UNDP-Entwicklungsbericht

Chancen der Digitalisierung

Der UNDP-Bericht über die menschliche Entwicklung 2015 bricht eine Lanze für die Digitalisierung. Großes Potenzial für nachhaltige Arbeit biete auch der Bereich der erneuerbaren Energien. Die Autoren fordern eine neue globale Agenda für menschenwürdige Arbeit.
Die Erneuerbaren-Branche ist ein weltweiter Jobmotor. Solarpaneele auf dem Beirut-Fluss im Libanon. Böthling/Photography Die Erneuerbaren-Branche ist ein weltweiter Jobmotor. Solarpaneele auf dem Beirut-Fluss im Libanon.

Der Bericht mit dem Titel „Arbeit und menschliche Entwicklung“ konstatiert, dass technologischer Fortschritt, Globalisierung, Alterung der Bevölkerung und klimapolitische Herausforderungen die Arbeit grundlegend und schnell verändern. Darin bestünden Chancen, aber auch große Herausforderungen. Regierungen müssten rasch handeln, damit niemand zurückgelassen werde. „Es muss mehr Menschen ermöglicht werden, von den Vorteilen, die aus nachhaltiger Arbeit entstehen können, zu profitieren“, betonte der äthiopische Ministerpräsident Hailemariam Desalegn bei der Vorstellung des UNDP-Berichts.

Zahlreiche Entwicklungsländer hätten von der Integration ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten in globale Wertschöpfungsketten profitiert, heißt es im Bericht. Die Erwerbsarbeit insgesamt und die Erwerbsbeteiligung von Frauen seien gestiegen. Während 1995 nur 296 Millionen Arbeitskräfte im Rahmen globaler Wertschöpfungsketten beschäftigt gewesen seien, seien es 2013 schon 453 Millionen gewesen, darunter 190 Millionen Frauen. Outsourcing von Fließbandarbeit habe in vielen Ländern neue Arbeitsplätze geschaffen, häufig begleitet von einem Aufschwung der lokalen Entwicklung.

Aufgrund der internationalen Verlagerung von Dienstleistungen ist die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik in Indien dem Bericht zufolge zwischen 2000 und 2010 von 284 000 auf mehr als 2 Millionen gestiegen. Auch in der Russischen Föderation, in Lateinamerika und in Afrika wächst der Dienstleistungssektor.

Wissen ist zu einem zentralen Bestandteil der Produktion geworden. 2012 wuchs der Handel mit wissensintensiven Gütern, Dienstleistungen und Finanzprodukten 1,3 Mal schneller als der Handel mit arbeitsintensiven Gütern. Die digitale Wirtschaft hat vielen Frauen den Zugang zu Arbeit eröffnet, bei der sie ihr Potenzial entfalten können, etwa als Unternehmerinnen im Online-Handel oder im Rahmen von „Crowdworking“ oder elektronischen Dienstleistungen.

Die digitale Revolution beeinflusst auch die informelle Erwerbsarbeit, von der Landwirtschaft bis zum Straßenverkauf. In Äthiopien nutzen Landwirte Mobiltelefone, um die Kaffeepreise zu erfahren, und in Saudi-Arabien setzen Bauern Funktechnik ein, um das knappe Wasser für die Bewässerung der Weizenfelder zu verteilen.

Der Bericht weist jedoch auch darauf hin, dass nicht alle an der digitalen Revolution teilhaben und dass es große Unterschiede in der Qualität der Arbeit gibt. Einem Zuwachs an Arbeitsplätzen in bestimmten Regionen und Branchen stehen Arbeitsplatzverluste anderswo entgegen. Der Druck auf die Löhne Geringqualifizierter wächst. „Es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt für gut ausgebildete Arbeitskräfte. Allerdings ist es kein guter Zeitpunkt für Arbeiter mit nur wenig Bildung. Dies vertieft die Ungleichheit“, schreibt Selim Jahan, Autor des Berichtes.

Insgesamt haben laut UNDP 61 Prozent aller Beschäftigten weltweit keinen Arbeitsvertrag, und nur 27 Prozent der Weltbevölkerung verfügen über eine sozia­le Sicherung. Angestellte Frauen verdienen durchschnittlich 24 Prozent weniger als Männer. Und es leben weltweit immer noch 830 Millionen Menschen trotz Erwerbstätigkeit von weniger als zwei Dollar am Tag. Mehr als 200 Millionen Menschen sind arbeitslos, und 21 Millionen Menschen müssen Zwangsarbeit verrichten.

Als Konsequenz fordert der Bericht eine Agenda für menschenwürdige Arbeit, die auch die Beschäftigten außerhalb des formellen Sektors einbezieht, sowie eine Offensive für Qualifizierung und Schaffung digitaler Infrastruktur.

Enorme Chancen böten zudem die Sektoren Energie, Bauen und Infrastruktur. Im Jahr 2014 seien weltweit bereits rund 7,7 Millionen Menschen im Bereich erneuerbare Energien (ohne große Wasserkraft) beschäftigt gewesen. Dies gelte es weiter auszubauen. Allein in China, Indien, Indonesien, Südafrika, Brasilien und den USA könnten durch ein globales Klimaschutzstabilisierungsprogramm mit jährlich 1,5 Prozent des BIPs in den kommenden Jahren 13,5 Millionen Arbeitsplätze netto geschaffen werden.

Hans-Christoph Neidlein


Link:
Bericht über die menschliche Entwicklung 2015:
http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/menschl_entwicklung/BILDER/HDR/HDR_2015_WEB.pdf

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