SDGs

Der mexikanische Weg

Die mexikanische Regierung schiebt wichtige institutionelle und programmatische Veränderungen an, um sich den entwicklungs- und klimapolitischen Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Wichtigstes Ziel dabei ist die integrierte Umsetzung der Nachhaltigkeits- und der Klimaagenda.
Mexiko versucht der Luftverschmutzung in der Hauptstadt Mexiko-Stadt mit Fahrverboten und dem Ausbau von Radwegen zu begegnen. picture-alliance/ZUMA Press Mexiko versucht der Luftverschmutzung in der Hauptstadt Mexiko-Stadt mit Fahrverboten und dem Ausbau von Radwegen zu begegnen.

Die Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeits-Entwicklungszielen (sustainable development goals – SDGs) und das Abkommen von Paris zum globalen Klimaschutz spiegeln eine grundsätzliche Übereinkunft über die globalen Herausforderungen wider. Die große Aufgabe ist jetzt die konkrete Umsetzung: Um die SDGs und auch die nationalen Klimaschutzbeiträge der Länder (nationally determined contributions – NDCs) umzusetzen, braucht es die richtigen Voraussetzungen:

  • Die Koordination zwischen Ministerien muss sichergestellt,
  • Haushaltsmittel müssen bereitgestellt,
  • nationale Entwicklungspläne angepasst sowie
  • regulatorische Instrumente entwickelt und deren Vollzug vorgenommen werden.

Und das ist hartes Brot. Kurzum: Die internationale Gemeinschaft und ihre Mitglieder werden jetzt mit der harten Realität der Umsetzung konfrontiert.

Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Rahmen der Agenda 2030 ist für alle Organisationen etwas Neues. Einige denken, dazu wären nur kleinere Anpassungen der Konzepte nötig. Eine Beratung zur Umsetzung der Agenda 2030 impliziert aber neue Ansätze und Inhalte: Neben der SDG-Fortschrittsmessung müssen strukturelle Prozesse angegangen werden, wie die Anpassung nationaler Entwicklungsplanung, inklusive der Verabschiedung nachhaltiger Haushalte.

Für Mexiko ist eine Bearbeitung der SDGs wichtig, um nationale Herausforderungen anzugehen: Etwa 55 der 127 Millionen Mexikaner leben unterhalb der nationalen Armutsgrenze. 60 Prozent aller Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor ohne Zugang zur Sozialversicherung und es gibt gravierende Defizite in der Regierungsführung.

Gleichzeitig gehört Mexiko zu den zwölf Ländern mit der größten Biodiversität. Das Land ist mit einem Anteil von 1,7 Prozent an den globalen Treibhausgas­emissionen neuntgrößter Emittent. Mehr als 90 Prozent der in Mexiko verbrauchten Energie werden aus fossilen Brennstoffen erzeugt.

Um notwendige Um- und Neustrukturierungen auf höchster Ebene zu begleiten, setzt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gemeinsam mit dem mexikanischen Präsidialamt die „Initiative Agenda 2030“ in Mexiko um. Die Initiative hat drei Schwerpunkte:

  • Unterstützung beim Aufbau des nationalen Rats der Agenda 2030, eines Forums, das staatliche und nichtstaatliche Akteure zusammenbringt, um den Präsidenten bei der Umsetzung der Agenda 2030 zu beraten.
  • Beratung bei der Entwicklung einer mexikanischen Nachhaltigkeitsstrategie.
  • Stärkung der Beziehungen zwischen öffentlichem Sektor, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Wissenschaft.

Wichtigstes Leitmotiv der Beratung ist die Politikkohärenz im Hinblick auf die Umsetzung der SDGs und des mexikanischen Klimabeitrags.


Ressortübergreifend denken und handeln

Die Prozesse zur Umsetzung der SDGs und des Pariser Abkommens sind in vollem Gange: Mexiko setzte eine Nachhaltigkeitsarchitektur auf und macht einen Plan zur Implementierung der NDCs.

Vermittelt durch die GIZ hat eine Debatte zur Integration beider Prozesse begonnen. Die Schlussfolgerung ist, dass Mexiko von einem integrativen Ansatz profitieren kann.

Für das Umweltministerium können die SDGs ein zentrales Vehikel sein, um Reformen zur Minderung und Anpassung an den Klimawandel auch in anderen Sektoren anzustoßen. Denn auch im Sozial- oder Innenministerium ist die Agenda 2030 in aller Munde.

Damit sich die Klimaagenda in den Kernsektoren der mexikanischen Politik durchsetzt, ist die politische Rückendeckung auf höchster Ebene unabdinglich. Hier kann die Verflechtung mit der Agenda 2030 helfen: Die Kompetenz zur Umsetzung der Agenda 2030 ist im Büro des Präsidialamts angesiedelt. Diese institutionelle Aufhängung gibt der Klimaagenda eine hohe Priorität in der gesamten mexikanischen Entwicklungsplanung.

Zusätzlich legt die Regierung ein starkes Augenmerk darauf, verschiedenste Akteure und die Bevölkerung für die Agenda 2030 zu sensibilisieren. Sie startet Informationskampagnen, Dialogforen und innovative Bildungsformate für nachhaltige Entwicklung. Das ist wichtig, denn klimapolitische Maßnahmen wie der Abbau klimaschädlicher Subventionen oder Emissionshandel werden auch auf Widerstand stoßen. Eine breite Unterstützung ist daher vonnöten, um den langfristigen Erfolg dieser Reformen zu gewährleisten.

Die mexikanische Klimadebatte wird bisher aber sektoral geführt. Daher gilt es herauszustellen, welchen Zusatznutzen der Klimaschutz für die Erreichung der SDGs haben kann, beispielsweise im Bereich Gesundheit, Beschäftigungswachstum, Technologie- und Innovationsförderung. So kann eine thematische Verflechtung zu einem starken politischen Argument werden. Diese Sichtweise auf Klimapolitik verhindert auch negative Auswirkungen des Klimaschutzes auf andere Bereiche nachhaltiger Entwicklung, zum Beispiel wenn man an den Schutz territorialer Rechte indigener Bevölkerungsgruppen im Rahmen von großen Energieprojekten denkt – ein Thema, das in Mexiko von großer Bedeutung ist.

Der Nutzen von Klimaschutz für die Agenda 2030 liegt auf der Hand. Eine von der Initiative Agenda 2030 in Auftrag gegebene interne Studie zeigt auf, dass die Umsetzung der mexikanischen NDCs einen positiven Einfluss auf 47 Unterziele der SDGs hat, unter anderem bei Armutsreduzierung, Beschäftigungswachstum und guter Regierungsführung.

Die Zeit läuft: Viele Länder sind sich der Win-win-Situation von Klima- und Entwicklungspolitik nicht bewusst. Oft werden beide Agenden parallel vorbereitet. Sind diese einmal festgeschrieben, wird es schwer, sie nachträglich zusammenzuführen. Mexiko möchte dies von Beginn an richtig machen.


Wie integrieren?

Um die Agenden zu integrieren, arbeitet die Initiative Agenda 2030 an der Schnittstelle zwischen Präsidialamt und Umweltministerium. Die Arbeit konzentriert sich auf drei Dimensionen.

  1. Thematische Dimension: Beratung zur thematischen Verflechtung der beiden Prozesse, unter anderem durch eine zukünftige mexikanische Nachhaltigkeitsstrategie. Dies führt zu dem übersektoralen Dialog, der es erst ermöglicht, den zusätzlichen Nutzen von Klimaschutz auch wirklich zu nutzen.
  2. Strategische Dimension: Förderung einer integrierten Strategieentwicklung, die dazu führt, dass für beide Prozesse ausreichend Ressourcen wie Geld oder Technik mobilisiert werden.
  3. Politische Dimension: Stärkung des Klimadialogs auf höchster politischer Ebene, um sicherzustellen, dass Klimaschutz auf der Agenda des Präsidenten bleibt. So wird die politische Rückendeckung gewährleistet.

Erste Ergebnisse liegen vor. Zum ersten Mal überhaupt wurden die Zusatznutzen der Umsetzung der mexikanischen NDCs im Licht der SDGs analysiert und zentralen Ressorts zur Diskussion vorgelegt. Gleichzeitig wurde ein stetiger Dialog zwischen Präsidialamt und Umweltmi­nisterium zur Integration der Agenden etabliert. Die beiden Behörden tauschen sich zunehmend gemeinsam bilateral mit internationalen Partnern aus – sie führten zum Beispiel auch eine mexikanische Delegationsreise nach Deutschland zur Agenda 2030 und zur Umsetzung der NDCs gemeinsam an.

Eine direkte Folge ist, dass das Präsidialamt bei den wichtigen Ressortabstimmungen zur Umsetzung des mexikanischen Klimabeitrags präsent ist und sich aktiv einbringt. Umgekehrt wird dem Umweltministerium eine besondere Rolle bei der Positionierung des Klimaschutzes in der mexikanischen Nachhaltigkeitsstrategie zukommen.

Das können nur erste Schritte sein. Eine Integration der Agenden muss sich in der Umsetzung niederschlagen. Armutsprogramme müssen Instrumente zur Verringerung der Vulnerabilität gegen Klimakatastrophen aufnehmen. Investitionsprogramme sollten zum Unternehmertum in grünen Sektoren beitragen. Mittel, die aus dem Abbau klimaschädlicher Subventionen freigesetzt werden, müssen so rein­vestiert werden, dass sie der ganzen Bevölkerung zugutekommen. Kernprojekte wie die Einleitung einer mexikanischen Energiewende oder die Einführung eines Emissionshandels müssen weiter vorangetrieben werden.

Die globalen Krisen führen dazu, dass die Aufmerksamkeitsspanne von Politik und Öffentlichkeit kurzweiliger wird. Schnell ändern sich politische Prioritäten und Positionen. Eine integrierte Umsetzung der Agenda 2030 und des Abkommens von Paris – bis 2030 sowie darüber hinaus – bedarf aber Kontinuität. Diesen Wechsel vom Sprint- in den Marathonmodus erfolgreich mitzugestalten ist eine Aufgabe der deutsch-mexikanischen Zusammenarbeit. Wir brauchen einen langen Atem.


Helge Arends ist Leiter der Initiative Agenda 2030 der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Mexiko.
helge.arends@giz.de

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