LGBTQ-Rechte in Afrika

LGBTQ-Rechte in Afrika – zwischen Fortschritt und Reaktionismus

Die rechtliche und gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTQ-Personen unterscheidet sich in afrikanischen Ländern und Gesellschaften stark. Nur wenige Staaten schützen sie und erkennen ihre Rechte an. Die Mehrheit verfolgt sie nach wie vor.
Mitglieder der LGBTQ-Community protestieren beim Christopher Street Day in München – in Uganda würde ihnen dafür Gefängnis drohen. picture-alliance/REUTERS/Fariha Farooqui Mitglieder der LGBTQ-Community protestieren beim Christopher Street Day in München – in Uganda würde ihnen dafür Gefängnis drohen.

Nach Angaben der Internationalen Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans- und Intersexuellenvereinigung (ILGA) gilt Homosexualität derzeit in 66 Ländern weltweit als Straftat. Die Hälfte davon liegt in Afrika. In Ländern wie Nigeria, Sudan, Somalia und Mauretanien drohen LGBTQ-Personen lange Gefängnisstrafen – und in einigen Fällen sogar Todesurteile.

Erst kürzlich hat Ugandas „Anti-Homosexuellen-Gesetz“ zu einem internationalen Aufschrei geführt. Präsident Yoweri Museveni unterzeichnete das Gesetz im März, das homosexuelle Handlungen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren sanktioniert. In Fällen „schwerer Homosexualität“ – dem Gesetz nach Sex mit Personen unter 18 Jahren oder die Beteiligung einer HIV-positiven Person – droht sogar die Todesstrafe.

Und auch wer Homosexuelle medizinisch versorgt, beherbergt oder vor Gericht vertritt, macht sich wegen „Förderung von Homosexualität“ strafbar. Medienorganisationen, die über LGBTQ-Themen berichten, drohen Geldstrafen von einer Milliarde ugandischer Schilling (etwa 250 000 Euro) und ein Lizenzentzug für zehn Jahre.

Die ohnehin wenigen Organisationen, die die LGBTQ-Gemeinschaft in Uganda stärken, wurden so ihrer rechtlichen Grundlage beraubt. Und auch die Unterstützung westlicher Organisationen oder im Ausland lebender Ugander*innen wird massiv eingeschränkt. Dieses Gesetz macht es LGBTQ-Personen unmöglich, ihr wahres Selbst zu leben und auszudrücken. Es zielt im Wesentlichen darauf ab, Queerness in Uganda komplett zu unterdrücken.

Dennoch zeichnen sich in einigen Ländern Afrikas auch positive Veränderungen ab. Namibia etwa hat jüngst im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen anerkannt. Südafrika garantiert LGBTQ-Personen schon länger rechtlichen Schutz, obwohl sie außerhalb der Metropolen Johannesburg, Durban und Kapstadt nur auf wenig Akzeptanz stoßen. Staaten wie Botswana und Mosambik erkennen LGBTQ-Rechte zunehmend an – auch wenn sie noch weit entfernt von gesellschaftlicher Akzeptanz und wahrer Gleichstellung sind. Und in Ruanda veröffentlichte die NGO Plan International im April das „Amahitamo Yanjye („My Choice“) Comprehensive Sexuality Education Toolkit“, das sich an Heranwachsende und junge Menschen unter 24 Jahren richtet. Es zielt auf die Bekämpfung von Teenagerschwangerschaften ab und enthält Informationen über Homosexualität und andere sexuelle Orientierungen. Es gibt keine Einschränkungen hinsichtlich der Diskussion oder Förderung von LGBTQ-Themen in Ruanda.

Homosexualität – „unafrikanisch“?

Zur Unterdrückung von LGBTQ-Personen wird oft ein in ganz Afrika verbreitetes Narrativ bemüht: Homosexualität sei ein Import aus dem Westen – ein neokolonialer Versuch, den Kontinent zu schwächen. Kenias Präsident William Ruto bezeichnete Homosexualität als unvereinbar mit der afrikanischen Kultur und dominierenden Religionen. In Ghana starteten Journalist*innen eine Anti-Queer-Kampagne, als in der Hauptstadt Accra ein LGBTQ-Zentrum eröffnete. Homosexualität brandmarkten sie darin als „unafrikanisch“. Auch in den sozialen Medien kursieren zahllose Verschwörungstheorien, immer mit derselben Botschaft: Homosexualität sei eine Erfindung des Westens, um die Afrikaner*innen auszurotten.

Dabei ist das Narrativ historisch betrachtet schlicht falsch. Es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass König Mwanga II. im Königreich Buganda, das einen Teil des heutigen Uganda ausmacht, offen schwul war. Er ist vielleicht eine der berühmtesten homosexuellen Persönlichkeiten im vorkolonialen Afrika, aber nicht die einzige.

Laut Sylvia Tamale, einer ugandischen Menschenrechtsaktivistin und Juraprofessorin, die die Geschichte der Sexualität in Afrika erforscht, gab es vor der europäischen Kolonialisierung in vielen afrikanischen Gesellschaften unterschiedliche Auffassungen und Ausdrucksformen von gleichgeschlechtlichen Beziehungen und Identitäten. Die alten Höhlenmalereien des San-Volkes in der Nähe von Guruve in Simbabwe zeigen etwa zwei Männer bei einer Art rituellem Sex. In Uganda wurden „verweiblichte Männer“ bei dem Volk der Langi „mudoko dako“ genannt, in Zentralafrika beim Volk der Zande „mawali“. Sie durften Männer heiraten und wurden auch sonst wie Frauen behandelt.

Das Vokabular, mit dem gleichgeschlechtliche Beziehungen in afrikanischen Sprachen beschrieben wurden, ist ein weiterer Beweis für ihre Existenz im vorkolonialen Afrika, wie Tamales Forschung zeigt. Beziehungen zwischen Basotho-Frauen im heutigen Lesotho wurden „motsoalle“ („besondere Freundin“) genannt. Die Shangaan im südlichen Afrika bezeichneten gleichgeschlechtliche Beziehungen als „inkotshane“ („Mann-Frau“). Und auch die im Senegal gesprochene Sprache Wolof hatte schon immer ein Wort dafür: „gor-digen“.

Tamale betont jedoch, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen in Afrika nicht immer Ausdruck erotischen Begehrens waren und sich vom westlichen Konzept der sexuellen Identität unterscheiden. Oftmals waren sie Teil von Sexualerziehung, Ritualen oder dienten spirituellen Zwecken.

Ihre Studien zeigen zwar, dass Homosexualität keineswegs von Europäern nach Afrika gebracht wurde. Doch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen auch damals weitgehend abgelehnt wurden. Die Kolonialherren und christlichen Missionare verfestigten dann die bereits vorherrschenden Moralvorstellungen weiter und kriminalisierten sie mit entsprechenden Gesetzen.

Lissa Janet ist Kommunikationsbeauftragte bei Queer Youth Uganda.

Anonymer Autor.

Isabella Bauer ist freie Journalistin und Beraterin.
post@isabellabauer.de

Mehr zum Thema

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.

Nachhaltigkeit

Die UN-Agenda 2030 ist darauf ausgerichtet, Volkswirtschaften ökologisch nachhaltig zu transformieren.