Fachliteratur

Rohstoffe und Entwicklung

Ressourcenprobleme sind in Entwicklungsländern seit Jahrzehnten zu beobachten. Auch die Wissenschaft ist auf diese Phänomene aufmerksam geworden.

Von Lutz Neumann

Die Bewirtschaftung von nichterneuerbaren Rohstoffvorkommen prägt viele Partnerländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Die Bandbreite reicht von Afghanistan über Brasilien, Chile, Ghana, Liberia, Niger bis hin zur Mongolei.

In Afrika ist die Ausbeutung von Erdöl, Erdgas und mineralischen Rohstoffen der wichtigste Wirtschaftszweig. So machen die afrikanischen Exporterlöse aus mineralischen und fossilen Rohstoffen jährlich etwa 180 Milliarden Dollar aus, fast 80 Prozent der Gesamtexporte. Zum Vergleich: Die Industrieländer der OECD (Organisation for Economic Development and Cooperation) stellten 28 Milliarden Dollar an Entwicklungsgeldern für Subsahara-Afrika bereit. Allein in finanzieller Hinsicht ist die Relevanz der Rohstoffwirtschaft also riesig. Auch wenn keines der UN-Millenniums-Entwicklungsziele extraktive oder sonstige Rohstoffe thematisiert, ist die Gestaltung dieses Wirtschaftszweigs entscheidend für die Erreichung dieser globalen Ziele.

Allerdings gibt es bislang nicht viele Studien mit empirisch in Querschnitt- und Zeitreihen-Vergleichen abgesicherten Hypothesen. Forschungsrelevante Fragen sind: Was sind die direkten und indirekten, kurz-, mittel- und langfristigen Wirkungen der Ressourcenwirtschaft auf Entwicklung? Was bewirkt was und auf welche Weise? Eine Orientierung in den politik-, wirtschafts-, geo- und sozialwissenschaftlichen Veröffentlichungen bietet eine Literaturauswertung, die von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und der GIZ vorgenommen wurde (Mildner 2011). Sie wertet einschlägige Studien in drei Kategorien aus: Rohstoffe und Wirtschaftswachstum, Rohstoffe und Konflikt, Rohstoffsektor­management und Politikempfehlungen.

Bei der Erklärung von Unterentwicklung und Armut in Rohstoffländern wird landläufig rasch von einem Rohstofffluch gesprochen. Der „Fluch“ ist jedoch nicht automatisch an einen bestimmten Rohstoff oder eine bestimmte Produktionsweise gebunden, und er ist auch nicht unausweichlich. Der jeweilige Kontext und die Institutionenlandschaft sind relevant (Basedau 2008). Wenn Rohstoffe entdeckt und produziert werden, entsteht für jedes Land und für jeden Ressourcentyp ein spezifisches Wechselspiel. Dabei entfalten die Ressourcen unterschiedliche Charakteristika, je nach der Quantität ihres Aufkommen und des Governance-Niveaus ihres Förderumfeldes.

In der Literatur liegen bislang nur wenige Ergebnisse vor, die Originalität auf der Grundlage von statistischen und quantitativen Analysen beanspruchen können. In dieser Hinsicht ragen die Arbeiten des Oxforder Ökonomen Paul Collier hervor (siehe auch Interview auf S. 238). Bereits in dem Werk „Die unterste Milliarde“ aus dem Jahr 2007 kam er zu dem Schluss, dass Rohstoffe armen, schlecht regierten Staaten oft mehr Schaden als Nutzen gebracht haben und zur größten verpassten Gelegenheit für die wirtschaftliche Entwicklung geworden sind.

In dem populären Nachfolgewerk „Der hungrige Planet“ (2011) stellt Collier eigene Forschungsergebnisse sowie die von Kollegen vor. Er will ökonomische und ökologische Interessen versöhnen. Die Empirie macht Collier hinsichtlich guter Regierungsführung in den ärmsten Ländern nicht optimistisch. Daher plädiert er unter anderem für den Wandel von unten und bürgerschaftliches Engagement.

Öl und Diamanten

Zum besseren Verständnis der Governance der Rohstofftypen Erdöl und Diamanten und der Produktionsweise im Kleinbergbau können drei Publikationen hervorgehoben werden. Als wichtigster globaler Rohstoff ist Erdöl ein besonderes Phänomen. In seiner richtungsgebenden Arbeit „The Oil Curse“ zeigt Michael L. Ross (2012), dass die Ölstaaten unter den Entwicklungsländern im Schnitt weniger demokratisch und wirtschaftlich stabil sind. Gleichzeitig entwickelt er Politikvorschläge.

Für den Diamantensektor hat Ian Smillie (2010) mit „Blood on the Stone“ eine wegweisende, gut zugängliche Darstellung der afrikanischen Produzentenländer und ihrer Konflikte mit vier Millionen Todes­opfern vorgelegt. Er behandelt die Industriegeschichte und die Ansätze zur Regulierung des internationalen Handels.

Wichtig ist dabei unter anderem die Problematik, die sich aus den Praktiken ergibt, die in etwa einem Viertel der weltweiten Diamantenproduktion vorherrschen. Auch Gold und andere nichtenergetische Rohstoffe wie Coltan werden im Kleinbergbau gefördert. Wie der Sammelband von Koen Vlassenroot und Steven Van Bockstael (2008) darlegt, ist aus Entwicklungsgesichtspunkten die soziale, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Bedeutung des Kleinbergbaus groß. Schätzungen zufolge hängen in Afrika rund 50 Millionen Menschen und weltweit 100 Millionen vom Kleinbergbau ab.

Der Sektor ermöglicht zwar Beschäftigung und Einkommen, zum Beispiel für Ex-Kombattanten. Gerade in den fragilen Staaten in West- und Zentralafrika unterminiert er jedoch durch seinen überwiegend informellen Charakter staatliche Institutionen. Mit Blick auf den Bergbau gibt es in der Praxis oft kein staatliches Gewaltmonopol. Es werden auch keine Steuern erhoben, und Gesetze stehen oft nur auf dem Papier. Die Durchsetzung von Menschenrechten sowie Sozial- und Umweltstandards ist dabei oft schon im formalen Sektor eine Herausforderung.

Globale Politik

Einen Einstieg in die komplexen Herausforderungen globaler Rohstoffpolitik bietet der von Raimund Bleischwitz und Florian Pfeil (2009) herausgegebene Sammelband. Sicherheits-, Entwicklungs- und Umweltprobleme werden leicht lesbar dargestellt. Das gilt auch für Konzepte, die Abhilfe schaffen sollen, wie verantwortliche Unternehmensführung (CSR), Standards und Kodizes zur Erhöhung der Transparenz und zur internationalen Verrechtlichung.

Zu den fortgeschrittenen Werken, die anwendungsorientiert Mechanismen beschreiben, welche von Rohstoffen zu Entwicklung führen können, gehört die Weltbankpublikation „Rents to Riches“ (Barma et al. 2012). Sie orientiert sich an dem Konzept der Rohstoff-Entscheidungskette. Diese reicht von dem Vorhandensein und der Anwendung von geologischen Kenntnissen der Rohstoffvorkommen über das Konzessionsmanagement bis hin zur Umsetzung gemeinwohlorientierter öffentlicher Investitionen im Rahmen einer entwicklungsorientierten Regierungspolitik.

Rohstoffländer sind nur dann erfolgreich, wenn sie sämtliche Phasen dieser Entscheidungskette berücksichtigen und kontrollieren. Zum Beispiel reicht Einnahmetransparenz allein nicht aus, wenn keine sinnvollen Investitionen folgen. Über die technischen Lösungen hinausgehend, braucht es demnach einen strategischen und systemischen Ansatz, damit sich einzelne Interventionen zu einer Verbesserung der Gesamtsituation auf Makroebene verdichten können. Dabei zielt das Autorenteam der Weltbank vor allem auch auf die politische Ökonomie der Reformen ab. Diese Herangehensweise ist entscheidend für die gesamte Entwicklungszusammen­arbeit mit Rohstoffländern – nicht nur im Rohstoffsektor, sondern auch in allen anderen Sektoren der Zusammenarbeit.

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