Kommentar

Zitterpartie im Senegal

Ende Februar wurde im Senegal gewählt, welcher Präsident in den kommenden sieben Jahren regiert. Dessen Amtszeit kann laut Gesetz einmal verlängert werden, dann muss er abtreten. Das bisherige Staatsoberhaupt strebte aber eine dritte Amtszeit an.

Von Mohamed Gueye

Lange vor der staatlichen Unabhängigkeit im Jahr 1960 wurde im Senegal schon demokratisch gewählt. Erstmals in der Geschichte machten nun aber bereits in der ersten Woche des Wahlkampfes acht von 14 Bewerbern gemeinsam Front gegen einen Mitbewerber. Auslöser war die Ankündigung des scheidenden Präsidenten Abdoulaye Wade, nach zwei Amtszeiten noch einmal zu kandidieren. Das stiftete nicht nur Verwirrung. Die Unruhen, die folgten, kosteten mehrere Menschenleben.

Die neue Verfassung, die Wade einst selbst unterschrieb, sieht für das Staatsoberhaupt nur zwei Amtszeiten vor. Dass diese Begrenzung auch ihm persönlich gelten würde, ließ Wade in Artikel 27 sogar ausdrücklich festschreiben. Auf seiner ersten internationalen Pressekonferenz nach seiner Wiederwahl im Jahr 2007 betonte er in wie immer blumigen Worten, dass er für eine dritte Periode laut Verfassung „gesperrt“ sei.

Aber offenbar hatte er Probleme damit, seine Macht abzugeben. Seit 2009 ließ Wade erkennen, dass er sein Bekenntnis über den Haufen werfen wollte. In ­vielen öffentlichen Reden bekannte der Prä­sident, noch eine dritte Amtszeit anzustreben. Daraufhin herrschte im Senegal eine permanente Debatte darüber, ob er kandidieren dürfe oder nicht.

Nicht nur politische Akteure, auch Verfassungsrechtler zerbrachen sich den Kopf. Wades seltsame Gesetzesauslegung weckte Kritik auch unter Juristen, die an der Formulierung der neuen Verfassung beteiligt waren. Ausländische Regierungen – allen voran Frankreich und die USA – forderten, er solle abtreten. Dennoch bestätigte das Verfassungsgericht Wades Nominierung Ende Januar. Dagegen strich es den bekannten Musiker Youssou N’Dour, der in die Politik strebte, von der Kandidatenliste. Angeblich hatte er zu wenige Unterschriften vorgelegt.

Das Urteil wirkte wie ein Brandbeschleuniger. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der Präsident die Gehälter der fünf Verfassungsrichter verdoppelt und ihnen weitere Gefälligkeiten gewährt hatte. Sofort wurden Vergleiche laut mit der Ausgangslage in Côte d’Ivoire, wo Verfassungsrichter dem späteren Wahlverlierer Laurent Gbagbo ermöglicht hatten, trotz Niederlage im Amt zu bleiben. Es folgten wochenlange blutige Wirren, in die am Ende Frankreich eingriff. Gbagbo wartet nun in Den Haag auf seinen Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

Im Senegal entluden viele nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts ihre Wut auf der Straße. Sie fühlten sich von den „Weisen“ ihrer Zukunft beraubt – und als Opfer eines alten Mannes, der mit einem Bein bereits im Grab steht. Tatsächlich war Wades fortgeschrittenes Alter ein wichtiges Argument seiner Gegner. Sein amtliches Geburtsjahr ist 1926.

Sollte er ein weiteres Mandat antreten, wäre er zum Schluss mit Gottes Hilfe 91 Jahre alt. Dem hielt Wade entgegen, sein Vater wie seine Mutter seien knapp 100 Jahre alt geworden – früher wolle auch er nicht sterben. Wades Prognose gründete weniger auf Wissenschaft als auf seinem Gefühl; und so warnten politische Gegner angesichts der wachsenden politischen Präsenz seines Sohnes Karim, dass der Präsident seinen Junior an der Wahlurne vorbei als Staatschef installieren könnte. Sie zeigten sich zum Widerstand mit allen Mitteln bereit.

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