Internationale Finanzinstitutionen

Die Messlatte höher legen

Die Weltbank überarbeitet ihre Umwelt- und Sozialstandards. Mitte letzten Jahres erschien dazu ein erster vorläufiger Bericht. Zivilgesellschaftliche Organisationen sehen aber keinen wesentlichen Fortschritt.
Aktivisten protestieren in Manila gegen die Safeguards der Weltbank. Dennis M. Sabangan/picture-alliance/dpa Aktivisten protestieren in Manila gegen die Safeguards der Weltbank.

Zwar behauptet die Weltbank, weltweit Armut zu verringern, finanziert aber weiterhin Projekte, die schutzlose Bevölkerungsgruppen gefährden, sagt Korinna Horta von Urgewald, einer zivilgesellschaftlichen Organisation. Die vorgeschlagenen neuen Safeguards, wie die Umwelt-und Sozialstandards der Weltbank heißen, würden die alten nur verwässern. Laut Horta weichen bisher „verbindliche Standards“ unklaren Formulierungen wie etwa „wenn zutreffend“ oder „wenn möglich“. Sie sieht im Weltbank-Dokument „keine Verbesserung der aktuellen Situation“. Der Entwurf müsse erneut überarbeitet werden.

Zivilgesellschaftliche Organisationen aus verschiedenen Ländern sind auch damit unzufrieden, wie der Konsultationsprozess lief. In einem Beschwerdebrief an den Präsidenten der Weltbank, Jim Yong Kim, äußerten 47 unabhängige Organisationen ihre Frustration darüber, dass Beteiligte willkürlich ausgewählt und dann nur kurzfristig und unzureichend informiert wurden. Sie hätten sich nicht gut vorbereiten können, und die geographische Streuung der Veranstaltung sei zu gering gewesen.

Es hat schon oft Probleme mit Weltbank-finanzierten Programmen gegeben. „Obwohl die Weltbank mehr als 7 Milliarden Dollar investiert hat“, sagt die tschadische Rechtsanwältin Delphine Dijiraibe, „sind die Menschen heute ärmer als vorher“. Seit Betriebsaufnahme der von der Weltbank finanzierten Tschad-Kamerun-Pipeline im Jahr 2003 vertritt sie Menschen, die neben der Pipeline leben. Im Human Development Index des UN-Entwicklungsprogramms ist der Tschad derweil um zwei Ränge von Platz 182 auf Platz 184 gefallen. Dijiraibe führt Armut in ihrem Land auf den Ölreichtum zurück, von dem nur die Eliten profitieren. Trotz Zusicherungen der Weltbank, mit Öl-Erlösen die Lebensbedingungen für alle zu verbessern, lebten die Tschader weiterhin unter autoritärer Herrschaft in tiefer Armut, klagt die Juristin.


Schlechte ­Erfahrungen

Nicht nur im Tschad führen Mega-Projekte von Weltbank und anderen internationalen Finanzinstitutionen zu Missständen. Auf einer Konferenz von Urgewald im März in Berlin wurden Fälle aus verschiedenen Ländern diskutiert:

  • Sergey Solyanik von der Initiative Crude Accountability erzählt, dass 80 Prozent der Kinder im kasachischen Dorf Berezovka wegen Kraftwerksabgasen an chronischen Atemwegserkrankungen leiden. Seine Organisation unterstützt die Umsiedlungsforderung der Dorfbewohner. Die Leitung des Energiekonzerns weist bislang jegliche Verantwortung für die Gesundheitsprobleme zurück.
  • In Guatemala lehnten die Anwohner den Bau eines Wasserkraftwerks in Santa Rita ab. Ihr Protest wurde brutal unterdrückt, wie der Menschenrechtsaktivist Maximo Ba Tiul schildert. Die Anführer des Protests wurden fälschlicherweise schwerer Verbrechen beschuldigt.
  • Jessica Evans von Human Rights Watch berichtet, dass in der Gambella-Region Äthiopiens wegen eines staatlichen Umsiedlungsprogramm mehr als eine Million Menschen vertrieben werden.
  • Evans kritisiert auch die kommerzielle Baumwollproduktion in Usbekistan, die „bisher von Kinderarbeit“ lebte und jetzt auf „Zwangsarbeit von Erwachsenen“ beruhe.

In alle Beispiele war die Weltbank involviert. Ihre Safeguards hätten aber die Probleme nicht vermieden, bemängeln die Aktivisten. Sie wollen Veränderung. Was die Weltbank bislang vorschlägt, ist ihrer Ansicht nach aber kein Schritt nach vorn. Deshalb fordern sie die Weltbank-Spitze auf, die Messlatte höher zu legen.

Korinna Horta von Urgewald warnt, dass die Weltbank mit ihren neuen Safeguards andere internationale Finanzinstitutionen sowie nationale Entwicklungsbanken, einschließlich der deutschen KfW, beeinflussen wird. Horta sagt, darüber müssten sich Zivilgesellschaft und Politik im Klaren sein. Ihrer Meinung nach wären die Ergebnisse des Review-Prozesses überzeugender ausgefallen, würde die Weltbank nicht befürchten, in Konkurrenz zu anderen Finanzinstitutionen – etwa aus Schwellenländern – Boden zu verlieren.

Theresa Krinninger


Link:
Safeguards Bericht:

https://consultations.worldbank.org/consultation/review-and-update-world-bank-safeguard-policies

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