Staatseinnahmen

Steuern für die Zukunft

Noch braucht die Menschheit fossile Brennstoffe, und ihre Förderung bietet vielen Entwicklungsländern ökonomische Chancen. Ihre Regierungen sollten aber mit klugen Steuersystemen die richtigen Anreize setzen, damit gesellschaftlicher Wohlstand geschaffen wird, dem die endliche Rohstoffausbeute nicht allzu enge Grenzen setzt. Auch für den Anbau nachwachsender Ressourcen gilt es, die richtigen finanz­politischen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Von Christian von Haldenwang

Für die meisten Entwicklungsländer ist der Export von Rohstoffen eine zentrale Einkommensquelle. Darunter fallen nichterneuerbare Ressourcen wie Öl und Gas, aber auch nachwachsende wie Holz, Biomasse, Baumwolle oder Lebensmittel. Angesichts des weltweiten Ressourcenhungers sind in den kommenden Jahren weiter hohe Preise zu erwarten.

Jedoch gilt Abhängigkeit von Rohstoffexporten in der entwicklungspolitischen Debatte als schlecht. Ökonomen wie Richard Auty oder Jeffrey Sachs sprechen deswegen vom „Ressourcenfluch“. Der Grund ist, dass Volkswirtschaften mit hohem Rohstoffaufkommen im Durchschnitt nur relativ langsam wachsen und vor allem bei zentralen Entwicklungsindikatoren wie Einkommensverteilung, Beschäftigung und Bildung schlecht abschneiden. Länder, die von Rohstoffen abhängen, müssen also kluge Politik betreiben, um solche Nachteile zu verhindern.

Nichterneuerbare Ressourcen werden eines Tages erschöpft sein. Das müssen die politischen Entscheidungsträger berücksichtigen. Es gilt, die Ausbeutung von Bodenschätzen gemeinwohlorientiert zu gestalten und für die Entwicklung des Landes zu nutzen. Jede Verringerung im Bestand nichterneuerbarer Ressourcen sollte durch Investitionen in produktives Kapital ausgeglichen werden, um die künftige Wohlfahrt einer Gesellschaft zu erhalten. Das besagt die nach dem Ökonomen John Hartwick benannte „Hartwick-Regel“. Das gilt entsprechend auch, wenn der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen Naturressourcen vernichtet – etwa durch den Verlust von artenreichem Urwald.

Doch das genügt nicht. Auch die Schäden, die der Abbau fossiler oder mineralischer Rohstoffe oder der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen auf großen Plantagen verursacht, müssen im Sinne der Generationengerechtigkeit beachtet werden. Darum muss auch ein rohstoffbasierter Entwicklungspfad darauf ausgerichtet sein, den Verbrauch von natürlichen Ressourcen wie Boden und Wasser zu minimieren und die Effizienz des produktiven Sektors zu erhöhen. Erweiterte Nachhaltigkeitskonzepte, wie das der „Adjusted Net Savings“ der Weltbank, beziehen zum Beispiel Emissionen von Treibhausgasen als negative Faktoren mit in die Berechnung ein. Das bietet eine konzeptionelle Basis, um diejenigen zu besteuern, die von Umweltbelastung profitieren.

Steuern als Lösung

Ein zentrales Instrument für die Bewältigung dieser Aufgaben sind Steuern. Dank steigender Weltmarktpreise ist das Steueraufkommen in vielen rohstoffreichen Ländern in der vergangenen Dekade gestiegen. Zum Beispiel konnten die Staaten Subsahara-Afrikas nach Angaben des IWF ihre Einkünfte aus Rohstoffen zwischen 1998 und dem Ausbruch der Finanzkrise fast verdreifachen – auf knapp 15 Prozent der Wirtschaftsleistung. Aber diese Entwicklung muss auf eine stabilere Grundlage gestellt werden und das Steuersystem muss die richtigen Anreize für eine nachhaltige Bewirtschaftung von Naturressourcen setzen.

Steuern wirken sich auf Dinge wie Produktivität, öffentliche Güter, Generationengerechtigkeit und Umweltverbrauch aus. Das sind zentrale Aspekte nachhaltiger Entwicklung. Mit Steuern kann der Staat öffentliche Güter finanzieren, aber auch Verhaltensweisen beeinflussen. Steuern werden auch dazu eingesetzt, die Verteilungsgerechtigkeit zu erhöhen. Wenn dazu jedoch, wie in vielen Entwicklungsländern üblich, fossile Brennstoffe von Steuern befreit oder sogar subventioniert werden, ist das nicht nachhaltig. Der Staat belohnt dann nämlich schädliches Verhalten und verlagert die Kosten des gegenwärtigen Konsums auf nachkommende Generationen.

Wie Steuersysteme so gestaltet werden, dass die Allgemeinheit in angemessener Form am Rohstoffreichtum eines Landes partizipiert, hat technische und politische Aspekte.

Technische Ansätze

In der Förderung endlicher Rohstoffe, aber auch beim Anbau mancher Nutzpflanzen ist es typisch, dass multinationale Unternehmen dominieren. Daraus ergeben sich Probleme wie Doppelbesteuerung, aber auch Steuermanipulationen durch die unternehmensin­terne Verrechnung von Kosten („Transferpreise“, siehe Glossar). Zudem sind für die Rohstoffwirtschaft oft hohe Einstiegsinvestitionen („sunk costs“), unsichere Gewinnperspektiven und lange Produktionsperioden typisch. Das macht es schwierig, im Projektzyklus eine angemessene Besteuerungsgrundlage zu finden. ­Andererseits ist, besonders im Bergbau, das Potenzial für eine Steigerung der Einnahmen relativ groß.

So unterschiedliche Länder wie Venezuela, Kuweit oder Norwegen haben staatliche Unternehmen gegründet, um den nationalen Ölreichtum zu verwalten und gemeinwohlorientiert einzusetzen. Bei schwacher Governance besteht allerdings ein hohes Risiko, dass solche Staatsunternehmen vor allem den Interessen mächtiger Eliten dienen.

Eine andere Alternative sind Steuern auf den Profit oder Umsatz privater Unternehmen. Es ist aber schwierig, solche Steuergesetze zielgenau zu formulieren. Obendrein ist die Durchsetzung eine Herausforderung. Es gilt, Möglichkeiten für Steuervermeidung auszuschließen.

Eine dritte Option ist die Erhebung produktbezogener Steuern. Die meisten Länder betrachten Bodenschätze als öffentliches Eigentum. Unternehmen zahlen eine Gebühr („Royalty“) für das Recht, diese Ressourcen auszubeuten. Sie bescheren dem Staat unabhängig vom Unternehmensgewinn Einnahmen, sobald die Produktion läuft. Doch sie schmälern die Gewinnaussichten für Investoren und könnten sie abschrecken.

Weitere Instrumente sind zum Beispiel „Production Sharing Agreements“ bei der Erdöl- und Erdgas­förderung oder die Versteigerung von Erkundungs- oder Förderrechten. Meistens wird eine Kombination unterschiedlicher Instrumente gewählt. Staaten mit schwachen Kapazitäten tun sich aber schwer, solch einen Mix optimal zu gestalten.

In Entwicklungsländern werden die Regeln für die wichtigsten Rohstoffsektoren nicht selten hinter verschlossenen Türen zwischen dem Staat und privaten Akteuren ausgehandelt. Oft sind das große, multi­nationale Unternehmen.

Weil staatliche Vorgaben nicht immer durchgesetzt und überwacht werden, entstehen Freiräume für rechtswidriges Verhalten. Die Flexibilität bilateraler Verhandlungen begünstigt private Akteure mehr als die öffentliche Hand. Andererseits erhöhen sich die Finanzierungs- und Versicherungskosten von Projekten, wenn der institutionelle und regulative Rahmen kaum berechenbar ist. Private Unternehmen werden dann versuchen, zusätzliche Sicherheiten für ihre Investitionen auszuhandeln.

Damit die Besteuerung für Investoren kalkulierbar wird und die Interessen Betroffener und des Gemeinwohls berücksichtigt werden können, sind umfassende Regelwerke für gesamte Wirtschaftszweige sinnvoll. So wird die Rohstoffausbeutung in einem öffentlichen Prozess geregelt, der Politik, öffentliche Verwaltung und Justiz einbezieht.

In OECD-Ländern ist das längst üblich. Sie haben dafür auch die nötige politische Macht und Verwaltungskapazität. In vielen Entwicklungsländern sind diese Voraussetzungen nicht im nötigen Maß erfüllt.

Deshalb sollte die Entwicklungspolitik Regierungen von Entwicklungsländern dabei beraten, übergreifende Sektorregulierungen durchzusetzen oder langfristig angelegte Sektorstrategien samt transparenten Steuerregimen zu entwickeln. Dazu zählen Reformen der Steuergesetzgebung und -verwaltung ebenso wie die Revision bilateraler Investitions- oder Doppelbesteuerungsabkommen.Die Chancen stehen dafür zur Zeit gut. Denn anders als früher sind die Entwicklungsländer heute oft in einer relativ starken Verhandlungsposition, weil die Nachfrage nach Ressourcen enorm gestiegen ist. Die Neuverhandlung von Abkommen kann deshalb kurzfristig zu deutlich mehr Steuereinnahmen führen. Länder wie Bolivien, Ecuador und Sambia haben diesen Weg in den vergangenen Jahren beschritten. Peru bereitet das vor. Aber auch diese Verhandlungen müssen aus einer Perspektive langfristiger Entwicklung geführt werden. Die zunehmende Finanzspekulation mit Rohstoffen erschwert eine solche Perspektive.

Wertvolle Transparenz

Transparenz dient letzten Endes allen beteiligten Parteien. Wenn Dinge nicht klar und nachvollziehbar geregelt werden, schlägt sich das in Zukunft in höheren Finanzierungskosten, geringerer Investitionstätigkeit und letztlich auch niedrigerem Steueraufkommen nieder.

Transparenz muss von beiden Seiten gewährleistet werden. Die Unternehmen müssen ihre Gewinne und Zahlungen nach Ländern aufgeschlüsselt („country-by-country reporting“) zugänglich machen, und die Regierung muss darlegen können, wohin Steuereinnahmen fließen.

Neben der Höhe der Steuereinnahmen ist die Verwendung der Mittel ein zentrales Element glaubwürdiger Politik. Die Akzeptanz der Förderung dürfte steigen, wenn die Bevölkerung Einfluss auf die Haushaltspolitik nehmen kann. In manchen Ländern profitiert nur eine kleine Gruppe nationaler Eliten und multinationaler Konzerne von der Rohstoffwirtschaft. Den Kreis der Begünstigten auf breite Bevölkerungssektoren zu erweitern, ist schwierig, aber nicht unmöglich.

Den Regierungen stehen hier mehrere Wege offen. Zum Beispiel ist es sinnvoll, örtliche Gemeinschaften zu entschädigen, wenn sie unter der Expansion der Rohstoffwirtschaft leiden. Andererseits können Renaturierungsmaßnahmen mit Steuergeldern bezahlt werden. Besonders wichtig ist es, die Mittel aus dem Rohstoffabbau so einzusetzen, dass sich die künftigen Entwicklungschancen in einer Gesellschaft ohne Rohstoffexporte erhöhen, zum Beispiel mit Investitionen im Bildungsbereich.

Viele Investitionen in Rohstoffprojekte haben eine internationale Dimension. Die Frage der fairen und effektiven Besteuerung muss deshalb auch in interna­tionalen Foren und im direkten Dialog mit den multinationalen Unternehmen erörtert werden. Andere Politikfelder wie Außenhandel, Investitionsförderung und Umweltschutz müssen einbezogen werden. Bilaterales Handeln allein wird in den meisten Fällen kaum für eine angemessene Besteuerung und eine nachhaltige Entwicklung des Rohstoffsektors sorgen.

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