Sexworker

Selbstbewusste Sexworker

In unserer Kolumne „Heutzutage“ berichten Korrespondenten aus Entwicklungsländern über alltägliche Begebenheiten. Aditi Roy Ghatak schreibt über eine Initiative, welche die Lebensverhältnisse in Kolkatas Rotlichtbezirken verbessert.

Von Aditi Roy Ghatak
Aditi Roy Ghatak

Wer HIV-positiv ist, darf nicht in die USA einreisen. Außerdem ist Prostitution dort an den meisten Orten illegal. Folglich war die 19. Internationale Aids-Konferenz in Washington DC im Juni für viele Menschen unerreichbar, die von der Pandemie betroffen und für deren Eindämmung wichtig sind.

Von denen, die in Washington nicht willkommen waren, kamen viele zu einer Parallelkonferenz 13 000 Kilometer weiter östlich in Kolkata (Kalkutta) zusammen. Eine große und bunte Demonstration mit Teilnehmenden von allen Kontinenten zog durch die Straßen der indischen Megastadt. Politiker und Sozialarbeiter sprachen während der Tagung. Warum ausgerechnet Kolkata? Wegen des Durbar Mahila Samanwaya Komitees, einer Interessenorga­nisation für Prostituierte. Salma Kartini, eine Sexarbeiterin aus Malaysia, sagte: „Durbar hat sich getraut, solch eine große Veranstaltung schnell zu organisieren, weil wir nicht in die USA einreisen durften.“ Dabei arbeitete Durbar mit dem Global Network of Sex Workers und dem All-India Network of Sex Workers zusammen.

Auf der ganzen Welt hat das Sexgewerbe sehr dunkle Seiten. Die schlimmsten sind vermutlich Menschenhandel und der Missbrauch von Minderjährigen. Wo die gesamte Branche illegal ist und vertuscht wird, geht es den Opfern indessen noch schlechter als dort, wo erwachsene Prostituierte keine Angst vor Polizei und Öffentlichkeit haben müssen.

Durbar und Usha haben in dieser Hinsicht viel erreicht. Usha ist eine Genossenschaft, die Durbar gestartet hat. Zusammen dienen die beiden Organisationen mittlerweile rund 65 000 Prostituierten (weiblich, männlich und transgender) und Freiern. Sie setzen sich für die Rechte und die reproduktive Gesundheit ihrer Zielgruppe ein – und für ihr allgemeines Wohlergehen.

Gesundheit ist ein wichtiges Thema. Sexuell übertragene Krankheiten und Unterleibsinfektionen sind weit verbreitet. Im Finanzjahr 2010/11 hat Durbar rund 13 000 Sexarbeiter und 6000 Freier einschlägig behandelt. Die Organisation sorgte zudem für den Vertrieb von 3,4 Millionen Kondomen.

Durbar startete die Gesundheitsinitiative 1992 in Kolkatas Rotlichtbezirk Sonagachi. Ursprünglich war es ein staatliches Programm, aber bald wurden die Betroffenen in die Organisation einbezogen. Nach und nach nahmen die Prostituierten ihr Schicksal in die Hand. Sie begannen auch, sich gegen andere Probleme wie Zuhälterei, Polizeirepression, ausbeuterische Geldverleiher und die Verachtung in der Gesellschaft zu wehren.

Ein Durchbruch war 1995 die Anmeldung der Usha Multipurpose Co-operation Society, einer Verbrauchergenossenschaft von und für Prostituierte. Die Landesregierung von Westbengalen musste das Gesetz ändern, um den Beruf der Mitglieder offiziell registrieren zu können. Aus Sicht von Durbar hat das „unsere Kampagne für die gesellschaftliche Akzeptanz der Prostitution und das Selbstbestimmungsrecht der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter gestärkt“.

Heute hat Usha mehrere Geschäftsfelder – von Mikrokrediten über das soziale Marketing von Kondomen bis hin zur Schaffung von Jobs außerhalb des Sexgewerbes. Die Genossenschaft hat heute 5000 Mitglieder und der Umsatz wächst. Selbst die Landesregierung gibt sich heute demonstrativ stolz auf diesen Erfolg.

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