Westafrika

Kleines Land, globale Herausforderung

Die Regierung Liberias hat große Waldflächen Unternehmern überlassen. Die arme Bevölkerung trägt die Last. Eine schwache Regierung ist Teil des Problems – aber auch der Ressourcenhunger reicher Nationen.
Illegales Holzfällercamp, das anschließend von informellen Minenarbeitern genutzt wurde. Silas Kpanan’Ayoung Siakor Illegales Holzfällercamp, das anschließend von informellen Minenarbeitern genutzt wurde.

Liberia ist ein kleines Land, in dem sich jedoch immerhin mehr als die Hälfte der verbliebenen westafrikanischen Waldbestände befinden. Die Regierung erlaubt auf Flächen in der Größe von mehr als zwei Millionen Hektar Abholzung und Plantagenanbau. Sie hat  Abholzungsunternehmen vertraglich  mehr als eine Million Hektar Wald garantiert. Eine weitere Million Hektar ist Firmen für Ölpalmen-Plantagen zugesichert. Diese Verträge haben bis zu 65 Jahre Gültigkeit.  

Die Regierung erlaubt fremde Direktinvestitionen für die gewerbliche Erzeugung, obwohl die Versorgung mit Lebensmitteln gefährdet ist. Hochrangige Vertreter sind der Ansicht, dass Land und Waldflächen ohnehin nicht genutzt würden – und zeigen damit nur ihre Geringschätzung gegenüber Wäldern, Biodiversität und derer Bedeutung für die lokale Bevölkerung.

Die westafrikanischen Wälder schwinden rasant. Das liegt an legaler wie illegaler Abholzung, großangelegten Landräumungen und der Umwandlung von Wäldern in Monokulturen, vor allem für Palmöl und Gummi. Diese Entwicklung schädigt die arme Bevölkerung, die von den Ressourcen der Wälder lebt – inklusive Feuerholz, Baumaterial, Nahrung und traditionellen Heilmitteln. Forscher der Columbia-Universität (Balachandran et al 2012) fanden heraus, dass in der Nähe von Palmöl-Plantagen lebende Gemeinschaften in Liberia eine schlechtere Ernährungslage haben, als diejenigen, die in Gegenden lebten, in denen sich diese Industrie noch nicht ausgebreitet hat. Ihrem Bericht zufolge sind 63 Prozent der Haushalte in Plantagennähe verschuldet. Sie müssen unter anderem Kredite aufnehmen, um Essen kaufen zu können. Dort, wo es keine Plantagen in der Nähe gibt, sind nur 37 Prozent der Haushalte verschuldet – und das Geld kommt eher der Bildung ihrer Kinder zugute.

In benachbarten Ländern ist die Lage offenbar vergleichbar. Laut einer kürzlich von Christian Aid (Baxter 2013) veröffentlichten Studie, müssen in Plantagennähe lebende Menschen in Sierra Leone „nun Lebensmittel kaufen oder sogar ohne die Nahrung, die sie früher selbst angebaut haben, auskommen.“ Derartige Berichte belegen, dass die Zerstörung der Wälder auch die Leben der Menschen beeinträchtigt. Insofern geht es hier nicht allein um die Umwelt, sondern auch um dringende soziale Fragen.

 

Illegale Abholzung und passive Regierungen  

Illegale Rodung ist noch immer ein großes Problem in Liberia, auch wenn es das eigentlich nicht mehr sein sollte. Denn im Jahr 2006 hat die Regierung alle bestehenden Abholzungsverträge aufgehoben. Sie erließ ein neues Waldgesetz, führte eine neue Politik und neue Regelungen ein. Der neue gesetzliche Rahmen war vielversprechend, doch leider zeigte sich bald, dass der politische Wille fehlte, die Reformen und Gesetze durchzusetzen. Die traurige Wahrheit ist, dass Waldbehörden und Unternehmen die neuen Gesetze weitgehend ignorieren.

So haben etwa Regierungsbeamte dafür gesorgt, dass Unternehmen sich nun um Verträge bemühen können, obwohl sie gar nicht die legalen Anforderungen dafür erfüllen. Selbst Firmen, die per Präsidentenorder von Ausschreibungen ausgeschlossen waren, durften teilnehmen. Um Abholzungslizenzen zu verteilen, wurde sogar das Vergaberecht verletzt, das eine Regierungsaufsicht vorsieht.

Im Dezember 2008 kam ein Expertenpanel in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat zu dem Schluss, dass „vereinte Bemühungen notwendig seien, um den Reformprozess im liberianischen Waldsektor fortzuführen, damit dieser Bereich langfristig zur Entwicklung des Landes beitragen kann”. Der Bericht wies auf Gesetzesbrüche hin, was die Regierung aber ignoriere.

Die Angst, dass die Reform scheitern könnte, verstärkte sich im Jahr 2010, als die Regierung zusätzliche Abholzungsverträge zuließ. Wie damals ausführlich beschrieben (Siakor 2010), wurden dabei diverse Gesetze verletzt.

2013 bestätigte eine Überprüfung im Auftrag der Regierung diese Tatsache. Trotzdem wurde bis heute keiner der Regierungsbeamten oder der Abholzungsunternehmen in irgendeiner Weise zur Verantwortung gezogen.

Unterdessen haben verschiedene Unternehmen begonnen, Privatnutzungslizenzen (PUPs) systematisch zu missbrauchen. Diese besondere Genehmigung erlaubt es Kleingrundbesitzern, ihr Holz an holzverarbeitende Länder zu verkaufen. Im Jahr 2012 waren allerdings mehr als zwei Millionen Hektar Wald mit PUPs ausgestattet.

Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf ordnete eine unabhängige Überprüfung an und forderte das Justiz­ministerium auf, jene verfolgen zu lassen, die Privat­lizenzen missbrauchen. Dennoch war bis Anfang September 2013, als dieser Essay entstand, noch niemand angeklagt worden. Stattdessen erwog der Gesetzgeber Änderungen im Waldrecht, durch die ebendiese Unternehmen durch Verzicht auf Steuern und Schuldrückzahlung mit mehr als 35 Millionen Dollar belohnt würden.

 

Die globale Dimension

Die Situation in Liberia ist ein typisch afrikanisches Beispiel. Konsumenten in Europa, den USA und in aufstrebenden Märkten treiben die nicht-nachhaltige Ausbeutung erneuerbarer und nicht-erneuerbarer Ressourcen an. Die Gier von Unternehmen führt zu Plünderung von Ressourcen, während Steuerflucht und -vermeidung die Unterentwicklung in Liberia verstärken.

Viele afrikanische Regierungen sind schwach. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Politische Systeme und Strukturen in Europa, den USA und Asien fördern die Ausplünderung liberianischer Wälder. Die Ironie ist, dass einerseits internationale Unternehmen die Ressourcen des Landes ausschöpfen, während westliche Regierungen Liberia Entwicklungshilfe in Millionenhöhe versprechen. So halten sie einen Teufelskreis von Ausbeutung und Almosen aufrecht.

„Afrikas Ressourcen wurden geplündert und verschwendet im Interesse einiger weniger, nicht im Interesse der Massen“ lautet die jüngste Einschätzung des Africa Progress Panel (2013). Dieses Panel, dem der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan vorsitzt, argumentiert zudem: „Einkünfte, die zur Verbesserung der Lebensbedingungen hätten genutzt werden können, wurden stattdessen dafür verwendet, den Reichtum Einzelner zu mehren, Bürgerkriege zu finanzieren und korrupte und verantwortungslose politische Eliten zu unterstützen“. Dem Panel zufolge verliert Afrika „durch illegale finanzielle Abflüsse doppelt so viel Mittel, wie der Kontinent an internationalen Hilfsgeldern erhält“.

Laut UNDP leben 84 Prozent der Bevölkerung Liberias in multidimensionaler Armut. Sie sind benachteiligt was Gesundheit, Bildung und allgemeinen Lebensstandard betrifft. Liberia stand 2012 auf Platz 174 des Human Development Index von insgesamt 186 aufgeführten Ländern. Unter diesen Umständen ist es wenig tröstlich, dass die Regierung sich 2011 zu folgender Aussage hingerissen fühlte: „Die Menschen in Liberia sind gesünder, besser ernährt, haben bessere Einkommen, konsumieren mehr, haben bessere Bildung und erfreuen sich größerer Freiheiten denn je.“

 

Silas Kpanan’Ayoung Siakor ist ein Gemeinschaftsrechte-Aktivist. Er arbeitet für das Institut für Nachhaltige Entwicklung in Liberia. Er erhielt 2002 den Whitley Award und 2006 den Goldman Environmental Prize.
ssiakor@sdiliberia.org
 

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