Wahlen

Desinformation bekämpfen

Jeden Tag verbreiten soziale Medien sogenannte „Fake News“, also schlicht Falschinformationen, irreführende Propaganda und dreiste Lügen. Besonders während Wahlen hat Online-Desinformation verheerende Auswirkungen, weil sie gewaltsame Zusammenstöße auslösen kann. Penplusbytes, eine unabhängige Medienorganisation in Ghana, hat einen Weg gefunden, Desinformation am Wahltag zu identifizieren und unschädlich zu machen.
In der Wahlnacht kommt es auf Vertrauen an: Stimmauszählung in Accra im Dezember 2016. Christian Thompson/picture-alliance/dpa In der Wahlnacht kommt es auf Vertrauen an: Stimmauszählung in Accra im Dezember 2016.

Journalisten sind oft nicht gut vorbereitet, um mit den Herausforderungen der sozialen Medien adäquat umzugehen. Dies betrifft vor allem Propaganda, die sich als Nachrichten ausgibt. Schon oft haben Wahlen in afrikanischen Ländern Gewalt ausgelöst, deswegen ist Desinformation besonders gefährlich vor, während und direkt nach Wahlen.

Um diese Gefahr zu bannen, richtete Penplusbytes 2008 das „African Elections Project“ ein. Penplusbytes ist eine zivilgesellschaftliche Organisation (siehe Kasten nächste Seite). Sie war bisher an der Wahlberichterstattung in der Elfenbeinküste, Niger, Ghana, Malawi, Mosambik, Namibia, Mauretanien, Botswana, Togo, Guinea und Liberia beteiligt. Das „Africa Elections Project“ stärkt die Demokratie indem sie Internet und sozialen Medien nutzt, um verlässliche Informationen über die Wahlen zu verbreiten.

Die Bausteine für dieses Projekt be­inhalten:

  • Training für Redaktionsleiter, Journalisten und Reporter,
  • Nutzung von SMS als Monitoring,
  • einen Medienleitfaden für Wahlen,
  • Aufbau von glaubwürdigen Online-Portalen,
  • Stärkung des Wissensmanagements (wie etwa „lessons learned“, Herausforderungen, Schlüsselfaktoren für den Erfolg et cetera) und
  • Medien-Monitoring.

Medien-Monitoring ist besonders wichtig. Relevante Methoden sind beispielsweise:

  • Kartierung von Zwischenfällen bei Wahlen,
  • Frühwarnsystem bei gefährlichen Entwicklungen und
  • Realzeit-Monitoring durch neue Apps.


Das „Social Media Tracking Centre“

Das Monitoring von traditionellen Medien (TV, Radio, Zeitungen) ist längst Norm in Afrika. Soziale Medien sind schwerer nachzuverfolgen, müssen jedoch auch beobachtet werden. Penplusbytes hat deswegen das so genannte „Social Media Tracking Centre“ (SMTC) entwickelt.

Das erste SMTC wurde während der Wahlen in Ghana 2012 eingesetzt, mit der Absicht, Wahlbetrug in Echtzeit aufzudecken und mit diesen Informationen die relevanten Institutionen zu warnen. In Ghana gab Penplusbytes diese Informationen weiter an die „National Elections Security Task Force“ (NESTF) – und diese wurde sofort aktiv.

Die SMTC-Teams überwachen Plattformen wie Twitter, Facebook et cetera. Sie nutzen dabei die Aggie Social Media Tracking-Software, die im Georgia Institute of Technology in den USA entwickelt wurde. Die Aggie-Software macht die Beurteilung von Trends bezüglich Themen wie Wahl-Logistik, Gewalt, politischen Parteien und so weiter möglich. Alle Inhalte der sozialen Medien werden einer Schlüsselwort-Kategorisierung unterzogen. „Kämpfe vor Wahlkabine“ wird beispielsweise unter „Gewalt“ eingeordnet.

Der SMTC-Ansatz benötigt drei Teams. Das erste ist das „Tracking-Team“, das überwacht, was vor sich geht. Es gibt alle relevanten Vorgänge weiter an das „Verifikationsteam“, das herausfinden muss, ob die Information richtig ist oder nicht. Wenn das geschehen ist, informiert das „Eskalationsteam“ die jeweiligen Interessensgruppen. Es ist nicht nur wichtig, sie bei tatsächlichen Ereignissen zu warnen, sondern auch über Falschnachrichten, da offizielle Stellen ebenfalls in die Irre geführt werden können.

Der Prozess des Faktenprüfens ist nicht einfach. Als Erstes fragen die Verifikationsteams bei vertrauenswürdigen Quellen nach, wie sie die Nachricht beurteilen. Diese Quellen sind seit längerer Zeit bekannt und nachgewiesenermaßen sehr zuverlässig. Meistens haben die Teams regelmäßigen Kontakt zu diesen Quellen.

Andere Aspekte werden ebenfalls beleuchtet. Dazu gehören die Erzeuger von Inhalten, ihre möglichen Motive und wer – und wie viele – die Inhalte teilen. Diese Dinge geben Faktenprüfern wichtige Hinweise. Wenn ein Post von jemandem mit einer eindeutigen Tendenz kommt, wird die rote Fahne gehisst. Diese Quelle wird in Zukunft als weniger vertrauenswürdig eingestuft.

In Ghana arbeitet das SMTC mit jungen Technikfreaks von Hochschulen. Wenn ein relevanter Inhalt als entweder wahr oder falsch klassifiziert worden ist, wurden alle wichtigen Stellen – inklusive der NESTF – schnell über den Wahl-Störfall informiert.

Das Social Media Tracking Centre (SMTC) erhielt 297 660 Berichte von Facebook, RSS Feeds, Twitter, SMS und WhatsApp. Durchschnittlich kamen 70 Reports pro Minute an. 39 Prozent der verifizierten Vorfälle betrafen Wahl-Logistik wie verspätetes Wählen, verschwundene Wahlscheine oder Ausfälle der biometrischen Messgeräte. Auf der anderen Seite stellten sich 18 angebliche Fälle von Gewalt und Wahlbetrug als Desinformation heraus.

In Ghana wurde die Arbeit des SMTC von der Deutsche Welle Akademie und dem National Endowment for Democracy aus den USA unterstützt. Außer der NESTF wurden die Nationale Wahlkommission, die Koalition der lokalen Wahlbeobachter und die Sicherheitskräfte in Echtzeit vom SMTC informiert. SMTC-Teammitglieder waren in deren Kontrollzentren eingebettet.

Alle Beteiligten bestätigen, dass diese Arbeit nützlich war. James Afedo, der Kommunikationsmanager der ghanaischen Wahlkommission, sagte: „Wir freuen uns, dass wir bei den Wahlen mit Penplusbytes gearbeitet haben. Das Social Media Tracking Centre machte es möglich, dass wir die Bürger als ‚Augen vor Ort‘ nutzen konnten, indem sie den Wahlprozess beobachtet haben. Die Berichte während der Wahlen, die uns die Bürger über Social Media zukommen ließen, nutzten wir zur Lösung der Probleme.“ Kingston Tagoe, IT-Unternehmer und SMTC-Aufsichtsperson, sagte: „Der SMTC gewährleistet transparente und friedliche Wahlen, und wir freuen uns, dass wir dabei behilflich sein können.“

Damit die Teammitglieder und ausgewählte Journalisten sich besser darüber informieren konnten, wie man mit Fake News umgehen kann, organisierte Penplusbytes eine Reihe Trainings in der Hauptstadt Accra und Kumasi, der regionalen Hauptstadt der Ashanti-Region. Darüber hinaus kooperierte Penplusbytes mit dem EIB-Netzwerk, das Radio- und Fernsehstationen sowie Websites unterhält.


Fazit

Fake News bekämpfen ist nicht einfach, da es sehr schnell geschehen muss, riesige Datenmengen analysiert und die Quellen entdeckt werden müssen. Penplusbytes setzte SMTC ein, um Falschnachrichten rund um die Wahlen online aufzudecken.

Es gibt starke Hinweise darauf, dass Fake News, Online-Propaganda und Desinformation eher zunehmen als aufhören werden. Man nimmt an, dass diese Herausforderung bezüglich Ausmaß und Komplexität wächst, nicht nur durch die Teilnahme von Menschen, aber auch durch Online-Bots (Computerprogramme, die automatisch Aufgaben durchführen). Es ist ein Wettrennen gegen die Zeit, um Strategien zu entwickeln sowohl bezüglich Technologie als auch menschlichen Systemen, die zusammen mit größerer Medien- und Informationenkompetenz dazu beitragen kann, diese Flut zu stoppen. Das SMTC ist eine Methode, die Wahlprozesse in einem schwierigen Umfeld schützen kann.


Kwami Ahiabenu II ist Direktor der unabhängigen Medienorganisation Penplusbytes.org. Er lebt in Accra, Ghana.
info@penplusbytes.org


Links

Penplusbytes:
http://penplusbytes.org/

African Elections Project:
http://www.africanelections.org/
 

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