Infrastruktur

Wasser für alle – aber wie?

In Peru können viele Unternehmen im Wasser- und Abwassersektor ihre laufenden Kosten nicht decken. Das beeinträchtigt ihre Leistungsfähigkeit. Die Lage ist in vielen anderen Entwicklungsländern ähnlich.

[ Von Michael Funcke-Bartz ]

Laut Einschätzung des Joint Monitoring Programme von WHO und UNICEF werden weltweit 900 Millionen Menschen keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser haben. Für doppelt so viele wird es keine angemessene Abwasserbehandlung geben.

Diese Schätzungen sind obendrein insofern optimistisch, als sie davon ausgehen, dass die heute bestehende Infrastruktur langfristig funktionstüchtig bleibt. Das ist aber alles andere als selbstverständlich, denn Industrie und Landwirtschaft belasten in wachsendem Maße die Wasser-Ressourcen. Und vielerorts wird der Klimawandel die Vorräte knapper machen.

Lateinamerika ist laut WHO und UNICEF auf gutem Weg, das Millenniumsziel 7 zu erreichen: die Halbierung der Personenzahl ohne Zugang zu sicherem Trinkwasser in der Zeitspanne 2000 bis 2015. Doch dass für manche arme Länder der Weg dahin noch weit ist, zeigt ein Blick auf aktuelle Statistiken aus Peru. Dort verfügen durchschnittlich 85 Prozent der städtischen Bevölkerung über einen Trinkwasseranschluss im Haus – auf dem Land aber nur 74 Prozent.


Unterbrochene Versorgung

Zudem bedeutet ein Wasserhahn noch längst nicht, dass daraus auch etwas sprudelt. Zwar wurde landesweit die tägliche Dauer der Wasserversorgung von 13 Stunden im Schnitt des Jahres 1997 auf 18 Stunden 2005 gesteigert. Doch in manchen Regionen und Stadtvierteln ist Wasser nur ein paar Stunden lang verfügbar – und das gilt für Unternehmen wie private Verbraucher.

Bei der Abwasserentsorgung ist der Handlungsbedarf noch größer. Nur 67 Prozent der Stadt- und sogar nur sieben Prozent der Landbevölkerung werden vom Kanalnetz erreicht. Werden Latrinen hinzugerechnet, leben immer noch nur 82 Prozent der Stadt- und 44 Prozent der Landbevölkerung mit zufriedenstellenden Sanitäranlagen.

Die Probleme sind nicht nur eine Konsequenz schwacher Staatsfinanzen, wie eine andere Statistik zeigt: Landesweit werden im Schnitt nur 55 Prozent des zur Verfügung gestellten Wassers fakturiert, und davon wird wiederum nur etwa die Hälfte termingerecht in Rechnung gestellt. Die durchschnittliche Säumigkeit liegt bei zweieinhalb Monaten. Wie die peruanische Regulierungsbehörde SUNASS berichtet, konnten deshalb im vergangenen Jahr 32 von insgesamt 51 für die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung zuständige Unternehmen ihre laufenden Kosten nicht decken. Unter solchen Bedingungen ist kaum Geld für Reparaturen und Instandhaltung da – und die Erschließung zusätzlicher Siedlungsgebiete wie etwa städtischer Armutsviertel wird unmöglich.

Mit Programmen wie „Agua para Todos“ unternimmt die Regierung von Präsident Alan García Anstrengungen zur Verbesserung der Lage. Für wirtschaftlich schwache Versorgungsfirmen kommt es dabei besonders darauf an, das Management zu stärken. Sie müssen ihre Mittel optimal nutzen – und das bedeutet auch: Sie müssen unkonventionelle Lösungen finden und verwirklichen.

„Bei der Stärkung unseres Unternehmens kam es darauf an, die Erfahrungen und Ideen des eigenen Personals zu nutzen“, erinnert sich Juan Tarazona, Geschäftsführer der EPS Chavín, einer Firma, die sich in Huaraz und Nachbargemeinden um Wasser und Abwasserentsorgung kümmert. Er beklagt, dass die Belegschaften oft gar nicht nach ihrer Einschätzung gefragt werden, obwohl sie die Lage genau kennen. „Dass wir unsere Ziele gemeinsam mit den Mitarbeitern formuliert haben, hat das Betriebsklima verbessert“, berichtet Tarazona.

Wichtig war, von Beginn an klarzumachen, dass es nicht um schnelle Kostensenkungen durch Personaleinsparung ging. EPS Chavín wollte seinen Service verbessern, aber nicht die Tarife erhöhen. „Anfangs konzentrierten wir uns auf Schritte, die keine oder nur sehr geringe Kosten verursachten, unsere Einnahmen aber deutlich verbesserten“, sagt der Manager. Hierzu zählt er die Umkategorisierung von Kunden, die, als Privathaushalte eingestuft, tatsächlich aber gewerblich operierten und den entsprechend höheren Tarif zahlen müssen. Solche Einnahmen dienten dann für aufwendigere Investitionen.

Kluge Investitionen

Tarazona beklagt, dass viele Versorungsunternehmen in Projekte investieren, die wirtschaftlich problematisch sind. So sei es zum Beispiel nicht sinnvoll, Wasserzähler zu installieren, wenn dadurch die Einnahmen sinken. Allerdings steht die Branche unter hohem Druck, den Anteil der Haushalte mit Wasseruhren zu erhöhen, weil das als wichtiger Managementindikator gilt. Die genaue Kontrolle des Verbrauchs soll exakte Abrechnung ermöglichen und zur Sparsamkeit anregen.
Der Praktiker aus Peru weiß aber, dass Installation, Wartung und Ablesen der Zähler viel Geld kosten – was erst recht für Ersatz in Fällen von Vandalismus gilt. „Besteht die Gefahr, dass durch den Einbau von Wasserzählern die Einnahmen drastisch sinken, ist es besser, vorerst auf sie zu verzichten und die Mittel produktiver zu nutzen – beispielsweise für den Anschluss neuer Kunden.“

Manchmal ist auch das Bessere der Feind des Guten. Die Küstenstadt Chimbote bietet ein Beispiel dafür, wie ein Schritt, der auf den ersten Blick nicht optimal wirkt, dennoch die Lage deutlich verbessert hat.

In Chimbote steht Wasser Menschen und Unternehmen im Schnitt nur acht Stunden täglich zur Verfügung. Das Leitungsnetz verliert insbesondere wegen Leckagen rund 50 Prozent. Es ist unmöglich, dauerhaft genügend Druck im gesamten Netz sicherzustellen. Die technisch optimale Lösung ist die schrittweise Sanierung. Das dauert aber lange und erfordert Investitionen, die das Unternehmen kaum aufbringen kann.

Die Verantwortlichen standen aber unter Druck. Es gab heftige Proteste der Bevölkerung, und Mittel für den Bau einer Wasseraufbereitungsanlage, welche die Versorgung verbessern sollte, waren bewilligt worden. Schnell stellte sich aber heraus, dass die Hoffnungen auf die neue Anlage überzogen waren.

„Um schnell und preiswert eine sichere Wasserversorgung benachteiligter Quartiere am Stadtrand zu ermöglichen, entschlossen wir uns zu einer für Peru völlig neuen Lösung“, berichtet Emilio Hito vom Versorgungsunternehmen SEDACHIMBOTE. „Statt ein zusätzliches großes Wasserreservoir aus Beton zu errichten, erhielten die Bewohner der Hütten und Häuser eines ausgewählten Pilotgebietes Kunststofftanks mit einer Kapazität von 600 Litern, die ein Mal täglich über das Leitungsnetz gefüllt werden.“ Danach wird das Viertel wieder vom Netz genommen, und das verbleibende Wasser kann für andere Stadtteile genutzt werden.

Das Ergebnis überzeugt. Die Bevölkerung hat sich an das Verfahren gewöhnt und hat für den ganzen Tag sicheres Trinkwasser in ausreichender Menge. „Was uns als Unternehmen natürlich besonders freut, ist, dass die Kunden zufrieden sind und ihre Wasserrechnung pünktlich bezahlen“, berichtet der Manager, der an einem InWEnt-Projekt über Engpassmanagement in Wasserunternehmen teilgenommen hat. Haushalte seien sogar bereit, per Ratenzahlung ihren Tank selbst zu finanzieren. „Dadurch wird Kapital zur Ausweitung der Wasserversorgung und zur Behebung besonders störender Leckagen frei.“ Wasseruhren braucht SEDACHIMBOTE in diesen Vierteln nicht, denn die Größe der Tanks und die Frequenz der Auffüllung sind schließlich bekannt.

Fazit

Das Millenniumsziel 7 der verbesserten Trinkwasser- und Basissanitärversorgung ist vordergründig ehrgeizig. Länder wie Peru haben gute Chancen, es zu erreichen. Sehr viel größer ist der Handlungsbedarf in den meisten Ländern Afrikas.

Bahnbrechendes Umdenken wäre wirklich wünschenswert. Zur Erinnerung: Bis 2015 müssten nach Angaben des World Water Council täglich 260 000 Menschen zusätzlich Zugang zu gesicherter Trinkwasserversorgung erhalten – und 370 000 zu Basissanitärversorgung. Dabei ist das Bevölkerungswachstum seit dem Bezugsjahr 1990 noch gar nicht berücksichtigt.

Die Empfehlungen der UN Millennium Project Task Force on Water and Sanitation sprechen daher eine deutliche Sprache: Ohne eine stärkere Konzentration auf den Wasser- und Abwassersektor, ohne Erhöhung der Leistungsfähigkeit der zuständigen Institutionen und Versorgungsunternehmen, ohne eine deutlich bessere Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen wird MDG 7 nicht erreichbar sein.

Bedenkenswert ist auch, dass die Zielvorgabe der Halbierung der Zahl der von sicherer Versorgung ausgeschlossenen Menschen implizit besagt, dass sich am traurigen Schicksal der anderen Hälfte der Armen nichts ändern wird. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Ziel doch nicht ambitioniert genug formuliert wurde.

Relevante Artikel