Leder

„Strikter als in Deutschland“

Die Gerbereibranche gilt als besonders umweltschädlich. Deutsche Investoren machen in China und Vietnam vor, wie die ökologischen Auswirkungen begrenzt werden können. Ihre TanTec-Gruppe soll einen internationalen Maßstab für nachhaltige Lederproduktion setzen, wie Geschäftsführer Uwe Hutzler im Interview erläutert.

Interview mit Uwe Hutzler
Arbeitsschutz ist auch wichtig: Arbeiter bei Saigon TanTec. Dembowski Arbeitsschutz ist auch wichtig: Arbeiter bei Saigon TanTec.

Was besagt das LITE-Zertifikat?
LITE steht für „low impact to the environment“. Es ist ein eingetragenes Markenzeichen von TanTec und zeichnet einen besonders geringen Wasser- und Energieverbrauch sowie geringe CO2-Emissionen während der Produktion aus. Als Benchmark gelten die Werte der internationalen Leather Working Group (LWG), welche den Ressourcenverbrauch in der Gerbereiindustrie bewertet und die LITE-Zertifikate erteilt. Im Vergleich zum Branchendurchschnitt kommt die TanTec-Gruppe mit 42 Prozent geringerem Energie- und 56 Prozent geringerem Wasserverbrauch aus. Die CO2-Emissionen liegen rund 35 Prozent unter dem Branchendurchschnitt.

Und das wird präzise dokumentiert?
Ja, für jedes LITE-Produkt muss ein spezifischer Report erstellt werden, welcher die Umweltbelastung dokumentiert und mit den Benchmarkwerten der Industrie vergleicht. Für Kunden des LITE-Leders bietet das die Möglichkeit, sich klar von den Wettbewerbern abzuheben und das Zertifikat marketingwirksam einzusetzen. Das langfristige Ziel ist, einen neuen Standard für die Gerbereibranche zu setzen, um international den Weg in die nachhaltige und umweltschonende Produktion zu ebnen.

Welche Unternehmen sind bisher LITE zertifiziert?
Beide TanTec-Produktionsstandorte in China und Vietnam wurden umweltgerecht gebaut und ständig weiter modernisiert. Unsere neueste Produktionsstätte im US-Bundesstaat Mississippi wird ebenfalls so konzipiert.

Wer sind die Abnehmer von LITE-zertifizietem Leder?
Zu den größten Abnehmern gehören die Hersteller von Markenschuhen wie etwa Timberland, Deckers, Keen North Face oder Reef. Auch die Wolverine-Gruppe, zu welcher die Schuhmarken Hush Puppies, Caterpilar, Merrell, Harley Davidson und andere gehören, verwendet LITE-Leder. Es sind Firmen, die ein grünes Image pflegen, dieses PR-technisch einsetzen und sich der Konsequenzen der umweltfreundlichen Lederherstellung bewusst sind.

Wie ist das Konzept entstanden?
Wir haben es Schritt für Schritt entwickelt, um möglichst umweltfreundlich zu produzieren und im Wettbewerb stark zu werden.

Wettbewerb läuft vor allem über Preise. Weshalb ist Umweltfreundlichkeit ein Vorteil?
Heutzutage reicht es nicht mehr, Kunden im Premiumschuhsegment ein Produkt mit gutem Design vorzustellen, vielmehr muss der Hintergrund stimmen. Speziell in den USA und der EU achten die Kunden zunehmend auf die Herkunft der Produkte sowie die Produktionsweise. Dabei geht es auch um die Nachvollziehbarkeit der Rohstoffherkunft, den Umgang mit Abfallprodukten, Emissionen, die Nutzung von Energie und die Achtung der Mitarbeiterrechte. Kinderarbeit muss ausgeschlossen sein, die Zahl der Überstunden muss begrenzt sein, Hersteller müssen für Arbeitssicherheit sorgen und so weiter. Moderne Schuhmarken wie Timberland haben den Trend frühzeitig erkannt und sich entsprechend strategisch aufgestellt. Sie verlangen, dass Zulieferer Assessments oder Prüfungen bestehen. Die Anforderungen werden in jährlichen Audits ständig neu geprüft. Andererseits ist es aber auch so, dass sich Investitionen in umweltfreundliche Produktion auf Dauer auch betriebswirtschaftlich rechnen – beispielsweise, weil die Energiekosten sinken.

Welche Unterstützung haben Sie von der deutschen Entwicklungspolitik bekommen?
Die DEG, die KFW-Tochter, die Privatsektorinvestionen in Entwicklungsländern fördert, unterstützt die TanTec-Gruppe seit Jahren mit Darlehen und Zuschüssen für die Finanzierung und Umsetzung von Umweltprojekten. Dabei werden selbstverständlich die Projektfortschritte genau erfasst. So wurden zum Beispiel beide TanTec-Produktionsstätten mit Solaranlagen, Recyclingsystemen für das Produktionswasser und Biomasseboilern ausgestattet. Zudem wurde die Forschung nach Verwertungsmöglichkeiten von chromkontaminierten Nebenprodukten der Produktion gefördert.

Gerberei gilt als schmutzige Branche für Billiglohnländer. Dennoch ist es selbst für einen an Nachhaltigkeit orientierten Hersteller wie Sie schwer geworden, in China oder Vietnam Standorte für neue Produktionsstätten zu finden. Woran liegt das?
Generell ist festzuhalten, dass Gerbereien der Wertschöpfungskette, den Schuhfabriken, folgen und sich daher in diesen Ländern ansiedeln. China hat in den letzten Jahren aber vermehrt mit Luftverschmutzung, Wasserbelastung und Bodendegradation zu kämpfen und ist noch vor den USA zum größten Emittenten von Treibhausgasen geworden. Um diesem negativen Trend Einhalt zu gebieten, werden hohe Auflagen, welche mittlerweile strikter als in Deutschland sind, an das produzierende Gewerbe gestellt. Diesem Beispiel folgen immer mehr Länder in Asien, allen voran Vietnam. In den vergangenen Jahren ist daher eine Abwanderung beziehungsweise die gesetzliche Schließung von Betrieben zu beobachten, die sich nicht an die neuen Regelungen gehalten haben.

Stimmt es, dass Südasien dieser Entwicklung hinterher hinkt?
Es ist richtig, dass dort häufig noch wirtschaftliches Wachstum zu Lasten sozialer und ökologischer Indikatoren verfolgt wird.

Andererseits sehen Sie jetzt auch wieder Möglichkeiten in Industrieländern zu produzieren – Sie erwähnten gerade, dass Sie einen neuen Standort in Mississippi planen. Was ist der Hintergrund?
Wir sind bereits weit über die Planung hinaus, das komplette Equipment ist bereits bestellt und auf dem Weg in die USA. Produktionsstart wird Januar 2015 sein. Wir folgen dem Trend der Industrie. Immer mehr Produktionsstandorte werden von Asien nach Nord- und Südamerika verlagert. Die Dominikanische Republik, Mexiko, Honduras, El Salvador und später sicherlich Kuba bieten sich an, da sie nahe am amerikanischen Markt liegen und so die Wertschöpfungskette deutlich kürzer wird. Weiterhin haben wir mit dem Standort in Mississippi die Möglichkeit, den Trend „Made in the USA“ voll zu unterstützen.

Welche Umweltprobleme bestehen bei Ihren Zulieferern fort?
Unser Rohmaterial heißt „wet blue“: chromgegerbtes Leder das weder getrocknet, durchgefärbt  noch anderweitig zugerichtet worden ist. Eines der größten Probleme unserer Zulieferer ist, Reste von Chrom und Salzen aus dem Produktionswasser zu klären. Alle unsere Zulieferer sind aber LWG-zertifiziert und erfüllen höchste Anforderungen an eine nachhaltige Produktion sowie an die Nachbehandlung des Produktionswassers. Des Weiteren gewinnt die Nachverfolgbarkeit des Rohmaterials immer mehr an Bedeutung. Um eines der besten LWG-Ratings zu bekommen, müssen auch die Vorlieferanten zertifiziert sein. Der Bezug von Rohmaterial aus zwielichtigen Quellen soll ausgeschlossen werden. Das bedeutet unter anderem, dass wir unsere Häute aus den USA und Brasilien beziehen, denn in Asien wäre es unmöglich zu beweisen, dass die Tiere artgerecht gehalten wurden – und auch das ist ein Kriterium, auf das es Verbrauchern zunehmend ankommt.

Uwe Hutzler ist Geschäftsführer des TanTec-Mutterunternehmens ISA TANTEC LTD. in Macao, China. Das Nachhaltigkeitskonzept der TanTec-Gruppe wird von der KfW-Tochter DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft) gefördert. www.liteleather.com

 

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