Nothilfe

„Eine der größten Tragödien unserer Zeit“

Der Konflikt im Südsudan dauert bereits fünf Jahre. Millionen Geflüchteten und intern Vertriebenen (internally displaced people – IDP) fehlt es an Grundversorgung wie Nahrung, Unterkunft, medizinische Versorgung und Bildung. Hilfsorganisationen benötigen bis Ende dieses Jahres 1,4 Milliarden Dollar.
UN-Camp in Bentiu, Südsudan. UNMISS UN-Camp in Bentiu, Südsudan.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), das Welternährungsprogramm (WFP) und 57 andere humanitäre Organisationen versorgen die Geflüchteten und Vertriebenen. Kämpfe und Hunger treiben immer mehr verzweifelte Menschen in die Flucht aus dem Südsudan. Deswegen wenden sich das UNHCR und seine Partner seit einiger Zeit an die Geber.

Laut einem UNHCR-Report 2017 über den Südsudan fliehen pro Tag 2 800 Männer, Frauen und Kinder, um der wachsenden Gewalt und drohendem Hunger zu entkommen. Viele erreichen die Nachbarländer nur mit ihrer Kleidung am Leib und sind traumatisiert von schrecklichen Erlebnissen. Filippo Grandi, Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, spricht von „schlimmen Geschichten“ und „langen Listen von Gräueltaten“ inklusive Erpressung, Zwangsrekrutierung, Vergewaltigung und Mord.

Im Mai vergangenen Jahres sagte Grandi bei einer Geberkonferenz in Genf: „Es handelt sich im Südsudan nicht nur um eine der größten Flüchtlingskrisen in Afrika, sondern wir erleben eine der größten Tragödien unserer Zeit.“ Er forderte zu mehr Nothilfe auf. Der Südsudan ist laut UNHCR-Bericht das Land mit der weltweit am schnellsten eskalierenden Flüchtlingskrise.

Unter den hilfesuchenden Südsudanesen in Uganda, Sudan, Äthiopien, Kenia, der Demokratischen Republik Kongo (DRC) und der Zentralafrikanischen Republik (CAR) sind eine Million Kinder. Rund zwei Millionen Binnenvertriebene leben im Südsudan, und über zwei Millionen Menschen sind in die umliegenden Länder geflohen. Allein Uganda hat eine Million aufgenommen. UNHCR koordiniert die gemeinsamen Aktionen mit Regierungen, humanitären Organisationen sowie mit Geflüchteten und Aufnahmegemeinden.

Dazu sind mehr Ressourcen notwendig. „Wenn wir genug Geld bekommen, können wir die Gefahr einer Hungersnot bannen“, sagt David Beasely, Direktor von WFP. Allein seine Organisation kalkuliert, dass sie 300 Millionen Dollar braucht, um den Hunger im Land zu bekämpfen.

Um die Nahrungsmittelversorgung zu verbessern, startete die südsudanesische Regierung im März 2018 ein ehrgeiziges Programm in Yambio, in einer Gegend, die immer als Brotkorb des Landes fungiert hat. Die Bauern sollen ausreichend anpflanzen, um eine Hungersnot zu verhindern. Landwirtschaftsminister Onyoti Adigo Nyikwec kooperiert mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und dem WFP. Er betont, dass die kommende Anbausaison wichtig für die Verbesserung der Versorgungslage im Südsudan ist.

Es gibt mehrere Gründe für die Nahrungsmittelknappheit. Hauptgrund ist der gewaltsame Konflikt, weswegen die Bauern weder ihre Felder bestellen noch sich um ihre Tiere kümmern können. Die Dürre, die Ostafrika heimgesucht hat, trägt ebenfalls dazu bei, jedoch weniger dramatisch als in den Nachbarländern. Experten schätzen, dass in Spitzenzeiten der Hungersaison – zwischen Mai und Juli – bis zu 7,1 Millionen Menschen unter akuter Nahrungsnot leiden werden. Care International South Sudan warnt, dass die Hälfte der Bevölkerung betroffen ist. Laut dieser Organisation ist eine Million Kinder unter fünf Jahren stark unterernährt.

Die FAO betont, dass es den Bauern ermöglicht werden muss, weiterhin ihre eigene Nahrung anzubauen. „Es ist wichtig, dass wir gefährdeten Bauern, Fischern und Hirten helfen, Selbstversorger in der Nahrungsmittelproduktion zu werden“, sagt Pierre Vauthier von der FAO. „Bauern spielen eine entscheidende Rolle, um landesweit Ernährungssicherung sowie Wirtschaftswachstum zu garantieren und somit auch Frieden und Stabilität.“

Das Szenario ist jedoch deprimierend. „Die Ernährungslage im Südsudan verschlechtert sich weiter“, sagt Simon Cammelbeeck vom WFP.

„Es ist entscheidend, dass Bauern ebenso wie der Privatsektor die kommende Anbausaison nutzen, um den Nahrungsmittelbedarf der Bevölkerung zu decken.“ Die Situation im Südsudan und in den Nachbarländern ist schon lange zu einer ernsten humanitären Notlage eskaliert. Cammelbeeck fürchtet, dass es sich noch verschlimmert, „bis eine politische Lösung gefunden wird“.

Davon unabhängig gibt es Versuche, das Leben auf dem Lande zu verbessern.

Greater Equatoria ist eine Region Südsudans, wo früher 17 Prozent des Getreides des Landes angebaut wurden, aber die Jahre des Konfliktes haben ihre Spuren hinterlassen. Viele Menschen wurden vertrieben; die landwirtschaftliche Produktion ist dadurch sehr zurückgegangen. 2017 unterstützte das FAO-Nothilfeprogramm 860 000 gefährdete Haushalte mit Saatgut, damit die Felder bestellt werden konnten.

Das WFP und seine Partner haben einen anderen Ansatz in der benachbarten Region Western Equatoria. Sie unterstützten 3 000 Haushalte für den (Wieder-)Aufbau gemeinschaftlich genutzter Infrastruktur wie Brunnen und Straßen. WFP sorgt auch dafür, dass für Schulspeisungen die Produkte lokaler Bauern genutzt werden.

Diese Maßnahmen sind wichtig, können aber das grundlegende Problem nicht lösen: Solange der Krieg andauert, bleibt Nahrungssicherheit ein Wunschbild.


Leben im Flüchtlingslager

Menschen leben nun massenhaft in Flüchtlings-Camps. Die große Mehrheit sind Frauen und Kinder. Meist kommen sie schwach und unterernährt dort an. Wenn die Regenzeit kommt, verschlimmern die Überschwemmungen noch ihre Situation.

„Ich brauche Decken. Nachts ist es kalt, und ich will nicht, dass meine Kinder krank werden“, sorgt sich die 23-jährige Rebecca Barnaba, die im Doro-Camp in Bentiu lebt. Sie sagt, dass das Zelt, das sie bekommen hat, starken Regen nicht abhält, so dass die Familie nass wird. Patrick Riek lebt in einem Lager in der Hauptstadt Juba. Er berichtet, dass die Bewohner nicht genug zu essen bekommen.

Kon Gabriel, Bewohner eines anderen Lagers in Juba, beklagt sich über Gesundheitsprobleme: „Das Gesundheitszentrum ist schlecht ausgestattet; es gibt zu wenig Medizin, und wir müssen teure Medikamente außerhalb des Camps kaufen.“ Seiner Ansicht nach sollte die internationale Gemeinschaft den leidenden Menschen mehr helfen – und sicherstellen, dass der Konflikt bald beendet wird.

Arnauld Akodjenou von UNHCR sagt, es sei wichtig, die Hoffnung zu wecken: „Ohne weitere Finanzierung und Unterstützung werden wir jedoch Schwierigkeiten haben, auch nur die grundlegendste Hilfe zu leisten.“ Seiner Ansicht nach ist das Ausmaß der Vertreibung „unglaublich“.

Die UN im Südsudan (UNMISS) soll Zivilisten beschützen und Menschenrechtsverletzungen untersuchen. Ihr offizielles Mandat lautet, die Bedingungen für humanitäre Hilfe zu schaffen sowie die Umsetzung des Friedensabkommens zu unterstützen. Das Problem ist jedoch, dass sich niemand an dieses Abkommen hält. Die Kämpfe flammen immer wieder neu auf. Die Menschen im Südsudan träumen von Bildung, Gesundheitsversorgung und ausreichend Nahrung, aber der Bürgerkrieg hat Millionen abhängig von Wohlfahrt gemacht.


Okello Ciro ist freier Journalist. Er lebt in Juba, Südsudan.
journalistokello@gmail.com

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