Freiwilligenaustausch

„Es ist gut, wenn Mauern ­fallen“

Vor sieben Jahren hat die Bundesregierung das weltwärts-Programm ins Leben gerufen. Es vermittelt deutsche Freiwillige ein Jahr lang an soziale Projekte in Entwicklungsländern. Seit 2013 gibt es das Programm nun auch in die andere Richtung: Junge Menschen kommen aus Entwicklungsländern zu Freiwilligeneinsätzen nach Deutschland.
Zwei weltwärts-Freiwillige aus Brasilien und Indonesien erleben den Winter in Deutschland. Rafael de Aquino Passos Zwei weltwärts-Freiwillige aus Brasilien und Indonesien erleben den Winter in Deutschland.

155 deutsche zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) senden weltwärts-Freiwillige in Entwicklungsländer. Am Austausch in die andere Richtung sind bereits 66 deutsche und 245 internationale Organisationen beteiligt. Bisher reisten rund 400 Freiwillige in die Bundesrepublik, und dieses Jahr sollen 600 hinzukommen.

Jacob Betmou aus Kamerun ist seit zehn Monaten in Deutschland und arbeitet als Freiwilliger bei Slow Food e. V.. Brot für die Welt hat den Einsatz vermittelt. Landwirtschaft und Bodenschutz interessieren ihn: „In meiner Heimat kümmern wir uns darum, genug Nahrung für alle anbauen zu können, aber nicht, wie wir unseren Boden schützen.“ Es werde zu viel Pestizid verwendet. Nach seiner Rückkehr will er sein neues Wissen weitergeben. „Meine Organisation in Kamerun bringt Jugendlichen vom Land Gemüseanbau bei. Mit meinen Erfahrungen von Slow Food kann ich ihnen zeigen, wie sie mit weniger Pestiziden auskommen.“

Horst Heinrich Brammer von der Südafrikanischen Botschaft in Berlin findet Austausch in einer globalisierten Welt wichtiger denn je. „Alle großen Herausforderungen wie Terrorismus, Menschen- und Drogenhandel oder illegale Migration sind international, außer einer: Nationalismus.“ Die großen Probleme könnten nur über Austausch gelöst werden: „Deshalb ist weltwärts so wertvoll“, sagte Brammer auf einer Konferenz, der Organisation „ICJA Freiwilligenaustausch weltweit“ zum weltwärts-Programm in Berlin im Mai.

Bernhard Felmberg vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sieht das ähnlich. Ihm zufolge ist weltwärts „globale Partnerschaft im Kleinen“. Er selbst sei in Westberlin aufgewachsen und wisse: „Es ist gut, wenn Mauern fallen.“ Alle beteiligten Organisationen wollen, dass die Freiwilligen sich nach ihrer Rückkehr gesellschaftlich einbringen. Für die Deutschen, die ins Ausland gehen, funktioniert das bereits gut: Mehr als 70 Prozent der Rückkehrer engagieren sich sozial oder wollen dies bald tun. Mit internationalen Freiwilligen, die aus Deutschland zurückkehren, gibt es noch nicht so viele Erfahrungen. Meena Bedarkar von einer indischen CSO berichtet immerhin, die Freiwilligen kehrten „mit dem Bewusstsein zurück, etwas verändern zu können“.

Ein Problem ist jedoch die Visumsvergabe. Weltwärts wird von der Bundesregierung gefördert, aber dennoch verweigern Botschaftsmitarbeiter manchen Kandidaten die Einreisegenehmigung. Damit sich das ändert, arbeitet das BMZ zusammen mit dem Auswärtigen Amt und den Botschaften verschiedener Länder an einem Memorandum of Understanding.

Kandidatenauswahl und Budget sind für die CSOs ebenfalls noch Herausforderungen. Bedarkar berichtet, ihre Organisation bekomme rund 100 Bewerbungen für fünf Plätze. „Wir wollen junge Menschen auswählen, die ohne uns nicht ins Ausland kämen“, sagt sie, aber dafür reiche das Geld oft nicht.

Derzeit wird evaluiert, ob der Süd-Nord-Austausch seine Ziele erreicht. Vom Ergebnis hängt unter anderem ab, in welchem Umfang diese neue weltwärts-Komponente künftig finanziert wird.

Eva-Maria Verfürth

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