Global Governance

Verbesserungsbedarf: Common Framework for Debt Treatment

Wenn Staatsschulden nicht mehr tragbar sind, werden sie irgendwann umstrukturiert. Das zeigt die Geschichte. Heute ist die große Herausforderung, den G20 Common Framework for Debt Treatment zu verbessern, damit alle Länder aktuelle Krisen bewältigen können. Hohe Verschuldung hindert viele daran.
Die G7 und die EU spielen eine wichtige Rolle – Spitzentreffen in Bali im November. Die G7 und die EU spielen eine wichtige Rolle – Spitzentreffen in Bali im November.

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie setzten die G20 (Gruppe der 20 größten Volkswirtschaften) den Schuldendienst für Länder mit niedrigen Einkommen aus (Debt Service Suspension Initiative – DSSI). Von Mai 2020 bis Dezember 2021 mussten 73 Länder entsprechend weder Zinsen zahlen noch Schulden tilgen. Es ging insgesamt um 12,9 Milliarden Dollar.

Das DSSI war hilfreich, löste aber keine dauerhaften Probleme. Laut Weltbank mussten die weltweit ärmsten Länder im Jahr 2022 Schuldendienste in Höhe von 35 Milliarden Dollar zahlen – an multilaterale, staatliche und private Institutionen. Mehr als 40 Prozent davon entfielen auf China, dem inzwischen größten bilateralen Gläubiger.

Der gemeinsame Rahmen

Um angesichts wachsender Probleme mehr zu tun, riefen die G20 den gemeinsamen Rahmen für die Behandlung von Schulden (CF – Common Framework for Debt Treatment) ins Leben. Es ist der einzige multilateralen Mechanismus für Schuldenerlass und -umstrukturierung. Ein internationales System zur systematischen Behandlung von Staatsinsolvenzen wäre sicherlich besser – eine Idee, die die Ampelkoalition in Deutschland erfreulicherweise unterstützt. Bislang gibt es jedoch nur den CF, der noch nicht viel gebracht hat. Nur drei Länder – Tschad, Äthiopien und Sambia – haben ihn in Anspruch genommen und keine Umschuldung wurde erreicht.

Mehr ist nötig. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) waren 60 Prozent der Länder mit niedrigen Einkommen Anfang 2022 von Schuldenproblemen bedroht oder betroffen. Das waren doppelt so viele wie 2015. Obendrein beschränken nun steigende Zinsen den fiskalischen Spielraum vieler Staaten (siehe André de Mello e Souza auf www.dandc.eu).

Auf Krisen reagieren können

Diese Staaten sind nicht in der Lage, angemessen auf die Vielzahl an Krisen zu reagieren, welche die Menschheit bedrohen. Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, macht das künftig aber noch schwierigere und teurere Maßnahmen nötig. Der CF in seiner jetzigen Form kann die Probleme nicht lösen. Den Anwendungsbereich zu erweitern, wäre sinnvoll, denn auch Länder mit mittleren Einkommen haben Schuldenprobleme. Sie dürfen nicht unter langwierigen Liquiditätsproblemen oder gar Insolvenz leiden.

Zudem befassen sich sowohl das DSSI als auch der CF bisher nur mit bilateralen Forderungen von Staaten. Private Darlehen sind aber auch wichtig. Wenn private Geldgeber bei Umschuldungen nicht mitmachen, werden Lasten nicht gerecht verteilt und die Versuchung des „Trittbrettfahrens“ bleibt groß – also von gemeinsamen Maßnahmen zu profitieren, ohne dazu beizutragen.

Auch für die Zusammenarbeit des CF mit internationalen Finanzinstitutionen sind klare Leitlinien erforderlich. Der IWF gewährt Notkredite an Regierungen, die mit privaten und bilateralen Darlehen im Rückstand sind. Das sollte er auch dann weiter tun, wenn diese Regierungen um eine Umstrukturierung bitten und mit dem CF und anderen Gläubigern Verhandlungen aufnehmen. Die G20 könnten zudem die allgemeine Aussetzung des Schuldendienstes empfehlen, während solche Verhandlungen laufen. Dies würde auch für Kredite des Privatsektors gelten und so einen Anreiz für breite Beteiligung bieten.

Der Pariser Club

Eine Stärke des CF ist, dass er die Mitglieder des Pariser Clubs mit anderen Gläubigern, insbesondere China, zusammenbringt. Er ist ein Format, in dem Geberländer ihre Schuldenpolitik koordinieren. Als einziges Schwellenland gehört bislang Brasilien zum Pariser Club. Alle G20-Mitglieder, die Kredite an ausländische Regierungen vergeben, sollten ihm beitreten.

Der CF könnte so zu einem Instrument werden, der sämtliche Gläubiger in Umstrukturierungsprozesse einbezieht und koordiniert, und zwar auch privatwirtschaftliche Geldgeber. Leider hat der CF bislang kein Mittel, um diese zur Teilnahme zu bewegen. Das ist kontraproduktiv, weil alle Gläubiger – nicht nur CF-Mitglieder – Gleichbehandlung verdienen.

Dem CF fehlen auch geeignete Methoden, um Forderungen und Pflichten verschiedener Gläubiger miteinander zu vergleichen. Vergleiche sind schwierig, weil eine riesige Bandbreite von Gläubigern Kredite an souveräne Staaten gibt. Sie umfasst staatliche, halbstaatliche und private Kreditgeber mit jeweils unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben. Auch die Vielfalt der Vertragsvereinbarungen ist riesig. Manche Kredite werden zu Marktkonditionen gewährt, andere zu Vorzugsbedingungen.

Mehr Transparenz ist nötig

Erschwerend kommt hinzu, dass manche Verträge nicht öffentlich bekannt sind. Intransparenz macht es schwer, Gläubiger zu koordinieren. Sie haben viele Blockademöglichkeiten und Trittbrettfahren ist schwer zu verhindern. Um die Transparenz zu erhöhen, sollten sowohl Schuldner als auch Gläubiger alle relevanten Informationen über Darlehen, Geldbeträge, Konditionen und Garantien einer glaubwürdigen internationalen Institution mitteilen, die beispielsweise beim IWF angesiedelt sein könnte.

Wären die Informationen sogar einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, hätte das positive Auswirkungen auf Regierungsführung, Haushaltsdisziplin und angemessenes Risikomanagement. Mehr Transparenz würde jedenfalls solidem Schuldenmanagement dienen. Je besser der CF für Transparenz sorgt, desto stärker dürfte langfristig die Kreditvergabepolitik werden. Kurzfristig ist Transparenz erforderlich, um Schulden auf gerechte Weise umzustrukturieren.

Was die G7 tun sollten

Die G7 (Gruppe der führenden Länder mit hohen Einkommen) sollten in dem Prozess eine Führungsrolle übernehmen. Sie können für eine gerechte Verteilung der Lasten sorgen und Anreize für unkooperatives Verhalten minimieren. Insbesondere könnten sie ihr jeweiliges nationales Recht gemeinsam weiterentwickeln, um Trittbrettfahren zu erschweren und multilaterale Umschuldung zu erleichtern.

Ein gutes Beispiel ist der Debt Relief Act 2010, den das britische Parlament im Jahr 2010 verabschiedete. Es zwang dort ansässige private Gläubiger, sich an den multilateralen Vereinbarungen zum Schuldenerlass für HIPCs (heavily indebted poor countries – hochverschuldete arme Länder) zu beteiligen.

Verbindliche Klauseln

Nützlich wären obendrein verbindliche Klauseln für kollektives Handeln (CACs – collective action clauses) in den Kreditverträgen. Sie könnten es Gläubigern unmöglich machen, sich Umschuldungsverhandlungen zu verweigern. Auch multilaterale Finanzinstitutionen sollten Verantwortung übernehmen. Die Weltbank könnte beispielsweise während Umstrukturierungsverhandlungen mit Garantien das Gläubigervertrauen stärken.

Der IWF spielt ohnehin eine zentrale Rolle. Er sollte das System der Schuldentragfähigkeitsanalyse (DAS – Debt Sustainability Analysis) aktualisieren und es an Klimazielen sowie den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ausrichten. Außerdem sollten seine Programme die Gläubiger von der Tragfähigkeit solider Wirtschaftspolitik überzeugen. Schuldenerlasse dürfen nämlich nicht dazu führen, dass schnell wieder übermäßige Kredite aufgenommen werden.

Einen klugen Vorschlag machten Anna Gelpern, Sean Hagan und Adnan Mazarei (2020): Die G20 sollten eine Koordinierungsgruppe für Staatsschulden einrichten, der sowohl staatliche als auch private Gläubiger angehören. Auch ohne rechtliche Zuständigkeit könnte sie Gläubiger zusammenbringen, Information weitergeben und Verhandlungen somit erleichtern.

Lehren aus der Vergangenheit

Es gab früher mehrere erfolgreiche Entschuldungsinitiativen. Sie basierten darauf, dass viele Beteiligte sich auf gemeinsame Kriterien einigten. In der Regel geschah das ad hoc. So entstanden Präzedenzfälle und Institutionen wie der Pariser Club.

Oft gingen erfolgreichen Initiativen allerdings halbherzige und erfolglose Anläufe voraus. Viel zu oft wurden Schuldenprobleme nur als ein Problem kurzfristiger Zahlungsfähigkeit und nicht tatsächlicher Insolvenz betrachtet. Zeit zu verlieren, können wir uns angesichts der aktuellen multiplen Weltkrise aber nicht leisten.


Link
Gelpern, A., Hagan, S., Mazarei, A., 2020: Debt standstills can help vulnerable governments manage the COVID-19 crisis. Washington, Peterson Institute for International Economics.
https://www.piie.com/blogs/realtime-economic-issues-watch/debt-standstills-can-help-vulnerable-governments-manage-covid


José Siaba Serrate ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von Buenos Aires sowie der dortigen Privatuniversität UCEMA. Er ist zudem Mitglied des Argentinischen Rats für Internationale Beziehungen (CARI).
josesiaba@hotmail.com

 

 

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