3. April 2020

Globale Verantwortung

Globales Handeln ist bei einer Pandemie wichtiger denn je. Das zeigt der Umgang mit einer Epidemie, von der wir auf den ersten Blick gar nicht betroffen waren: Ebola.
Aus der Ebola-Epidemie in Westafrika hätte die Welt Lehrern ziehen sollen: Gesundheitspersonal in Liberia im Januar 2015. picture-alliance/AP Photo Aus der Ebola-Epidemie in Westafrika hätte die Welt Lehrern ziehen sollen: Gesundheitspersonal in Liberia im Januar 2015.

In der Corona-Krise hat die Bundesregierung einen 122 Milliarden Euro-Rettungsschirm auf den Weg gebracht, der Solo-Selbstständige, Kleingewerbe und Miniunternehmen entlasten soll. Unterstützung in der Grundsicherung wurde ebenso zugesagt – eine beispiellose und einzigartige Aktion.

Weniger Beachtung fand ein weiterer Rettungsversuch: Fast zeitgleich zur Bundestagsdebatte wurde bekannt, dass die UN 2 Milliarden Dollar als „Global humanitarian response to fight COVID-19 across South America, Africa, the Middle East and Asia“ bereitgestellt haben. Die Notmittel für Niedersachsen sind höher.

Wir dürfen jetzt im Corona-Ausnahmezustand, wo alle den Blick national und europäisch verengen, die Verantwortung für die Folgen der Globalisierung nicht vergessen. Die Pandemie und eine weltweite Wirtschaftskrise werden die globalen Ungleichheiten vertiefen, bestehende soziale und ökologische Krisen verschärfen und die fehlende Gesundheitsversorgung in vielen Ländern offenbaren. Die Gefahr ist groß, dass die armen Regionen dieser Welt jetzt alleine gelassen werden. 

Dabei hätte die Weltgemeinschaft die Lehren aus der Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika beherzigen sollen. Dann hätten wir heute eine ganz andere Ausgangslage. Gesundheitssysteme gehören nämlich in die öffentliche Hand, zugänglich für alle Menschen und unabhängig von ihrem Einkommen (siehe Andreas Wulf im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/03). Das ist der einzig zuverlässige und nachhaltige Schutz gegen die Epidemien der Zukunft. 

2014 infizierten sich 20 000 Menschen in Afrika mit Ebola, fast die Hälfte starb daran. Der Virus fand damals die besten Voraussetzungen, sich zu verbreiten. Die Gesundheitssysteme der drei Epizentren Guinea, Liberia und Sierra Leone gehören zu den schwächsten weltweit. Aufgrund der Epidemie verschlechterte sich die Gesundheitsversorgung insgesamt – mit fatalen Folgen: Die Zahl der Malaria-Toten verdoppelte sich. Auch die Müttersterblichkeit stieg wieder an, ebenso die Neuinfektionen mit Masern.

Die Welt schaute lange tatenlos zu. Die Abschottungspolitik, die folgte, war so radikal, dass die Exportwirtschaft komplett zum Erliegen kam. Noch lange nach der Epidemie litten die Menschen unter den Folgen (siehe Shecku Mansaray im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/03).

Die Hilfe war zunächst so wenig eingebunden in die Strukturen vor Ort, dass das Misstrauen gegenüber den Helferinnen und Helfern in weißer Schutzkleidung massiv war. Wirksam werden konnte die lebensrettende Aufklärungsarbeit erst, als eine konsequente Einbindung aller gesellschaftlichen Kräfte erfolgte. In der Ebola-Krise haben die Menschen in Westafrika die Abwesenheit des Staates und das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft beim Aufbau einer Infrastruktur im Gesundheits-und Bildungsbereich am eigenen Körper gespürt – und tausendfach mit dem Leben bezahlt. Die Reichtümer ihrer Länder – Bauxit, Coltan, Kobalt und viele mehr – wurden weiterhin in den globalen Norden exportiert, ohne dass Mittel zum Aufbau der sozialen Infrastruktur bereitgestellt wurden.

Gegen Ebola wurde immerhin ein Impfstoff entwickelt, aber die Einsicht in die Notwendigkeit von universellen Gesundheitssystemen verschwand mit der Eindämmung des Virus. Heute gibt es im westafrikanischen Sierra Leone immer noch weniger Ärzte als in der Frankfurter Uniklinik. Der nächste Ausbruch von Ebola in der Demokratischen Republik Kongo im Jahr 2018 wurde kaum zur Kenntnis genommen, weil er erst gar nicht als Gefahr für den Rest der Welt wahrgenommen wurde.

Die profitorientierte Privatisierung des Gesundheitssektors weltweit versagt dabei, Bedingungen herzustellen, mit denen Nationen die aktuellen und kommenden Herausforderungen meistern können. Im Gegenteil: Die Privatisierung hat weltweit zu einer verheerenden Unterfinanzierung des Gesundheitswesens geführt. Die Weltbank drängt derzeit die Länder im globalen Süden dazu, die Probleme im Gesundheitsbereich mittels privater Finanzierung zu lösen und Notprogramme auf Kreditbasis aufzulegen.

Das weist in eine völlig falsche Richtung. Die ärmsten Länder benötigen vielmehr einen sofortigen Schuldenerlass, und es müssen verpflichtende Finanzierungsmechanismen auf internationaler Ebene für die globale Gesundheit her. Nur so kann verhindert werden, dass nach Corona wieder alles Offenkundige vergessen wird und die Welt sehenden Auges in die nächste absehbare Katastrophe gerät.


Anne Jung ist Gesundheitsreferentin bei der Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen medico international.
www.medico.de

 

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