Schädliche Tradition

„Betrag für den Bräutigam“

Mitgiftbräuche gibt es in vielen Kulturen weltweit. In Indien kommt es dadurch zu Gewalt gegen Frauen und sogar zu Mord.
Mitgifttrauma – der vernarbte Arm einer Frau, die von ihren Schwiegereltern in Brand gesetzt wurde und überlebte. Mirjam Letsch/Lineair Mitgifttrauma – der vernarbte Arm einer Frau, die von ihren Schwiegereltern in Brand gesetzt wurde und überlebte.

Zeitungen berichten über „Mitgift-Tote“ und „verbrannte Bräute“. Der Hintergrund ist oft, dass die Eltern einer Frau sich weigern, die Mitgift nach der Hochzeit noch mal aufzustocken, wie es die Schwiegereltern der Braut verlangen. Die Zahl solcher Morde geht zwar glücklicherweise zurück, aber dennoch richtet die Mitgifttradition weiterhin großen Schaden in Indien an.

Sie bedeutet, dass Töchter eine Last sind. Eltern müssen die Familie des Bräutigams dafür entschädigen, dass sie ihnen den Nachwuchs abnehmen. Auf Sanskrit heißt Mitgift „Varadakshina“, was „Betrag für den Bräutigam“ bedeutet. Implizit bedeutet es aber auch, dass eine unverheiratete Tochter Schande bedeutet.

Der Tradition zufolge müssen Väter dafür sorgen, dass ihre Töchter heiraten. Im Altertum war es sogar üblich, Töchter im Alter von fünf Jahren zu verehelichen. Das hieß „Prithvidaan“ und galt als ehrenhaft. Selbst heute werden noch Kinderbräute im ländlichen Raum Nordindiens an einem Festtag, dem „Akshaya Tritiya“, verheiratet. Laut UNICEF entfällt auf Indien rund ein Drittel aller Kinderehen weltweit.

Die Notwendigkeit, eine Mitgift zu finanzieren, schafft großen Kummer. Von der Geburt einer Tochter an machen sich Eltern darüber Gedanken, wie ihnen das gelingen soll. Viele fürchten finanziellen Ruin. Eltern sparen lieber für die Mitgift, als in die Bildung der Töchter zu investieren. Mädchen wachsen also benachteiligt auf – und sie bleiben auch nach der Ehe benachteiligt. Ihr Ehemann und ihre Schwiegereltern profitieren von der Mitgift, sie selbst aber nicht. Vermögen fließt an ihnen vorbei – von ihrer alten Familie zu ihrer neuen.

Für Eltern haben Söhne Vorrang, weil diese sich im Alter um sie kümmern werden. Töchter verlassen die Familie und kosten dann Geld. Eine Konsequenz der Mitgiftpraxis ist, dass weibliche Embryos oft abgetrieben werden (siehe mein Beitrag in E+Z/D+C 2014/04, S. 156 f.). Weitere Konsequenzen sind, dass Mädchen schlechteren Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen haben und oft auch schlechter ernährt werden.

Indien ist eine überwiegende hinduistische Gesellschaft. Mitgifttraditionen haben aber auch die muslimischen und christlichen Minderheiten. In Indiens Nachbarländern wie Pakistan, Bangladesch und Nepal ist die Situation ähnlich. Wenn sich am Status von Frauen in Südasien etwas ändern soll, muss dieses System beendet werden.

 

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