Empowerment

Soziales Plus

Technologien zur nachhaltigen Entwicklung sind längst vorhanden. Die Herausforderung besteht darin, sie im Alltag einzu­setzen. Idealerweise können Menschen aus armen Gesellschaften damit ihre Grundversorgung selbst aufbauen oder auf lokale Bedürfnisse zuschneiden. Von Ulrike Wahl
Social and economic success: Decentralised water kiosks in Kenya. Dreamcatcher Productions Social and economic success: Decentralised water kiosks in Kenya.

Ob Wasserfilter, Kompostieranlagen, Solarkollektoren oder Informationen aus dem Internet – Technologien sichern die Grundversorgung von Menschen auf der ganzen Welt und erhöhen deren Lebensqualität. Die Erfahrung jahrzehntelanger Arbeit in Schwellen- und Entwicklungsländern zeigt jedoch, dass es wenig hilft, wenn versucht wird, „passende“ Lösungen durchzusetzen, ohne vorher die Anwender zu beteiligen. Mit dem „empowering people. Award“ hat die Siemens Stiftung einen weltweiten Wettbewerb ausgerufen, der anwendbare Lösungen nicht nur finden, sondern dort verfügbar machen soll, wo sie das Gemeinwohl vergrößern und sozialunternehmerische Ansätze beflügeln.

Der Vorteil sozialunternehmerischer Ansätze ist, dass sie Menschen helfen, sich gleichzeitig selbst zu helfen. Erwirtschaftete Gewinne fließen dabei eher in den Ausbau des Unternehmens statt in private Taschen, verbessern die Löhne für Angestellte und ermöglichen im besten Fall weitere gemeinnützige Projekte. Ihre Wirkung reicht deshalb über die bloße Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln oder Elektrizität hinaus. So entwickelte die SkyJuice Founda­tion in Australien zum Beispiel neue Wasserfilter, die mit Niedrigdruckmembranen gesundheitsschädliche Bakterien und Viren aus dem Trinkwasser entfernen. Mit Hilfe dieser Technologie baute die Siemens Stiftung, gemeinsam mit anderen Partnern in Kenia, dezentrale Wasserstationen. Sie sichern den Zugang zu Wasser auch in abgelegenen Regionen, sind zugleich aber Business-Modelle mit sozialer Wirkung, weil vor Ort „lokale Manager“ geschult und mit unternehmerischen Aufgaben rund um die Wasserversorgung vertraut gemacht werden.


Hoch willkommene Autonomie

Projekte mit sozialem Unternehmertum wie das in Kenia sind beispielhaft für Technologien, welche die Siemens Stiftung mit ihrem Award hervorheben will: Nutznießer erhalten durch solche Projekte eine bessere Grundversorgung, indem Schmutzwasser zu Trinkwasser wird, indem Bürger in ländlichen Gegenden Zugang zu Elektrizität erhalten oder indem Familien beim Energie sparenden Bauen von Häusern, die stabiler sind als Wellblechhütten, finanziell unterstützt werden. Technische Lösungen, die von örtlichen Fabriken hergestellt und in örtlichen Werkstätten gewartet werden können, schaffen gleichzeitig Einkommensmöglichkeiten für die Bevölkerung. So wird moderne Technik zum Schrittmacher für lokale Entwicklung.

Außerdem können die finanziell selbstständigen Initiativen weitere Projekte in der Region anstoßen, die Lebensqualität und soziale Strukturen nachhaltig verbessern. Genau so entstanden im Kenia-Projekt rund um die dezentralen Wasserstationen weitere Kleinunternehmen: Fahrradkuriere liefern heute Wasser gegen Bezahlung zu entlegenen Kunden, und einige Haushalte in der Umgebung haben sich zusammengeschlossen, um selbst ein kleines Wassernetz zu errichten, das von einer Station gespeist wird. Das Ergebnis sind selbstständige Bürger, die aufgebaute Strukturen auch dann aufrechterhalten, wenn die Förderung durch Entwicklungshilfe ausgelaufen ist.

 
Einsatz im lokalen Kontext

Der Zugang zu Wissen und die Möglichkeit zum Austausch gehören zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Entwicklungszusammenarbeit. Das gilt vor allem auch für die Weitergabe guter Beispiele aus der Praxis: In fast allen Bereichen der Grundversorgung stellen sich ähnliche Fragen. Viele Versuche zur Selbsthilfe scheitern ausgerechnet auf dem Weg zu Lösungen, die andere bereits gefunden haben. Das kostet unnötig Zeit und Geld.

Mit dem „empowering people. Award“ soll eine Plattform entstehen, die wichtige Akteure zusammenbringt: Auf der einen Seite stehen kluge Köpfe, die technische Lösungen anbieten können, und auf der anderen Seite Menschen, die in schlechten Verhältnissen leben und unter mangelhafter Grundversorgung leiden. Zwischen beiden Seiten versuchen unzählige Organisationen, oft mit geringen Mitteln, zu vermitteln.

Insofern ist der Award auch mehr als ein Wettbewerb. Die eingereichten Beiträge bilden später eine Wissensdatenbank, die jedermann zugänglich ist. Sie fördert den Austausch von Wissen und ermöglicht neue Kooperationen. Praktiker aus der ­Entwicklungszusammenarbeit können dort online recherchieren, um vorhandene Technologien in ihre Projekte zu übernehmen.

Außerdem erhoffen sich die Macher eine direkte Interaktion zwischen dem ­öffentlichen und dem privaten Bereich sowie der akademischen Welt. Denn erfolgreich erprobte Ideen sprechen auch internationale Partner und Investoren an. Mit der KfW (Geschäftsbereich Entwicklungsbank), UN Habitat, der Helmholtz-Gemeinschaft und dem AT Verband zur Förderung angepasster Technologien stehen dem Wettbewerb dabei überzeugende Partner zur Seite.

Technologie ist ein Hebel für gesellschaftliche Entwicklung – und zwar auf allen Ebenen. Dies gilt für große Programme, die unter hohem finanziellen Einsatz für Innovation sorgen, aber auch für kleine, einfache Technologien, die mit wenigen Ressourcen auskommen und unter widrigen Bedingungen funktionieren. Sowohl im großen wie im kleinen Maßstab aber gilt: Um Technologien mit sozialem Mehrwert verbinden zu können, muss man deren gesellschaftliche und finan­zielle Chancen erst einmal erkennen.

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