Westafrika

Kompetente Akademiker

Nach einer schwierigen Epoche in der Bildungspolitik hat Benin zu hohen Standards zurückgefunden. Ein gutes Beispiel ist die Houdegbe North American University.

Von Karim Okanla

In der Kolonialzeit wurde Dahomey – das heutige Benin – das Quartier Latin Afrikas genannt. Beninsche Studenten galten als Leistungsträger und viele erhielten französische Stipendien für die regionale Universität in Dakar im Senegal oder eine der vielen Hochschulen in Frankreich.

Gleichzeitig waren viele von ihnen als Gegner der französischen Kolonialherrschaft und für Studentenstreiks bekannt. Vor Benins Unabhängigkeit im August 1960 galten manchen französischen Behörden Studenten aus diesem Land als Unruhestifter. Wegen ihrer politischen Aktivitäten verloren einige von ihnen ihre Stipendien und mussten in die Heimat zurückkehren.

Nach der Unabhängigkeit schenkte die neue Regierung dem Bildungssektor höchste Aufmerksamkeit. Doch die Dinge änderten sich im Oktober 1972, als der Offizier Matthieu Kerekou einen Militärputsch vollzog. Er rief eine Revolution aus, um „die Freiheit des Landes von Neokolonialisten“ zurückzufordern. Später bekehrte sich sein Regime über Nacht zum Marxismus-Leninismus und sagte allem Westlichen den Kampf an. Studiengänge und Lehrinhalte wurden abgeschafft und durch neue ersetzt, die von der Sowjetunion, dem kommunistischen China und Kuba beeinflusst waren. Studenten aus Benin erhielten Hunderte Stipendien von Ostblock-Staaten.

Seinerzeit beschloss die Regierung, dass in Benin praktisch jeder zum Unterrichten in Sekundärschulen qualifiziert sei. Man brauchte bloß den sogenannten „militärischen und patriotischen Dienst“ abzulegen. Nach dieser einjährigen Ausbildung wurden junge Leute in entlegene Gebiete entsandt, wo sie als Lehrer an Sekundärschulen arbeiteten. Um in einem besseren wissenschaftlichen Umfeld zu arbeiten, gingen viele qualifizierte Pädagogen ins selbst gewählte Exil. Die Bildungsstandards litten erheblich, und in den späten 1980er Jahren stand das System vor dem Zusammenbruch. Endlose Streiks verschärften die Situation.

Anfang der 1990er Jahre kam die Trendwende. Die historische Conférence Nationale läutete eine neue Ära ein. Im Bildungswesen wurden seitdem große Fortschritte gemacht: Die Einschulungsrate stieg von 49,7 Prozent im Jahr 1990 auf 96 Prozent im Jahr 2004. Für Mädchen stieg sie in diesem Zeitraum von 36 Prozent auf 84 Prozent. Es gibt heute keine Schulgebühren mehr, und die Schulpflicht gilt im Alter von sechs bis elf Jahren. Dennoch bleiben gewaltige Herausforderungen: Nur etwa 40 Prozent der Erwachsenen können lesen, bei Frauen beträgt die Alphabetisierungsrate knapp 25 Prozent.

Der Bildungssektor in Benin ist mittlerweile vollständig liberalisiert. Private Hochschulen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Staatliche Universitäten gibt es kaum. Früher war die Universität Abomey-Calavi die einzige. Die Regierung hat sie aufgespalten und auf mehrere Standorte verteilt. Deshalb hat Porto-Novo nun eine juristische Fakultät, Dangbo ein mathematisches Forschungszentrum und in Parakou entsteht gerade eine Journalistenschule.

Generell unterhalten die öffentlichen und privaten Institutionen nur sehr wenige formale Beziehungen zueinander. Angesichts der geringen Vergütung lehren jedoch viele Dozenten sowohl an öffentlichen als auch an privaten Hochschulen.

Viele Bildungsunternehmer haben Partnerschaften mit europäischen und nordamerikanischen Hochschulen geschlossen. Derzeit richtet eine Gruppe von Professoren der Princeton-Universität in den USA zusammen mit der staatlichen Universität Abomey-Calavi eine African School of Economics (ASE) ein.

Heute haben die Studenten die Wahl zwischen einem Curriculum französischen Stils und Hochschulbildung nach amerikanischem Vorbild. Viele glauben, dass Letztere wertvollere Abschlüsse biete. Die Faszination solcher Hochschulen wächst weiter. Die Barack Obama International Afro-American University in Benin steckt bereits in den Startlöchern. Sie wird von Bürgern Benins aufgebaut und kommt ohne Beteiligung der US-Regierung aus.

Um an Benins Universitäten zu lehren, ist ein Master-Abschluss Voraussetzung. Erfahrungen in internationalen Organisationen sind von Vorteil. Darüber lehren und prüfen an den Hochschulen zunehmend Manager aus der Finanzwirtschaft. Ohne Zweifel braucht Benin kompetente Akademiker. Es besteht zum Beispiel akuter Ärztemangel. Leider haben Benins Ärzte seit kurzem Zugriff auf ein französisches Visumsprogramm. Frankreich bleibt ein Magnet für viele gut ausgebildete Fachkräfte.

Private Hochschule

Privatunternehmer dürfen heute in Benin Institutionen primärer, sekundärer und höherer Bildung gründen. Dr. Octave Houdegbe, ein ehemaliger Minister der Zentralafrikanischen Republik, tat 1992 etwas nach damals verbreiteter Ansicht Törichtes: In Cotonou, dem Wirtschaftszentrum Benins, gründete er eine Universität – die heutige Houdegbe North American University.

Houdegbe stammt aus Benin. Vor zwanzig Jahren bot seine Hochschule nur eine begrenzte Auswahl an Kursen, ist aber inzwischen zu einer vollwertigen Universität herangewachsen. Houdegbe ist Eigentümer, Geldgeber und Rektor der HNAUB. Er sagt, sein Hauptanliegen sei, gute Absolventen auszubilden und Exzellenz nicht nur in Benin, sondern in ganz Westafrika zu fördern. Aus seiner Sicht sind Englischkenntnisse für alle Studenten wichtig.

Die Studiengebühren wurden kürzlich auf umgerechnet fast 950 Dollar pro Semester erhöht – in Benin ist das sehr viel Geld. Doch die hohen Kosten sind kein allzu großes Problem, da viele Studenten aus dem ölreichen Nigeria stammen.

HNAUB ist bilingual. 80 Prozent der Kurse werden auf Englisch, der Rest auf Französisch unterrichtet. Eine wachsende Anzahl von Sprachstudenten interessiert sich darüber hinaus für das Deutschangebot. Die meisten Studierenden – 80 Prozent – stammen aus Nigeria, und andere kommen aus so fernen Ländern wie Tschad, Äquatorialguinea, Ägypten und sogar dem Irak. HNAUB wächst schnell und hat derzeit 6500 Studenten.

Die Dozenten und Professoren stammen überwiegend aus Benin und Nigeria, einige kommen aber auch aus den USA oder dem Mittleren Osten. Die meisten haben Master-Abschlüsse oder Promotionen sowie langjährige Lehrerfahrung an europäischen oder nordamerikanischen Hochschulen. Andere haben für internationale Organisationen gearbeitet.

Die meisten aktuell angebotenen Studiengänge führen zu Bachelor-Abschlüssen. HNAUB vergibt aber auch Doktortitel in Medizin und Pharmazie und ­kooperiert dabei mit Universitätskliniken in Nigeria. HNAUB arbeitet auch mit mehreren US-Hochschulen zusammen.

Die Ausbildung an der Houdegbe North American University hilft den Studenten, ihren Horizont zu erweitern. Viele erkennen, dass ihre Heimat – egal wie groß oder bevölkerungsreich – Herausforderungen nur gerecht werden kann, wenn sie eng mit Fachleuten aus anderen Ländern kooperiert. In vielerlei Hinsicht stärkt dies auch den Privatsektor und die Zivilgesellschaft. Westafrikanische Hochschulen bilden nicht nur helle Köpfe für die Entwicklung der Region aus – sie heben auch das Niveau von Staatsführung und Gesetzgebung.

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