Development financing

Falsche Prioritäten im Bundeshaushalt

Die Bundesregierung plant, Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zu kürzen – ein alarmierendes Signal.
Die globalen Bedarfe übersteigen die verfügbaren Mittel: Vertriebene im Jemen. picture alliance/EPA/YAHYA ARHAB Die globalen Bedarfe übersteigen die verfügbaren Mittel: Vertriebene im Jemen.

Die Haushaltspläne der Ampelkoalition für 2024 sehen vor, den Etat des Entwicklungsministeriums um mehr als 900 Millionen Euro gegenüber 2023 zu kürzen. Im Etat des Auswärtigen Amtes dürften zudem etwa 400 Millionen Euro für humanitäre Hilfe wegfallen. Bereits vor der jüngsten Haushaltskrise waren Pläne bekannt geworden, nach denen in dieser Legislaturperiode Mittel für Entwicklungszusammenarbeit um fast ein Viertel und für humanitäre Hilfe um rund 30 Prozent gekürzt werden sollten.

Die Pläne stehen im krassen Gegensatz zu den steigenden Bedarfen in Entwicklungspolitik, humanitärer Hilfe und internationaler Klimafinanzierung. Die Liste globaler Herausforderungen ist lang, und die Fortschritte bei den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) sind mehr als dürftig. Der Bedarf an humanitärer Hilfe erreicht neue Rekordhöhen, während die verheerenden Folgen der Klimakrise weltweit spürbar werden. Ernährungsunsicherheit und Hunger plagen Millionen und haben sich besonders in Haiti, Jemen, Afghanistan und Somalia zuletzt zugespitzt.

Zugleich verfügen viele Länder im globalen Süden infolge der Pandemie und anderer Belastungen kaum mehr über finanzielle Handlungsspielräume. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Staaten, die mehr Geld für Schuldzinsen ausgeben müssen, als für Bildung oder Gesundheit zur Verfügung steht. Diese prekäre Situation erfordert verstärkte internationale Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung. Darüber hinaus bereiten uns die zunehmenden globalen und regionalen Spannungen aufgrund des Israel-Palästina-Konflikts große Sorgen.

Finanzierungsziele in Gefahr 

Umso besorgniserregender sind die geplanten Kürzungen der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA – Official Development Assistance). Sie lassen Zweifel aufkommen, ob Deutschland seine im Koalitionsvertrag festgelegten Finanzierungsziele wird erreichen können: mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für ODA, davon 0,2 Prozent für die ärmsten Länder – plus zusätzliche Mittel für die internationale Klimafinanzierung.

In den vergangenen zwei Jahren erreichte Deutschland das 0,7-Prozent-Ziel aus zwei Gründen: Erstens hat die Regierung während der Pandemie einen kleinen Teil der gigantischen Rettungsfonds genutzt, um Länder im globalen Süden bei der Pandemiebewältigung zu unterstützen. Zweitens hat sie bei der OECD immer mehr Gelder als ODA angemeldet, die den Ländern des globalen Südens gar nicht zugutekommen, etwa Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten in Deutschland. 

Zur Halbzeit der SDGs muss die Bundesregierung ihr Engagement daher deutlich verstärken. Ein Versagen bei der Agenda 2030 würde die Menschen aus dem globalen Süden am stärksten treffen. Die Bundesregierung muss entschlossen gegen die globale Ernährungskrise, wachsende Ungleichheit, humanitäre Notlagen und den fortschreitenden Klimawandel vorgehen, statt Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe finanziell auszuhöhlen. 

Zivilgesellschaftliche Organisationen bleiben verschont

Die Finanzierung zivilgesellschaftlicher Vorhaben soll im Haushalt 2024 immerhin von Kürzungen verschont bleiben. Dies trägt der entscheidenden Bedeutung zivilgesellschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit für die SDGs Rechnung und drückt Wertschätzung und Anerkennung aus. NGOs sind unverzichtbar, um Ungleichheiten zu bekämpfen und für Demokratie, Menschenrechte und Frieden einzutreten. Gleichwohl bleibt Deutschland weit entfernt vom OECD-Durchschnitt der Entwicklungsfinanzierung von und durch NGOs, der bei etwa 14 Prozent der bilateralen ODA-Leistung liegt. 

Im Jahr 2021 hat VENRO berechnet, dass für die aktuelle Legislaturperiode gut 31 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe fehlen, um wichtige Zielmarken zu erreichen. Die Pläne der Bundesregierung lassen leider nicht erkennen, dass diese Lücke in absehbarer Zeit geschlossen werden wird. Es istdaher umso wichtiger, entschlossen für einen angemessenen Finanzierungsbeitrag zu kämpfen, damit die Bundesregierung ihrer Verantwortung für die sozial-ökologische Transformation besser gerecht wird.

Åsa Månsson ist Geschäftsführerin des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO).
a.mansson@venro.org 

Lukas Goltermann ist Experte für haushaltspolitische Themen bei VENRO. 
l.goltermann@venro.org 

Edit: Der erste Absatz dieses Texts wurde aufgrund aktueller Entwicklungen am 15. Dezember 2023 angepasst.

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