Rezensionen

Studien und Bücher

Leseempfehlungen unserer Autor*innen

Sicherheitsrisiken und Ökologie

Hans Günter Brauch, Ursula Oswald Spring, Czeslaw Mesjasz, John Grin, Pál Dunay, Navnita Chadha Behera, Béchir Chourou, Patricia Kameri-Mbote, P. H. Liotta (Hg.):
Globalization and Environmental Challenges.
Reconceptualizing Security in the 21st Century.
Hexagon Series on Human and Environmental Security and
Peace, Vol. 3, Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 2008, 1148 S., 245,03 Euro, ISBN 978-3-540-75976-8

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen die ökologischen Herausforderungen der Globalisierung eine neue Bedrohung für die kollektive Sicherheit dar. Der eingeschränkte Zugang zu natürlichen Ressourcen, globale Umweltveränderungen sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die betroffenen Gesellschaften erfordern einen ganzheitlichen Ansatz in Bezug auf die Integration verschiedener Sicherheitsinteressen. Im Rahmen eines umfassenden Kompendiums analysieren 92 Autoren aus fünf Kontinenten und unterschiedlichen Fachbereichen die vielfältigen Beziehungen zwischen Sicherheit, Frieden, Entwicklung und Umwelt. Die Autoren gehen dabei der zentralen Frage nach, warum und in welchem Maße strukturelle Veränderungen oder Ereignisse auf regionaler, nationaler oder globaler Ebene ein konzeptionelles Umdenken innerhalb des internationalen Sicherheitsdiskurses bewirkt haben.

Ausgehend von einer Erweiterung und Neubewertung der verschiedenen Dimensionen des Sicherheitsbegriffs seit den 1990er Jahren, wird in insgesamt 75 Kapiteln der ökologische, philosophische, ethische, religiöse, soziale, militärische und räumliche Kontext von Sicherheit näher beleuchtet sowie der Sicherheitsbegriff in den Bereichen Völkerrecht, Wirtschaft und Politische Wissenschaft untersucht. Die institutionellen Sicherheitskonzepte der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der NATO sind ebenfalls Gegenstand der Analyse. Abschließend werden alternative Umwelt- und Sicherheitsstrategien für das 21. Jahrhundert dargestellt und auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft, um zukünftige Forschungen und Entscheidungsfindungsprozesse zu erleichtern.

Allerdings ist dieses Kompendium nicht nur ein wertvoller Beitrag zum Thema Umweltsicherheit; insbesondere die spezifisch regionale Sichtweise auf viele Sachverhalte, wie zum Beispiel auf das Sicherheitsverständnis im Hinduismus, ermöglicht einen tiefgehenden Einblick in die Gesamtproblematik.

Herausgegeben wurde der dritte Teil der „Hexagon Series on Human and Environmental Security and Peace“ unter anderem von Hans Günter Brauch, Dozent für Politische Wissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und seit 2005 Fellow am „Institute on Environment and Human Security“ der United Nations University (UNU-EHS) in Bonn. Weitere Herausgeber sind Experten aus den USA, Indien, Kenia, Mexiko, Tunesien, Ungarn, den Niederlanden und Polen. Geleitworte unter anderem von Klaus Töpfer, dem ehemaligen Bundesumweltminister und Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.

Jürgen Wilhelm

Begrenzte Relevanz

Weltbank:
Doing Business 2009. Comparing Regulation in 181 Economies. Weltbank / IFC / Palgrave Macmillan, 2008, 185 S., US$ 35, ISBN: 978-0-8213-7609-6

Seit 2003 verkündet die Weltbankgruppe regelmäßig im Herbst in ihrem „Doing Business“-Report (DB), in welchem Land der Erde die privatwirtschaftliche Betätigung am einfachsten ist und wo zuletzt relevante Reformen implementiert wurden. Der DB misst anhand von zehn Indikatoren die Kosten, die einem Unternehmen durch staatliche Regulierung entstehen. Diese Indikatoren reichen von der ersten Registrierung eines Unternehmens über den Transfer von Eigentum und die Beschäftigung von Personal bis hin zur Schließung. Die Indikatoren beschreiben Standardsituationen, so dass die Daten weltweit mit einer recht geringen Zahl von Befragten erhoben werden können.

Der DB genießt seit seinem ersten Erscheinen hohe Aufmerksamkeit. Unumstritten ist, dass bürokratischer Aufwand die Wirtschaftsentwicklung belasten kann und dass Ranglisten wichtige Reformimpulse geben können.

Doch es gibt auch Kritik. So wurde schon früh angemerkt, dass der DB de jure bestehende Regeln erfasst, die in vielen Entwicklungsländern de facto aber nicht durchgesetzt werden. Gewerkschaften und die ILO warnen zudem vor einem arbeitsrechtlichen „race to the bottom“.

Der DB unterstellt, dass Bürokratieabbau grundsätzlich der Wirtschaftsentwicklung dient. Das entspricht dem angelsächsischen Paradigma des möglichst freien Marktes, spiegelt aber nicht durchaus erfolgreiche wirtschaftspolitische Leitbilder aus Asien und Europa wider. Der DB geht nicht darauf ein, wozu ein leistungsfähiger Staat nötig ist. Er übersieht auch, dass in vielen Entwicklungsländern die Ökonomie nur ungenügend diversifiziert und kaum innovationsfähig ist, sodass Deregulierung per se zu kurz greift.

Kürzlich hat die unabhängige Evaluierungsgruppe (IEG) der Weltbank den DB geprüft. Ihre lesenswerte Kritik zeigt Wirkung: Der aktuelle DB geht deutlicher auf seine eigenen Grenzen ein. Er soll demnach nur als eine von vielen Informationsquellen für Reformpolitik dienen, zumal er länderspezifische Faktoren wie etwa die Infrastruktur, das Finanzsystem, die Handelspolitik, aber auch das Ausbildungsniveau der Arbeitnehmer nicht erfasst.

Das ist ein wichtiger Schritt zur korrekten Einordnung des DB. Aber wie geht es weiter? Die breite mediale Vermarktung des DB 2009 spiegelt die Evaluierung nicht ausreichend wider. Wenn aber nicht konsequent über die Grenzen des Konzepts aufgeklärt wird, besteht das Risiko fort, dass sich Reformer an einer Rangliste orientieren, die nur einen Bruchteil der relevanten Faktoren eines Standorts erfasst.

Übrigens – in diesem Jahr führt erneut Singapur die „Ease of Doing Business“-Rangliste an. Deutschland rangiert auf Platz 25. Als „Topreformer“ wird diesmal Aserbaidschan gefeiert. Was das konkret für die Wirtschafsförderung und die Armutsreduzierung bedeutet, beantwortet der DB nicht.

Christian von Drachenfels

Abschied von der „weißen Norm“

Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai, Sheila Mysorekar (Hg.): Postkoloniale Perspektiven von „People of Color“ auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland,
Unrast-Verlag, Münster, Juli 2007, 456 S., 24 Euro,
ISBN 978-3-89771-458-8

„Die Gegenwart samt ihrer historisch gewachsenen Hierarchien und Konstellationen wird einer Re/ Vision – also einer prüfenden Wiederdurchsicht – unterzogen.“ Diesem Anspruch kommt der Sammelband unter Einbeziehungen verschiedener Perspektiven und Erfahrungen nach. Die Autoren sind Menschen mit unterschiedlichen außereuropäischen Migrationshintergründen, aber auch schwarze Deutsche und Roma. Sie setzen sich kritisch mit gegenwärtigen Macht-, Ausbeutungs- und Ungleichheitsstrukturen in der deutschen Gesellschaft auseinander.

Das Buch bricht stereotypische Vorstellungen der weißen, deutschen Leitkultur auf, in der Menschen mit einer anderen als der weißen Hautfarbe sich als Objekte der Wissenschaft und Politik empfinden. Indem das „Andere“ ohne seine Partizipation analysiert und vereinheitlicht wird, werden gesellschaftliche Vorurteile verfestigt, weil sie als gegebene Realitäten verstanden werden. Dagegen-gesetzt werden Heterogenität und pluralistische Herangehensweise mit dem Ziel der „Verundeutlichung“ bestehender gesellschaftlicher Ordnungskategorien, wie Gender, Herkunft, Klassenzugehörigkeit oder sexuelle Orientierung.

Das Buch wehrt sich gegen die „weiße Normalität“, die historisch aus Vorstellungen einer weißen, männlichen Minderheit gewachsen ist. Sozialkonstruktivistische Theorien und Methoden ziehen sich durch den gesamten Band. Auf dieser Basis ist die Rede von einer konstruierten „Mehrheitskultur“, in der Privilegierte „ihre“ Minderheiten definieren. So werden Feindbilder aus der Kolonialzeit repliziert.

Die Textsammlung beeindruckt durch ihre provokante Originalität und Meinungsvielfalt. Sie lässt aber eine real-politische Ausrichtung vermissen. Bei der Kritik an der deutschen Migrationspolitik fehlt es bestimmt nicht an Argumenten, sondern an Alternativen. Nach der vorhergegangenen Dekonstruktion bestehender Strukturen fragt man sich als Leser, welche Mechanismen nach Ansicht der „People of Color“ zu institutionalisieren wären. Denn jedes zu etablierende System beruht auf Vorannahmen, die wiederum Verallgemeinerungen beinhalten. Interessant wäre gewesen, wenn die heterogene Mischung von Autoren sich auf ein gemeinsames Fazit hätte einigen können. Wenn bestehende Politik kritisiert wird, ist ein alternativer Ausblick sinnvoll.

Alexandra Janda

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