Sexuelle Aufklärung

Wer will schon eine Ziege erziehen?

Armut, Geschlechterdiskriminierung, erzieherisches Versagen und mangelndes Wissen – das sind die Ursachen dafür, dass ein Viertel aller ugandischen Mädchen derzeit schwanger sind oder bereits ein Kind geboren haben. Die Debatte über den Umgang damit wird hitzig geführt.
Ein Weg das Leben der Kinder in Uganda zu verbessern, ist es, Schwangerschaften ­Jugendlicher zu verhindern. http://www.joyforchildren.org/ Ein Weg das Leben der Kinder in Uganda zu verbessern, ist es, Schwangerschaften ­Jugendlicher zu verhindern.

Die East African Legislative Assembly (EALA), ein Organ der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), hat ein Gesetz zu sexuellen und reproduktiven Rechten entworfen. Ziel ist die Verhinderung ungewollter Schwangerschaften, riskanter Abtreibungen und sexuell übertragbarer Krankheiten, darunter HIV/Aids. Dazu sollen die medizinische Versorgung, die Sexualaufklärung und dazugehörige Dienstleistungen für alle Bürger der EAC verbessert werden.

Das Gesetz macht Sinn, aber es hat in Uganda und anderen Mitgliedstaaten heftige Debatten ausgelöst. Im März 2017 titelte die ugandische Tageszeitung Daily Monitor irreführend: „EALA-Gesetz soll Verhütungsmittel für Kinder einführen“. Die Frage ist, ab welchem Alter Kinder zu sexuell aktiven Teenagern werden.

Eine gute Sexualerziehung gibt jungen Menschen zuverlässige Informationen, damit sie selbst Verantwortung für ihr Leben übernehmen können. Aber leider meinen viele, dass Sexualkunde Kinder ermutigt, Sex zu haben. Aus diesem Grund verbot das ugandische Ministerium für Geschlechterfragen, Arbeit und soziale Entwicklung im Oktober 2016 den Sexualkundeunterricht an Schulen. Die Gesellschaft betrachtet Kinder als unschuldig. Kinder sollen lediglich wissen, dass zu früher Geschlechtsverkehr gefährlich ist. Junge Menschen werden aufgefordert, enthaltsam zu leben, bis sie alt genug zum Heiraten sind.

Natürlich funktioniert das so nicht, weshalb Teenager-Schwangerschaften in Uganda allzu üblich sind. Die jüngste demographische Untersuchung, die im März 2017 veröffentlicht wurde, ergab eine Rate von 25 Prozent: Ein Viertel der 15- bis 19-jährigen Mädchen in Uganda haben bereits mit dem Kinderkriegen begonnen.

Die allermeisten dieser Mädchen wollten gar nicht schwanger werden und sind nicht bereit für die Mutterrolle. Viele haben selbst keine gute Erziehung genossen. Einige wurden auf der Suche nach Nähe schwanger, andere waren neugierig auf Sex. Wieder andere wurden vergewaltigt. Den ugandischen Mädchen fehlt es an Allgemeinwissen – und an Wissen über Sex im Besonderen. Halbwissen mischt sich mit falschen Vorstellungen und fördert riskantes Verhalten. Die Folgen von Teenager-Schwangerschaften sind oft verheerend (siehe Kasten).


Esthers Geschichte

Esther (Name geändert) ist 19 Jahre alt und alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Ihre Geschichte ist in vielerlei Hinsicht typisch. Ihr erstes Kind lebt bei seiner Großmutter in einem Dorf, die jüngere Tochter lebt bei Esther in einem Slum in Kampala. Esther verkauft Obst und Gemüse auf einem Markt, ihre Chefin ist wie eine zweite Mutter für sie geworden. Ihre frühen Schwangerschaften bereut sie: „Wenn ich sie früher gekannt hätte, hätte ich nie so viele Fehler gemacht“, sagt sie.

Als Kind wurde Esther vernachlässigt. Ihre Eltern trennten sich, als sie noch klein war. Sie blieb bei ihrem Vater, doch der starb bei einem Autounfall, als Esther acht Jahre alt war. Ihre 16-jährige Schwester heiratete. Esthers kleiner Bruder lebte bei der Mutter, die auch seine Schulgebühren zahlte. Aber niemand kümmerte sich um Esther. So brach sie die Grundschule nach vier Jahren ab und nahm eine Stelle als Dienstmädchen an. Von ihrem Verdienst konnte sie ihrer Mutter sogar einen Teil schicken, so dass diese eine kleine Lehmhütte im Dorf bauen konnte.

Als sie 14 Jahre alt war, verliebte sich Esther in den Nachbarsjungen. Mit 15 gebar sie ihr erstes Kind. Ihr Körper war zu jung, es gab Komplikationen, ein Kaiserschnitt war nötig. Der Vater ihres Kindes interessierte sich nicht für sie. Esther zog mit dem Baby zu ihrer Mutter, doch die konnte sie nicht unterstützen. Esther musste eine Arbeit finden.

Sie ließ ihr Baby bei der Großmutter und zog zu einer Cousine in Kampala, die ihr Geld mit Prostitution verdiente. Die Cousine erzählte Esther, dies sei die einzige Einkommensmöglichkeit für Mädchen wie sie. Auch Esther begann, in Nachtclubs zu gehen, aber sie konnte es nicht ertragen, ihren Körper an Fremde zu verkaufen. Damals lernte sie ihren Freund kennen und war bald erneut schwanger.

Heute ist ihr zweites Kind zwei Jahre alt. Esther ist froh, eine Arbeit gefunden zu haben. Ihre Chefin brachte sie in Kontakt mit der Nichtregierungsorganisation Joy for Children Uganda (JFCU), die sich der Verbesserung der Lebensumstände von Kindern widmet. Hauptsächlich geht es um die Stärkung von Familien, den Einsatz gegen Kinderehen und die Förderung von Gesundheit und Bildung. Natürlich geht es auch darum, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern.

JFCU hat in vier Armenvierteln in Kampala Frauengruppen gegründet. Hier können die Frauen einmal pro Woche ihre Erfahrungen austauschen und sich weiterbilden. Esther lernte auf diese Weise Lesen und Schreiben und erwarb Kenntnisse über Hygiene, Ernährung, Familienplanung und Elternschaft. Rückblickend bedauert sie, dass sie ihre Schule abbrach und zwei Mal schwanger wurde. Aber sie weiß es nun besser und möchte ihre Erfahrungen an Mädchen weitergeben, damit sie nicht dieselben Fehler machen.


Geschlechterdiskriminierung und Armut

Die Geburtenrate in Uganda liegt derzeit bei 5,4. Durchschnittlich müssen sich Eltern also um mehr als fünf Kinder kümmern. Vor allem auf dem Land tragen die Mütter die Hauptlast: Sie arbeiten auf den Feldern und kümmern sich um den Haushalt, denn diese Dinge gelten als Pflichten der Frau.

Laut offizieller Statistik ist der Anteil der Teenager-Schwangerschaften in den ländlichen Gegenden Ugandas höher als in den Städten (27 Prozent gegenüber 19 Prozent). Die Gründe liegen in der geringeren Bildung und der größeren Armut auf dem Land.

Die ugandische Regierung ist besorgt über schlechte Erziehung. Das zuständige Ministerium hat kürzlich Richtlinien veröffentlicht, in denen Eltern auf ihre Rolle und ihre Verantwortung hingewiesen werden. Es wird sich zeigen, wie effektiv diese Regeln sind.

Doch natürlich brauchen Kinder nicht nur kompetente Eltern. Sie brauchen auch Essen, ein Dach über dem Kopf und Kleidung. Jemand muss das Geld für Schulgebühren und Schulmaterial aufbringen. Die meisten Familien in Uganda können sich das nicht für alle ihre Kinder leisten und schicken nur ihre Söhne zur Schule. Die Töchter werden lieber jung verheiratet, denn der traditionelle Brautpreis ist eine gute Einnahmequelle. So bedingen sich Armut und Geschlechterdiskriminierung gegenseitig. „Unsere Eltern sehen in uns Kühe oder Ziegen. Wer will schon eine Ziege erziehen?“, fragte eine 15-Jährige bei einem von der JFCU organisierten Mädchencamp.

Teenager-Schwangerschaften führen zu frühen Hochzeiten, und Kinderehen sind eine Ursache für Teenager-Schwangerschaften. Laut UNICEF waren 40 Prozent der heute 20- bis 24-jährigen Frauen in Uganda bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet.

Doch obwohl sowohl die Regierung als auch die Gesellschaft das Problem sehen, gibt es keine kohärente Strategie dagegen. Zwar wurde 2015 eine nationale Strategie zur Beendigung von Kinderehen und Teenager-Schwangerschaften in Uganda verabschiedet, aber diese widmet sich in erster Linie der Verhinderung von Kinderehen.

Wegen des Verbots von Sexualkunde ist es schwierig für Organisationen wie JFCU geworden, Schüler zu erreichen. Medizinern und Sozialarbeitern ist allerdings klar, dass Jugendliche schon vieles über Sex wissen. Was sie von Gleichaltrigen erfahren, ist allerdings oft verzerrt oder falsch. Teenager haben ein Recht auf korrekte Informationen, denn nur so können sie fundierte Entscheidungen über ihre Sexualität treffen. Uganda sollte eine Strategie finden, die die Bedürfnisse der Jugendlichen berücksichtigt und zu einer signifikanten Reduzierung der Schwangerschaftsraten bei Teenagern führt.


Angelina Diesch ist Sozialarbeiterin und arbeitet als Freiwillige bei der Organisation Joy For Children Uganda.
angelina@joyforchildren.org

Moses Ntenga ist der Geschäftsführer von Joy For Children Uganda. 
www.joyforchildren.org

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