Kamerun

Chancen bieten

Viele Jugendliche in Kamerun sind allenfalls geringfügig beschäftigt. Eltern, Staat und Gesellschaft versagen bei der Aufgabe, ihnen Perspektiven zu bieten. Florentine Fandio erklärt im Interview mit Marie Pardey, wie die unabhängige Initiative DUCA in der Wirtschaftsmetropole Douala Jugendliche unterstützt.
Die Initiative DUCA hilft jungen Kamerunern Arbeit zu finden. Sie bietet Mädchen und Jungen eine Grund­ausbildung und  vermittelt sie dann  in einen Betrieb zur Berufsausbildung. Heiner Heine/imagebroker/Lineair Die Initiative DUCA hilft jungen Kamerunern Arbeit zu finden. Sie bietet Mädchen und Jungen eine Grund­ausbildung und vermittelt sie dann in einen Betrieb zur Berufsausbildung.

Wie stellt sich die Situation der Jugend in Kamerun dar?
Die Landesbevölkerung ist sehr jung. 80 Prozent der Einwohner sind zwischen 16 und 25 Jahre alt. Viele Jugendliche haben Schwierigkeiten, einen Job zu finden und sich selbst zu verwirklichen. Für diese Probleme sozialer und wirtschaftlicher Natur bietet der Staat kaum Lösungen. Deshalb ist die Jugend frustriert und resigniert, was sehr bedenklich ist. Der Großteil der jungen Leute hat der Politik, die ihr nicht hilft, den Rücken gekehrt. Viele flüchten sich in Alkohol und Kriminalität. Andere verlassen das Land, um in den Nachbarländern Äquatorialguinea und Gabun oder in Europa ihr Glück zu versuchen – und zwar oft ohne gültige Papiere.
 
Was sind die zentralen Probleme?
Am schlimmsten ist der Mangel an Arbeitsplätzen. Die Statistiken sind nicht völlig zuverlässig, aber mehr als fünf Prozent der Jugendlichen in Kamerun sind arbeitslos und mehr als 70 Prozent nur gering­fügig beschäftigt. Ob die Jugendlichen gut ausgebildet sind oder nicht, spielt keine Rolle. Tausende sind auf der Suche nach Arbeit, ohne eine zu finden. Deshalb arbeiten viele nur in Mini-Jobs.

Warum hilft Schulbildung nicht weiter?
Viele junge Leute mit Hochschulabschlüssen in Sozial-, Rechts- oder Literaturwissenschaften sind arbeitslos. Deswegen legen manche Leute keinen Wert auf Bildung. Andererseits schätzen viele junge Menschen zum Beispiel Fußball, weil es dort die Hoffnung auf schnelles Geld gibt. Außerdem sind Lehrpläne nicht an die Anforderungen des Arbeitsmarktes angepasst. Das Ausbildungssystem hat sich nicht entfaltet und wird kaum vom Staat unterstützt. Die Gesellschaft unterschätzt handwerkliche Berufe im Gegensatz zum Studium. Die Ausbildungskosten sind aber unabhängig vom Beruf sehr hoch und werden hauptsächlich von den Eltern getragen. Die meisten Familien in Kamerun hoffen eher, dass ihre Kinder hohe Ämter in der Verwaltung bekommen, als dass sich die Investition in eine Berufsausbildung lohnt.

Was tun Eltern, um ihre Kinder voranzubringen?
Die Eltern negieren leider oft ihre Verantwortung als Ersterzieher. Die meisten Eltern sind damit beschäftigt, Geld zu verdienen. Sie haben keine Zeit, sich im Alltag mit den Kindern auseinanderzusetzen. Im Dialog zwischen Eltern und Kindern kommen auch zahlreiche gesellschaftliche Tabuthemen zu kurz. Weil niemand die Heranwachsenden über Sexualität oder gar Verhütungsmittel aufklärt, werden beispielsweise viele junge Mädchen schwanger.

Heißt das, dass die Jugendlichen machen, was sie wollen?
Nein, die soziale Kontrolle durch die Familie ist sehr hoch, viele Jugendliche sind auch von ihren Eltern und Verwandten völlig abhängig. Zugleich fehlt es aber immer mehr an guten, positiven Vorbildern in der Gesellschaft. Viele Jugendliche leben in großer Ungewissheit, was die Zukunft bringt. Sie sind hin und her gerissen zwischen Tradition und Moderne und befinden sich in einer Identitätskrise. Eine Folge davon ist die Orientierung an den falschen Werten, wie Kriminalität oder Korruption.

Wie in vielen von Traditionen geprägten Gesellschaften haben Jugendliche in Kamerun wenig zu sagen.  
Ja, unsere Jugend ist kaum in das politische Geschehen involviert, selbst wenn sie Interesse daran haben. Ein Grund dafür sind die gerontokratischen Strukturen. Die überalterten Parteispitzen und ihre Funktionäre beziehen junge Leute kaum in Entscheidungen ein. Selbst wenn sie Mitglied einer der verschiedenen Parteien sind, werden sie von den Funk­tionären manipuliert. Manchen gelingt es aber auch, auf diesem Weg einen guten Job zu angeln.
 
Versucht der Staat nicht, die Jugend­arbeitslosigkeit einzudämmen?
Doch, die Regierung hat ein Programm initiiert, das 25 000 junge Leute in den öffentlichen Dienst rekrutieren soll – für Polizei, Armee, Verwaltung und Schulen. Es gibt auch verschiedene Initiativen, die Jugendliche nach der Schulausbildung besser in den Arbeitsmarkt integrieren sollen, durch kleine Projekte, etwa das „projet intégré d’appui aux acteurs du secteur informel“ (PIAASI – Integriertes Projekt zur Unterstützung der Akteure im informellen Sektor).

Warum reicht das nicht?
Es reicht nicht aus, weil die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist. Viele junge Leute sind vom Dorf in die Stadt gegangen, um bessere Berufschancen zu haben. Manchmal sind die angebotenen Stellen auch sehr spezifisch und passen nicht zu den Qualifikationen der Jugendlichen.

Was machen Sie, um die Jugendlichen zu unterstützen?
DUCA bietet zunächst eine praktische Basisausbildung für die Jugendlichen in den Bereichen Informatik, Schneiderei, Gastronomie und Hauswirtschaft an. Dazu kommt Lebenshilfe in Kursen zu Persönlichkeitsentwicklung, Kindererziehung, Leben in einer Partnerschaft, Konflikt- und Gewaltvermeidung, Gesundheit und Verhütung. Wir machen Berufsberatung und helfen bei der Gründung von Kleinbetrieben. Wir ermutigen Diskussionen über alle möglichen Themen. Die Grundausbildung bei DUCA soll Selbstvertrauen, Offenheit und Eigeninitiative fördern sowie praktische und technische Kompetenzen lehren. Nach den zwei Monaten vermittelt und finanziert DUCA den engagierten Jugendlichen eine mehrjährige Berufsausbildung ihrer Wahl. In verschiedenen kleinen Betrieben lernen die Jugendlichen einen Beruf. Sie werden auch dann weiter von DUCA regelmäßig betreut. Nach der Berufsausbildung hilft die Organisation den Jugend­lichen, sich auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren.

Was für Arbeitsplätze finden sie, und welche Absicherung haben sie dann?
Wir hoffen, dass der Jugendliche am Ende der Aus­bildung von seinem Betrieb eingestellt wird, und wir setzen uns auch dafür ein. Wenn das nicht möglich ist, versucht DUCA ein Praktikum für den Azubi in einem anderen Betrieb zu finden. In vielen  Berufen wie Schneider oder Friseur können sie nach der Ausbildung ihren eigenen kleinen Betrieb gründen. Wir begleiten sie dabei. Trotzdem sollten sie den Kontakt mit ihrem Meister aufrechterhalten. Aber bei der aktuellen Konjunktur bleibt es eine große Heraus­forderung für uns.

Brauchen die jungen Leute DUCA auch nach der Ausbildung noch?
Wir lassen sie jedenfalls nicht allein. Wir fungieren als Beratungs- und Informationszentrum für junge Menschen, die mit allen möglichen Problemen konfrontiert sind. Die Organisation bietet Raum zum Austausch über schwierige Themen wie Korruption, Prostitution, familiäre Beziehungen und vieles mehr. Manche junge Menschen bleiben noch in Kontakt mit uns, aber viele kommen nur noch, wenn sie mit Schwierigkeiten konfrontiert werden.

 

Florentine Fandio ist Leiterin von DUCA (Donner une chance à l’avenir – der Zukunft eine Chance geben).
http://www.duca-cameroun.org

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