Westafrika

Elternwünsche

Bildung ist für Entwicklung grund­legend. Im frankophonen Afrika ist das staatliche Schulwesen aber oft schwach und entspricht weder den sozialen Anforderungen, noch den kulturellen Werten des jeweiligen Landes.

Von Dagmar Wolf

Wenn Schulen nicht lokalen Gegebenheiten entsprechen, akzeptiert die Bevölkerung sie nicht. Davon gehen drei aktuelle Studien des African Power and Politics Programme (APPP) des Londoner Overseas Development Institute aus. Sie behandeln Mali, Niger und Senegal. Ausgangspunkt ist, dass in religiös geprägten Gesellschaften Eltern ihre Kinder nur in Schulen schicken werden, die den herrschenden Moralvorstellungen entsprechen.

Diesem Anspruch genügt das aus der Kolonialzeit stammende und der französischen Vorstellung von „Laicité“ (Trennung von Staat und Kirche) verhaftete Bildungswesen in den drei genannten Ländern nicht. Es war ursprünglich darauf ausgelegt, eine frankophone Elite heranzubilden und die französische Kultur zu verbreiten. Es kollidierte von Anfang an mit dem kulturellen und religiösen Empfinden der Bevölkerung.

Wie die APPP-Studien ausführen, entstanden in der Sahelregion verschiedene Arten von informellen und religiös basierten Schulen, denen es im Kern immer um Opposition zur Verwestlichung ging. Im Zuge der Demokratisierung wurden seit den 1990er Jahren Reformen im Bildungswesen angegangen. In Feldstudien erfuhr das APPP, dass sich die meisten der befragten Eltern arabisch-islamischen Unterricht im öffentlichen Bildungssystem wünschten. Die Schulen sollen religiöse Werte vermitteln, aber auch praktische Dinge lehren und den Weg zur Erwerbstätigkeit ebnen. Rein religiöse Bildung lehnten viele Eltern ab.

In den drei untersuchten Ländern haben Reformversuche zu Hybridsystemen mit Schulen geführt, die Aspekte von Staats- und Religionsschulen mischen. Das Grundkonzept war dasselbe, aber die praktische Ausführung variiert.

Länderstudien

In Mali gab es laut APPP wegen der großen ethnischen Vielfalt nie ein einheitliches islamisches Bildungskonzept. Bereits in den 1980er Jahren gingen Reformbemühungen von Koranschulen aus. Sie begannen, Lehrpläne zu erneuern, und die Regierung bot ihnen Anreize, staatlichen Vorgaben zu entsprechen, ohne die reli­giöse Mission aufzugeben. Die APPP-Autoren begrüßen diese Entwicklung, schreiben aber, dass die Synthese noch nicht gelungen ist.

Im Senegal sind die Koranschulen sehr viel homogener. Dort führte die Regierung 2002 Religionsunterricht an staatlichen Schulen ein und trieb die Gründung von franko-arabischen Schulen im ganzen Land voran. Parallel dazu werden die privaten Koranschulen nach staatlichen Vorgaben modernisiert. Aus Sicht der APPP-Forscher kann diese Politik mittelfristig zu weit reichenden sozialen Veränderungen führen und beispielsweise die stärkere Zusammenarbeit mit arabischen Ländern unterstützen.

Als einziges der drei Länder hat Niger schon lange ein Hybridsystem mit franko-arabischen Schulen. Sie standen aber meist im Schatten privater Koranschulen. Die APPP-Autoren empfehlen, das franko-arabische Modell zu stärken und weiter zu verbreiten, das den Horizont sowohl nach Europa als auch in die arabische Welt erweitert.

Insgesamt hält das APPP die Reformbemühungen in allen drei Ländern für vielversprechend. Denn sie stehen im Einklang mit der sozialen und kulturellen Realität. Probleme sieht das APPP aber im Lehrermangel und in der Überfrachtung von Lehrplänen. Die aktuelle Staatskrise in Mali wird in den Studien noch nicht erfasst, behindert aber selbstverständlich auch die Bildungspolitik.

Dagmar Wolf

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