Gesundheit

Hilfe für Aidswaisen

HIV/Aids ist nicht nur ein Gesundheitsproblem, sondern eine Krise, die ganze Gesellschaften erschüttert. In Afrika unterstützt eine zivil­gesellschaftliche Organisation die psychosoziale Betreuung von Kindern und Jugendlichen.
Eine Großmutter in Kamerun  kümmert sich um Aidswaisen. Heiner Heine/imagebroker/Lineair Eine Großmutter in Kamerun kümmert sich um Aidswaisen.

Nach Schätzungen von UNAIDS (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS) sind in Afrika südlich der Sahara über 15 Millionen Kinder und Jugend­liche durch Aids zu Waisen geworden – das sind rund 90 Prozent der Aidswaisen weltweit. Hinzu kommen jene, die infolge von extremer Armut und Konflikten einen oder beide Elternteile verloren haben. Insgesamt gibt es 55 Millionen verwaiste Kinder und Jugendliche im südlichen Afrika.

HIV/Aids zieht viele Folgen nach sich: Die Bildungschancen vieler Mädchen sinken, weil sie zu Hause Pflegeaufgaben übernehmen müssen. In den Schulen fehlen die Lehrer. Betriebe müssen für Schlüsselposten zusätzliches Personal ausbilden, weil voraussichtlich ein Teil der Mitarbeiter frühzeitig erkranken oder sogar sterben wird. Ohne Eltern und Einkommen leben viele Aidswaisen in großer Armut und sind dadurch gefährdet, kriminell zu werden. Mädchen aus von Aids betroffenen Fami­lien landen mit größerer Wahrscheinlichkeit als andere in der Prostitution.

Die Regional Psychosocial Support Initiative (REPSSI) unterstützt Waisen. Die Organisation ist in 13 Ländern des östlichen und südlichen Afrika tätig und versucht, die verheerenden sozialen und emotionalen Auswirkungen von HIV/Aids und Armut unter Kindern und Jugendlichen zu vermindern. Der Soziologe Kurt Mandörin hat 2002 die REPSSI mitgegründet: „Wenn die Kinder ihre Traumata nicht überwinden, kann dies langfristig funktionsunfähige Gesellschaften zur Folge haben“, erklärt er.

In einem neuen Buch über REPSSI, „Afrikas verwaiste Generationen“, schildert der Autor Richard Gerster die ungewöhnliche Arbeitsweise der Organisation: REPSSI beschäftigt keine professionellen Psychiater oder Sozialarbeiter – das wäre zu kostspielig –, sondern setzt auf die Ausbildung von paraprofessionellen Freiwilligen. Dies sind zum Beispiel Großmütter, die über die eigene Großfamilie hinaus Nachbarschaftshilfe leisten. REPSSI nutzt also die gewachsenen kulturellen Strukturen und vorhandenen Netzwerke. Dabei arbeitet die Organisation nicht ­direkt mit den betroffenen Kindern, sondern stützt sich auf verschiedene Partnerorganisationen der Zivilgesellschaft, Universitäten, Regierungen und regionale Organisationen.

Neben der Ausbildung von ­Betreuerinnen und Betreuern auf Dorfebene (community care­givers) bildet REPSSI auch Instruktoren (master trainer) aus, so dass die Partnerorganisationen über professionelle Ausbilder in psychosozialer Unterstützung verfügen. Dadurch werden regionale Pools an hoch qualifizierten Ausbildungsmoderatoren geschaffen.

Laut Gerster sieht sich die Organisation als Kompetenzzentrum für psychosoziale Expertise und berät sowohl Regierungen als auch private Organisationen. Um auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene Ressourcen zugunsten der Aidswaisen zu mobilisieren, ist Lobbying notwendig, beispielsweise in Kooperation mit der Southern African Development Community (SADC) und der East African Community (EAC). REPSSI hat Lobbying-Methoden (advocacy toolkit) entwickelt, die Gemeindeinitiativen helfen sollen, mit Behörden und Firmen zu verhandeln, die Möglichkeiten eines Dorf­theaters zu nutzen oder auch mit lokalen Me­dien zusammenzuarbeiten.

REPSSI stützt sich auf Geberhilfe von der Schweizer Regierung (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit – DEZA), der Swedish International Devel­opment Cooperation Agency (SIDA) und der Novartis Stiftung für nachhaltige Entwicklung (NFSD). Laut dem Autor des Buches konnten inzwischen über 5 Millionen Kinder und Jugendliche im südlichen Afrika von psychosozialer Betreuung profitieren.

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