Bürgerkrieg

Pogromartige Wirren

Nach dem Genozid in Ruanda 1994 hieß es, die internationale Gemeinschaft dürfe derartige Gewaltszenarien nie wieder zulassen. Fast 20 Jahre später werden in der Zentralafrikanischen Republik Angehörige der muslimischen Minderheit von brutalen Gangs gejagt und ermordet. Internationale Friedenstruppen, die im Land stationiert sind, schauen weitgehend ohnmächtig zu.
STEPMAP

Die Katastrophe im Herzen Afrikas hat viele Ursachen. Religion gehört nur mittelbar dazu. Christen und Muslime haben sich in diesem Land über Jahrzehnte gut vertragen. Dass seit einiger Zeit Sündenböcke gesucht und gefunden werden, hat mit existenzieller Armut zu tun. Die Bevölkerung wächst, aber mit den Millenniumszielen geht es seit Jahren kaum voran.

Wenn große Teile der Bevölkerung nicht so leben können, wie sie das für normal und angemessen halten, werden menschenverachtende Gräuel wahrscheinlicher. Das war im überbevölkerten Europa des 30-jährigen Krieges so, das nährte den Juden-Hass in Deutschland vor und während der Naziherrschaft und das galt auch für Ruanda, wo die Leistungsfähigkeit der traditionellen Landwirtschaft 1984 an ihre Grenzen gekommen war. Dass die Zentralafrikanische Republik bettelarm ist, ist längst bekannt. Dass sich die Verhältnisse zuspitzten, wurde spätestens bei den Wirren Anfang des vergangenen Jahres deutlich. Damals putschten sich gewalttätige Rebellen aus der muslimischen Minderheit an die Macht, die mittlerweile ihrerseits gestürzt wurden. Die internationale Staatengemeinschaft hat es nicht vermocht, für Sicherheit zu sorgen. Im aktuellen Racheblutbad kämpfen keine klar definierten Truppen. Jetzt wird erbarmungslos niedergemetzelt, wer nicht zum eigenen - meist christlichen - Glauben gehört. Die grausame Massakerserie wird weltweit islamistischen Verfolgungswahn nähren und Terroristen bei der Rekrutierung helfen.

Das Territorium der Zentralafrikanischen Republik ist fast doppelt so groß wie das deutsche, aber die Bevölkerung zählt höchstens 5 Millionen. Wie viele mittlerweile getötet wurden oder fliehen mussten, lässt sich kaum seriös schätzen. Klar ist, dass die französischen und afrikanischen Peacekeeper nicht die gesamte Fläche kontrollieren können, um alle Menschen zu schützen. Die pogromartigen Wirren überfordern sie offensichtlich sogar in der Haupt­stadt Bangui. Stringentes militärisches Handeln fordert mittlerweile sogar Amnesty International. Die internationalen Einheiten brauchen Verstärkung, wenn sie überhaupt eine Chance bekommen sollen, der Lage Herr zu werden.

Bundespräsident Joachim Gauck, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen haben in den vergangenen Wochen gesagt, Deutschland müsse international mehr Verantwortung übernehmen. Das ist auch aus entwicklungspolitischer Perspektive richtig – denn ohne Sicherheit kann sich kein breiter Wohlstand bilden. Deutschlands internationale Partner messen unser Land aber nicht an den Worten unserer Spitzenpolitiker, sondern am Handeln unserer Regierung und unseres Parlaments. Französische Truppen, wie nun beschlossen, im vergleichsweise friedlichen Mali mit ein paar Dutzend zusätzlichen Bundeswehrausbildern zu entlasten, damit der NATO-Partner Frankreich sich stärker in der Zentralafrikanischen Republik engagieren kann, ist das Mindeste.

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