Roman

Gelebter Feminismus in Uganda

In ihrem Buch „Die erste Frau“ setzt die ugandische Schriftstellerin Jennifer Nansu­buga Makumbi dem westlich geprägten Feminismus indigene Formen eines ugandischen Feminismus entgegen. Dieser Beitrag ist der vierte unseres diesjährigen Kultur-Spezialprogramms mit Rezensionen künstlerischer Werke mit entwicklungspolitischer Relevanz.
Feministische Ideen werden oft in persönlichen Gesprächen von einer Generation an die nächste weitergegeben. picture-alliance/REUTERS/Abubaker Lubowa Feministische Ideen werden oft in persönlichen Gesprächen von einer Generation an die nächste weitergegeben.

Kirabo, die Protagonistin des 2020 erstmals unter dem Titel „The First Woman“ erschienenen Romans, wächst im Uganda der 1970er-Jahre wohlbehütet im Haus ihrer Großeltern auf dem Dorf auf. Ihre Mutter hat Kirabo nie kennengelernt, ihr Vater lebt mit seiner neuen Frau und zwei Kindern in Kampala.

Als Jugendliche zieht Kirabo zu ihrem Vater in die ugandische Hauptstadt. Ihr Leben, bis dahin geprägt in einer dörflichen Mittelschicht, verändert sich schlagartig. Sie sieht sich mit einer beinahe westlich geprägten städtischen Lebensweise konfrontiert. Später besucht sie dank eines Stipendiums ein Mädcheninternat, in dem die Betreu­erinnen alles daransetzen, die Mädchen auf ein bedeutungsvolles Leben für sich selbst und für das Land vorzubereiten.

Der Entwicklungsroman ist spannend zu lesen, besticht aber weniger durch seine Handlung als vielmehr durch seine Tiefe und Vielschichtigkeit, die durch unterschiedliche Figuren, Zeiten und Schau­plätze zum Ausdruck kommen.

Ein Kernthema des Romans ist die Rolle der Frau in der patriarchalisch geprägten ugandischen Gesellschaft. An Kirabos Seite stehen stets starke, wenn auch völlig unterschiedliche Frauen, die Kirabos Entwicklung beeinflussen. Anhand dieser Frauen erzählt Makumbi die Geschichte des ugandischen Feminismus, auf Luganda „mwenkanonkano“ genannt. Es ist eine Geschichte des täglichen Kampfs der Frauen Ugandas gegen Unterdrückung aller Art.

Auch Kirabo hadert mit ihrer gesellschaftlichen Rolle. Trotz der Liebe, die sie durch ihre Großeltern und die ganze Dorfgemeinschaft erfährt, ist sie auf der Suche nach ihrer Mutter. Als sie 12 Jahre alt ist, beschreibt sie das Gefühl, dass zwei Seelen in ihr wohnen. Sie fragt sich, ob sie eine Hexe sei, ob ihre Mutter sie vielleicht deshalb verlassen habe. In der Hoffnung auf eine Antwort sucht sie die allein lebende Nsuuta auf, die von ihrer Großmutter als Hexe bezeichnet wird. Kirabo erzählt ihr, dass sie manchmal das Gefühl hat, aus ihrem Körper herauszufliegen, besonders wenn man ihr etwas verbietet, weil sie ein Mädchen ist. Sie will es dann erst recht tun.

Manchmal hasst sie es, eine Frau zu sein, und fühlt sich in ihrem Körper eingezwängt. „Und dann fliegt eine von mir raus“, sagt Kirabo. Nsuuta erklärt, dass sie aus ihrem Körper fliege, weil der Urzustand in ihr drin sei. Sie nennt ihn „die erste Frau“. „Wir waren groß, stark, kühn, laut, stolz, mutig, unabhängig“, sagt Nsuuta. Aber Frauen in ihrem ursprünglichen Zustand wurden von der Gesellschaft abgelehnt und seit Jahrhunderten unterdrückt. Der Urzustand wurde aus den Frauen herausgezüchtet, erklärt Nsuuta.

Die Frauen um Kirabo gehen ganz unterschiedlich mit ihrer Situation um. Jede findet ihren eigenen Weg, das Patriarchat zu unterwandern und im vorhandenen System zu (über)leben. Makumbi zeigt, wie alle auf ihre Art Feministinnen sind. Allerdings macht die Autorin ebenso deutlich, dass auch Männer nicht ohne Weiteres aus dem System und der ihnen zugewiesenen Rolle ausbrechen können, selbst wenn sie es wollen.

Weltfrauenkonferenz in Mexiko 1975

Makumbis Roman spielt größtenteils im Uganda der 1970er- und 80er-Jahre, als durch die Aufmerksamkeit für die Weltfrauenkonferenz in Mexiko Vorstellungen des in reichen Ländern geprägten Feminismus nach Afrika gelangen. Allerdings kommen die nur bei der englischsprachigen städ­tischen Mittelschicht an, nicht aber in ländlichen Gegenden oder ärmeren Bevölkerungsteilen.

Die dominanten Ideen dieses Feminismus entsprechen nicht der Lebenswelt der meisten ugandischen Frauen. Dennoch sind feministische Ideen bereits in ihren eigenen indigenen Traditionen und Geschichten verwurzelt. Sie äußern sich jedoch nicht in Kundgebungen und Demonstrationen, sondern werden durch mündliche Überlieferungen, Geschichten und Legenden innerhalb der Gemeinschaften von Generation zu Generation weitergegeben.

Makumbi betont in ihrem Roman, dass Frauen nicht überall auf der Welt gleich unterdrückt werden. Vielmehr ist Unterdrückung kulturspezifisch. Daher kann auch Feminismus nicht in allen Ländern und Kulturen das Gleiche bedeuten und muss sich notwendigerweise unterschiedlich ausdrücken.

Buch
Makumbi, J. N., 2022: Die erste Frau. Berlin, InterKontinental Verlag

Dagmar Wolf ist Redaktionsassistentin von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

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