Frieden schaffen

Differenziertere Politik

Nach Gewaltkonflikten herrscht meist nur eine fragile Stabilität. Drei Studien des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen betonen, die Entwicklungspolitik sollte Situationen genau untersuchen, um abzuschätzen, welche Möglichkeiten sich eröffnen.

Von Floreana Miesen

Gewalt und Unsicherheit bestehen auch nach dem offiziellen Ende eines Konfliktes fort. In einer gemeinsamen Studie legen Sabine Kurtenbach und Herbert Wulf dar, dass bisherige Ansätze zur Friedenstiftung in der Entwicklungspolitik zwar gut sind, jedoch noch Mängel aufweisen. Geber konzentrieren sich demnach auf den Aufbau von Staaten, verfehlen jedoch oft ihre Ziele, da neu geschaffene Institutionen zu schwach seien.

Geberinstitutionen unterstützen und übertragen vermehrt Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union (AU) Aufgaben der Friedenstiftung. Den Autoren zufolge überschätzen sie aber oft deren Leistungsfähigkeit. Zudem seien Security Sector Reforms (SSR) zu einem beliebten Konzept geworden. Dabei sollen institutionelle Reformen der Bevölkerung mehr Kontrolle über ihre eigene Sicherheit geben. Tatsächlich sind Polizei und Militär nach Konflikten oft Teil des Sicherheitsproblems. Aus Sicht von Kurtenbach und Wulf sind SSR-Konzepte aber bislang zu undurchsichtig und bergen die Gefahr, für militärische und strategische Zwecke missbraucht zu werden. Zudem werde das Konzept als Aufzwingung westlicher Werte empfunden. Unterschiedliche Geberinteressen sorgten für inkohärente SSR-Konzepte.

Allianz der Bandenführer mit Behörden

Kurtenbach bemängelt in einer weiteren Studie, dass Lateinamerika in der Debatte über Nachkriegsprobleme kaum vorkomme. Obwohl viele Konflikte dort schon über zehn Jahre zurücklägen, bleibe Lateinamerika die gewalttätigste Region der Welt. Die dortigen Motive gelten aber als unpolitisch und kriminell. Dass politische Gewalt oft in organisierte Kriminalität übergehe, komme in der Fachdiskussion zu kurz. Sie betont, dass auch Verbrecherbanden staatliche In­stitutionen korrumpieren und Demokratisierung unterminieren.

Auf institutioneller Ebene stellt die Autorin beachtliche Defizite in der Professionalität und Organisation von Polizei und Justiz fest. Die „chronische Unterfinanzierung“ sowohl der Polizisten als auch der Institutionen sei dabei ein Hauptgrund für Probleme. Strafrechtliche Verfolgung von Kapitalverbrechen bleibe oft aus.

In Honduras kommen derzeit auf 100 000 Einwohner im Schnitt 86 Morde im Jahr, belegt eine Studie der Weltbank. Der bitterarme, mittelamerikanische Staat mit rund 8 Millionen Einwohnern hält ­damit einen traurigen Weltrekord. Laut Giuseppe Zampaglione von der Weltbank kosten Folgen und Bekämpfung der Kriminalität die Honduraner rund 10 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Über Mittelamerika laufen über 80 Prozent des Kokainhandels nach Nordamerika (siehe Kommentar, S. 216).

Reinhard Palm empfiehlt der Entwicklungspolitik in seiner Studie, sich bei der Analyse stärker auf wirtschaftliche Gegebenheiten zu konzentrieren. Geringer Wohlstand, ungleich verteilte Einkommen und eine Ausbeutung der Bodenschätze zugunsten weniger Profiteure provozierten oft das Fortdauern oder Wiederaufflammen von Konflikten.

Geberinstitutionen sollten ihre Strategien überdenken, heißt es in der Studie. Nur sieben Prozent der Wirtschaftsvorhaben in der Entwicklungszusammenarbeit verfolgen Frieden als Nebenziel. Dabei sei das Potenzial der Friedensförderung durch Wirtschaftsförderung enorm, erinnert Palm. Dies belegen ökonomische Reinte­gration und psychische Beratung jugendlicher Exkombattanten durch den evangelischen Entwicklungsdienst.

Insgesamt empfehlen die drei Autoren ein besser koordiniertes Vorgehen in Post-Konflikt-Situationen. Die Entwicklungszusammenarbeit sollte sowohl Ursachen der Konflikte, als auch die lokalen Kapazitäten und Potenziale gründlicher analysieren.

Floreana Miesen

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