Den Klimawandel bewältigen

Der Klimawandel betrifft zunehmend die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs). Armutsbekämpfungsstrategien müssen Umweltrisiken berücksichtigen. Die Anpassungsfähigkeit von Ländern und Kommunen muss gestärkt werden. Die Geber sollten erfolgversprechende Maßnahmen finanzieren und innovative Finanzierungsmechanismen anwenden.

[ Von Sven Harmeling und Krystel Dossou ]

Der Klimawandel ist ein wichtiger Grund dafür, dass die UN-Millenniumentwicklungsziele (MDGs) zur Armutsreduzierung wahrscheinlich nicht erreicht werden. Sechs Jahre nachdem die Ziele beschlossen wurden, steht die globale Erwärmung endlich an der Spitze der internationalen Tagesordnung. Sie berührt nicht nur lebenswichtige Sektoren wie Nahrungsmittelproduktion, Energieversorgung und Transport, sondern wird auch den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und andere grundlegende soziale Dienste beeinträchtigen – insbesondere in fragilen ökologischen Systemen wie Küstenzonen und Bergregionen.

Der Klimawandel wird deshalb das Erreichen jedes einzelnen MDG erschweren (Harmeling, 2007). Wieder einmal ist Afrika aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen und Landwirtschaft der am stärksten bedrohte Kontinent. Es geht vor allem um Wasser und Niederschläge: Dürreperioden und Überschwemmungen wirken verheerend und bedrohen die Lebensverhältnisse unmittelbar. Extreme Wetterverhältnisse werden afrikanische Probleme wie Armut und Ernährungsunsicherheit verschlimmern. Dennoch kümmern sich Entwicklungsstrategien bislang kaum um den Klimawandel.

Entsprechend hohe Erwartungen hatten afrikanische Experten an den ersten Klimagipfel südlich der Sahara. Ein wichtiges Thema bei der 12. Vertragsstaatenkonferenz (COP12) der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) im November vergangenen Jahres in Nairobi war, wie LDCs und kleine Inselstaaten die globale Umweltkrise bewältigen können. Eine Frage lautet, ob die Anpassung an den Klimawandel separat behandelt werden oder generell in Armutsbekämpfungsstrategien integriert werden sollte – im Sinne eines Ansatzes für „anpassende Entwicklung“ (adaptive development).
Problematische Trennung

Die Regierungen reicher Länder haben in den internationalen Verhandlungen meistens eine eingeschränkte Perspektive auf die Anpassung an den Klimawandel. Sie konzentrieren sich nur auf menschengemachte Folgen und beschäftigen sich nicht mit „konventionellen“ Klimaschwankungen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Globale Umweltfazilität (GEF), die von der Weltbank verwaltet und von den USA, der EU und Japan dominiert wird. Für die GEF war es schon immer sehr wichtig, den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel genau zu bestimmen. In der Regel hängt davon ab, ob Projekte bewilligt werden oder nicht. Beispielsweise untersucht die GEF genau, welchen Unterschied global betrachtet eine Investition in erneuerbare Energien machen wird – davon ausgehend, dass jede Tonne Kohlendioxid den gleichen zerstörerischen Effekt hat, egal wo sie ausgestoßen wird.

Dieser Ansatz ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn man ausschließlich die Ursachen des Klimawandels bearbeitet. Er ist dagegen schädlich, wenn er auf den Umgang mit den Folgen des Klimawandels angewandt wird. Anpassungsmaßnahmen zeichnen sich nämlich gerade dadurch aus, dass sie lokal Nutzen bringen. Es wäre falsch, zu erwarten, dass sie immer auch globale Wirkung entfalten.

Darüber hinaus ist es kaum möglich, durch den Klimawandel verursachte Schäden präzise von anderen Kosten zu trennen. Eine zerstörerische Flut oder Dürre kann nicht eindeutig auf den Klimawandel zurückgeführt werden, weil Wetter ein komplexes Phänomen ist. Zwar steigt durch den Klimawandel die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse, aber es ist unmöglich, die „Ursachen“ und „Auswirkungen“ eines einzelnen Ereignisses exakt zu bestimmen.

Das Verständnis von „Anpassung an den Klimawandel“ im Kontext der UNFCCC widerspricht also der Idee einer Integration in die Armutsbekämpfung. Entwicklungsstrategien „klimasicher“ zu machen, ist jedoch eine wichtige Erfolgsbedingung. Es macht keinen Sinn, Armut zu bekämpfen und isoliert davon die Menschen auf den Klimawandel vorzubereiten. Leider verbinden zu viele Institutionen diese Probleme nicht ausreichend miteinander – die UNFCCC ist keine Ausnahme (Dossou, 2005).

Das UNFCCC-Verfahren sieht vor, dass die ärmsten Länder Nationale Aktionsprogramme zur Anpassung an den Klimawandel (NAPA) ausarbeiten. Das ist ein sehr pragmatischer Ansatz, der mit gutem Grund lokale Bewältigungsstrategien berücksichtigen soll. Vorschläge lokaler Gemeinschaften sind sehr wichtig und müssen ernst genommen werden, denn auf dieser Ebene finden sich die am stärksten betroffenen armen Menschen. Die UNFCCC betont, es sei wichtig, die Fähigkeit zur Anpassung an Wetterextreme zu stärken, weil das auch eine Vorbereitung auf Folgen des Klimawandels sei.

Ende 2006 hatten die meisten LDCs die Arbeit an NAPAs begonnen. Acht Länder, darunter Bhutan, Bangladesch, Malawi und Niger, haben ihre Aktionspläne sogar schon fertig. Malawis Aktionsprogramm beispielsweise schlägt als eine vorrangige Maßnahme die Wiederaufforstung bestimmter Regionen vor, um das Risiko von Überschwemmungen durch den Klimawandel zu senken. Benins noch unvollendeter Aktionsplan enthält ein Pilotprojekt für die Verbesserung der Anpassungskapazitäten der ländlichen Bevölkerung im Nordwesten des Landes, der von Wasserknappheit besonders bedroht ist.

Massive Finanzierung nötig

Was immer jedoch die NAPAs vorschlagen: Es wird Geld kosten. Laut Weltbank werden die Entwicklungsländer zusammen jährlich zehn bis 40 Milliarden US-Dollar benötigen. Das sind nur ungefähre Zahlen, weil es viele Unwägbarkeiten gibt. Kein Zweifel jedoch besteht an der Größenordnung der Aufgabe.

Im UNFCCC-Rahmen wurden zwei Fonds eingerichtet: der Klimawandel-Sonderfonds (SCCF) und der Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCF). Beide hängen von freiwilligen Beiträgen der Industrieländer ab. Ein dritter, mittelfristig wichtigerer Fonds ist der so genannte Anpassungsfonds (AF), der Teil des Kyoto-Protokolls ist. Er soll wirksame Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern finanzieren und durch eine Abgabe auf den Emissionshandel im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) gespeist werden. Nach Weltbankschätzungen wird der Fonds bis Ende 2012 über Mittel in Höhe von 270 bis 600 Millionen Dollar verfügen.

Auf dem Nairobi-Gipfel war umstritten, wie und durch welche Institution der Anpassungsfonds geführt sollte (Germanwatch, 2006). Wichtige Entscheidungen wurden auf den nächsten Gipfel im Dezember dieses Jahres vertagt. Die meisten reichen Länder wollen die Verwaltung des Fonds der GEF übergeben, stießen mit diesem Vorschlag aber auf den erbitterten Widerstand der armen Länder. Die Gründe dafür liegen in dem erwähnten problematischen Ansatz der GEF in Bezug auf Anpassungsfragen und in der ungleichen Machtverteilung: In der GEF hängen die Stimmrechte der Mitglieder von ihren finanziellen Beiträgen ab. Die Regierungen armer Länder verweisen darauf, dass der AF nicht von den Geberländern finanziert werden wird, sondern durch den CDM, einen Marktmechanismus.

Trotz dieser Auseinandersetzungen bestand in Nairobi in einigen Punkten Konsens. Der AF wird transparent verwaltet werden, für alle berechtigten Länder zugänglich sein und geeignete Projekte voll finanzieren. Zwar wurde auch über Kofinanzierungen diskutiert, allerdings würden diese die LDCs überlasten. Darüber hinaus werden auch Kommunen und nicht nur Staaten Zugang zu AF-Mitteln haben.

Die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in LDCs bleibt eine entscheidende Frage für zukünftige Klimaverhandlungen. Das Kyoto-Protokoll endet im Jahr 2012. Das Folgeabkommen, das hoffentlich spätestens 2009 verabschiedet wird, muss Mechanismen enthalten, die reiche Länder zu einer verlässlichen Finanzierung zwingen – unabhängig von jährlichen Haushaltsentscheidungen der Regierungen. Anders ist das Verursacherprinzip nicht zu verwirklichen. „Klimagerechtigkeit“ wird ein zentrales Thema der internationalen Politik werden; zivilgesellschaftliche Organisationen betonen das schon heute.

Eine Möglichkeit wäre, Emissionszertifikate zu versteigern. Die Zertifikate, die im europäischen Emissionshandel im Umlauf sind, werden großenteils kostenlos vergeben, allerdings wird sich das in Zukunft vermutlich ändern. Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, die Zertifikate unter anderem zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen zu versteigern. Im Zusammenhang mit dem Vorschlag, den Luftverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen, hat sie diese Idee am 20. Dezember 2006 skizziert.

Afrikanische und deutsche Nichtregierungsorganisationen haben im Vorfeld der diesjährigen deutschen EU-Ratspräsidentschaft in einem gemeinsamen Manifest erklärt, dass sie diesen Ansatz unterstützen (VENRO 2006). Emissionszertifikate allein aus dem Luftverkehr wären Hunderte Millionen Dollar wert. Die EU muss das Problem der Treibhausgasemissionen durch den Flugverkehr angehen, die deutsche Bundesregierung ebenso. Wir hoffen, Berlin wird die europäische Politik produktiv beeinflussen.

Schlussfolgerung

Mehr Geld ist nötig, damit arme Länder den Herausforderungen des Klimawandels begegnen können. Die industrialisierte Welt muss ihre Unterstützung für die am meisten betroffenen Länder steigern und zugleich ihre immer noch viel zu hohen Treibhausgasemissionen deutlich reduzieren. Da der Klimawandel zusätzliche Kosten verursacht, sollte zusätzliche Geberhilfe nicht als Erhöhung der offiziellen Entwicklungshilfe verbucht werden, wie sie die Industrieländer seit langem versprochen, bislang aber nicht gewährt haben. Innovative Finanzierungsmechanismen sind in diesem Zusammenhang sinnvoll, und die Versteigerung von Emissionszertifikaten wäre eine Option, die dem Verursacherprinzip gerecht würde.

Trotz einiger Impulse bleibt die Klimadebatte weitgehend losgelöst von den Millenniumszielen. Darüber hinaus besteht kaum Kontakt zur Katastrophenhilfe. Das Risiko ist groß, dass Entwicklungsprogramme mögliche Wirkungen des Klimawandels ignorieren und auf sich verändernde lokale Bedürfnisse und Prioritäten nicht angemessen reagieren.

Die Anpassung an den Klimawandel wird nicht funktionieren, wenn die Maßnahmen nicht stimmen. Da die am meisten Betroffenen arm sind, müssen ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Armutsorientierte Anpassung setzt armutsorientierte Regierungsführung voraus – und ist daher abhängig von verantwortungsvollem Handeln der Regierungen der Entwicklungsländer.

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