Infrastruktur

Die Zukunft der Erde ist urban

Mit zunehmender Weltbevölkerung wachsen die Städte unverhältnismäßig schnell. Auf dem afrikanischen Kontinent schreitet die Urbanisierung am zügigsten voran. Dies stellt die Kommunen vor enorme Herausforderungen.
Kommunalregierungen sind häufig überfordert: illegale Stromkabel in Marokko. Sheila Mysorekar Kommunalregierungen sind häufig überfordert: illegale Stromkabel in Marokko.

Feuerwehrleute der ganzen Welt haben die gleichen Probleme. Sie brauchen effektive Alarmsysteme, sie müssen Feuer so schnell wie möglich löschen, Menschen in Notsituationen retten, Erste Hilfe leisten und die Bevölkerung über Feuerschutz aufklären. Gleichzeitig hat die Feuerwehr meist zu wenig Geld und nicht genug Personal. Manchen fehlt die Unterstützung ihrer Kommunalregierung. Aber dennoch – sie alle müssen Feuer löschen.

Städte verschiedener Kontinente können voneinander lernen und Fortbildung am konkreten Fall praktizieren. Ein gutes Beispiel sind Hamburg und Dar es Salaam in Tansania. Junge Feuerwehrmänner aus Tansania werden regelmäßig nach Hamburg zur Fortbildung eingeladen und teilen ihr Wissen bezüglich Technologie und praktischer Erfahrungen.

Diese Partnerschaft ist eines von vielen Beispielen erfolgreicher Kooperation zwischen Kommunalregierungen. Weltweit stehen Städte vor den gleichen Herausforderungen: Sie müssen funktionierende Abwassersysteme, sicheres Trinkwasser und Stromversorgung bereitstellen. Sie müssen den öffentlichen Transport gewährleisten und Straßen bauen, und sie müssen für eine wachsende Zahl von Stadtbewohnern Arbeitsplätze schaffen.

 

Umzug in die Städte

In dem Maße wie die Weltbevölkerung zunimmt und Ressourcen knapper werden, ziehen viele Menschen in die Stadt, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der globale Trend zur Urbanisation ist markant, sagt Abdullah Baqui von der Johns Hopkins Universität in den USA: „1950 lebte nur 30 Prozent der Weltbevölkerung im urbanen Raum; 2007 waren es schon 50 Prozent." Die Hochrechnungen erwarten 60 Prozent im Jahr 2030.

Die Skala der Urbanisierung ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich. Im Jahr 2030 werden laut Baqui 54 Prozent aller Stadtbewohner in Asien leben. Dennoch sind es die afrikanischen Länder, die zurzeit am schnellsten urbanisiert werden. Vor allem Kleinstädte wachsen unverhältnismäßig schnell. Megastädte haben mehr Geld, aber auch sie kommen kaum zu Rande. Die Kleinstädte jedoch sind völlig überfordert mit den Bedürfnissen der neu zugezogenen Landbewohner, erklärt Baqui.

Ende Oktober lud die Servicestelle Kommunen in der einen Welt von ENGAGEMENT GLOBAL zur zweiten deutschlandweiten Konferenz zu „Kommunale Partnerschaften mit Afrika" in Hamburg ein. Anwesend war eine große Delegation aus Hamburgs Partnerstadt Dar es Salaam.

 

Visionen und Alltag

Kommunen sehen sich heutzutage in der Rolle, „gesellschaftliche Visionen zu entwickeln und Demokratie im Alltag umzusetzen", sagt Anita Reddy von ENGAGEMENT GLOBAL. Dies ist keine einfache Aufgabe angesichts finanzieller Beschränkungen und enormer Anforderungen.

„Die Zukunft der Erde ist urban", behauptet Jean-Pierre Elong Mbassi aus Kamerun. Er ist Generalsekretär der afrikanischen Sektion von „United Cities and Local Governments" (UCLG). Laut Mbassi bedeutet „wachsende Urbanisierung hauptsächlich wachsende Slums in Afrika". Er nennt erschreckende Zahlen: Nur 20 Prozent der Stadtbewohner in Afrika haben Zugang zu Elektrizität, nur 30 Prozent zum Abwassersystem und lediglich 45 Prozent haben Trinkwasser.

Die Gründe sind struktureller Natur, sagt Mbassi, und führt folgende an:

  • Nationale Regierungen haben nur geringes Interesse an Urbanisierung.
  • Die Dezentralisierung politischer Macht steht still oder verläuft stockend.
  • Informelle Problemlösungen werden reguliert und sanktioniert.
  • Zivilgesellschaften sind fragmentiert.
  • Ökonomien sind klein und verzerrt.
  • Es gibt nur wenige Steuereinnahmen.

Mbassi zufolge werden diese Probleme noch schlimmer, weil sich die afrikanischen Länder in einer globalisierten Welt behaupten müssen, ohne dass sie die internationalen Regeln mitbestimmen könnten. Afrikas urbane Zentren müssten eigentlich Knotenpunkte der Entwicklung sein; sie sind jedoch völlig überlastet.

Slumbewohner sind die Leidtragenden dieser Fehlentwicklung großen Stils. Glücklicherweise melden sie sich zunehmend zu Wort. Die Organisation „Shack/Slum Dwellers International" (SDI) vernetzt arme urbane Kommunen aus Städten im globalen Süden, die erfolgreich Leute mobilisieren und Probleme lösen. Die Organisation bildet Partnerschaften mit diesen Städten.

Dieser Ansatz hat sich als sehr hilfreich erwiesen, um dringende Probleme in den Slums gemeinsam mit den Betroffenen zu lösen. Hier gibt es keine „Juniorpartner", sondern alle bewegen sich auf Augenhöhe, betont Didas Massaburi, Bürgermeister von Dar es Salaam. Seiner Meinung nach können Politiker die dringlichen Probleme nur zusammen mit der Bevölkerung lösen.

Kommunen haben neuerdings zunehmend mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Dies betrifft vor allem Küstenstädte, die mit einem steigenden Meeresspiegel rechnen müssen. Günter Nooke, Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, schlägt als Lösung vor, neue Städte zu gründen, die vor Überflutung sicher sind. Dies sei besser, als immer mehr Flüchtlingslager für Menschen aufzumachen, die wegen Hochwasser aus den Städten fliehen.

Kommunale Partnerschaften sind nicht nur nützlich für Städte in Entwicklungsländern. Der Norden kann auch vom Süden lernen. Die brasilianische Stadt Porto Alegre beispielsweise war die erste der Welt, die im Jahr 1989 einen Bürgerhaushalt einführte. Dieser Ansatz wurde später von vielen Kommunen in reichen Nationen kopiert (siehe Interview mit Giovanni Allegretti in D+C/E+Z 2013/03, S. 119 ff.). Und in jüngster Zeit haben Kommunalbeamte aus den Kap Verden den krisengebeutelten Einwohnern portugiesischer Städte beigebracht, wie man urbane Agrikultur betreibt.

Sheila Mysorekar

 

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