten Tänze erlernen, und meistens tragen sie dort schönen Perlenschmuck. Doch Naledi wurde von Mlombo vergewaltigt, dem traditionellen Heiler. Es fällt ihr immer noch schwer, über das zu sprechen, was wäh-rend der „großen Initiation“ geschah.

Die Mädchen im Alter von neun bis 17 Jahren waren von Juni bis August 2012 in der Initiationsschule. Bei ihrer Ankunft mussten sie ihre private Kleidung ablegen und sich stattdessen mit einen Rock und einem Tuch bedecken. Unterwürfiges Verhalten war Pflicht. Die Mädchen erhielten Nummern anstelle ihrer Namen und mussten die Regeln auswendig lernen.

Alles, was in der Initiationsschule geschah, sollte geheim bleiben. Den Teilnehmerinnen wurde gesagt, sie würden sonst den Verstand verlieren. Wichtiger Bestandteil des Rituals war das Einbrennen eines Brandmals in die Wangen als Zeichen der abgeschlossen Initiation. Für Ungehorsam gab es Prügel.

Die „große Initiation“ ist der wichtigste Teil. Naledi und die anderen Mädchen kamen in einen dunklen Raum. Sie mussten sich ausziehen. Mlombo führte ein Schutzritual durch, bei dem er „heiliges Wasser“ auf ihre nackten Körper rieb. Nach Angaben der Mädchen penetrierte er sie dann entweder mit seinen Fingern oder seinem Penis. Mindestens 17 Mädchen wurden innerhalb von 24 Stunden auf diese Weise sexuell missbraucht. Mlombos Frau schlug die Teilnehmerinnen mit einem sogenannten Initiationsstock, wobei ein Opfer schwer verletzt wurde.

Trotz der Warnungen vertrauten sich einige der Mädchen ihren Eltern an, und diese meldeten die Vorfälle der Polizei und der gemeinnützigen Organisation GRIP (Greater Nelspruit Rape Intervention Programme). GRIP-Mitarbeiterinnen, die unter anderem auf Polizeiwachen angesiedelt sind, kümmern sich um Opfer häuslicher und sexueller Gewalt. Die Mädchen wurden rechtsmedizinisch untersucht und erhielten eine  HIV-Postexpositionsprophylaxe. GRIP sorgte auch dafür, dass der Fall vor Gericht entschie-den wurde.

Zunächst hatte die Polizei die Opfer und ihre Familien an traditionelle Führer verwiesen, da es um eine „kulturelle Praxis“ gehe. Es war anfangs unklar, ob ein traditionelles Gericht oder das Bezirksgericht zuständig war, und so dauerte es drei Jahre, bis das Bezirksgericht ein Urteil sprach. Mlombo wurde zu 17-facher lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigungen und 15 Jahren wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt; seine Frau muss 21 Jahre hinter Gitter.

Die Richter verwiesen darauf, dass die Eltern dem traditionellen Heiler vertraut hatten. Mlombo nutzte die Situation aus, um die Mädchen zu vergewaltigen, und setzte darauf, dass der verordnete „Mantel des Schweigens“ den Missbrauch decken würde.
Statistiken zufolge weist Südafrika weltweit mit die höchste Rate von Gewalt gegen Frauen auf. Die Opfer werden weitgehend alleingelassen. Der Staat stellt bei weitem nicht genug Mittel zur Verfügung, und NGOs, die in dem Bereich arbeiten, hängen von ausländischer Finanzierung ab. Vergewaltigungen erhöhen das Risiko einer HIV-Infektion um ein Vielfaches.

Südafrika sollte den Bereich nicht allein NGOs überlassen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass in Initiationsschulen kein Missbrauch stattfindet und dass es funktionierende Kontrollmechanismen gibt. Jedes Jahr kommen fürchterliche Geschichten von Kindern und Jugendlichen an die Öffentlichkeit, die bei Initiationsriten schwer verletzt oder sogar getötet wurden. Übergangsriten sind ein umstrittenes Thema in Südafrika, weil manche ihrer Elemente einen Widerspruch zwischen kultureller Identität und verfassungsmäßigen Rechten darstellen.


Eva Jerger ist Soziologin. Sie berät NGOs in Südafrika zu Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung.
eva.jerger@googlemail.com

Link
Greater Nelspruit Rape Intervention Programme (GRIP):
http://www.grip.org.za/

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