Afghanistan

Späte Erkenntnis

Die Strategien der westlichen Länder in Afghanistan waren von Beginn an in einem Punkt schwach: Sie haben nicht die kulturellen Unterschiede berücksichtigt. Veränderungen sind so bis­her kaum in Sicht.

Afghanische Vorstellungen von Staatlichkeit sind geschichtlich vor allem von Russland, Iran und Pakistan geprägt. Laut Ebrahim Afsah vom Max-Planck-Institut für Völkerrecht und ausländisches Öffentliches Recht in Heidelberg berücksichtigen westliche Geber das in ihrer Politik aber nicht. Diese hätten in den vergangenen fünf Jahren vor allem westliche Experten damit beauftragt, Reformkonzepte für Afghanistan zu entwickeln.

Ideen und Konzepte von einem Land auf ein anderes zu übertragen sei grundsätzlich problematisch, meint Afsah. Zudem stünden die Afghanen fremden Vorstellungen generell misstrauisch gegen­über. Daher hätten westlich geprägte Konzepte dort auch keine Chance. Schon die Grundannahme vieler westlicher Experten, Staatlichkeit habe in Afghanistan von null an aufgebaut werden müssen, sei falsch gewesen. So seien etwa das Finanz- und das Agrarministerium selbst unmittelbar nach dem Sturz der Taliban handlungsfähig gewesen. Solche Kapazitäten hätten für Reformprozesse genutzt und ausgebaut werden müssen, seien aber nicht erkannt worden. Inzwischen erkennt auch die Bundesregierung die Grundproblematik verschiedener kultureller Vorstellungen. Thomas Kossendey, der parlamentarischer Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium ist, gestand bei einer Tagung der evangelischen Akademie in Loccum Anfang April ein, Afghanistan sei zu häufig von Personen analysiert worden, „die nie im Land waren“. Um das Fehlen kultureller Nähe auszugleichen, sollen die Soldaten der ISAF-Truppe nun stärker den Kontakt zur Bevölkerung suchen. Deshalb ist das sogenannte Partnering Teil der neuen ISAF-Verteidigungsstrategie: Die Soldaten sollen mehr aus den Kasernen rausgehen und auch über Nacht in Dörfern bleiben, um die Bewohner vor den Taliban zu schützen.

Gute Arbeit hingegen hat die afghanische Kommission zur Verwaltungsreform (IARCSC) geleistet, meint Citha Maaß von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP). Dieses Gremium treibt ihrer Ansicht nach die richtigen Grundlagen einer Reform voran. Erfolge seien vor allem langfristig zu erwarten. Afsah hingegen sieht auch langfristig generell schwarz. Seine Prognose: die Nato werde scheitern und das Land in den Bürgerkrieg zurück­fallen.

(Jörn Roßberg)

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