Mikrofinanzwesen

Innovationen in Sikasso

Im Süden Malis haben mehrere Partner – darunter ein lokales Mikrofinanznetzwerk, Regierungsagenturen und internationale Unterstützer – eine Krankenversicherung eingerichtet. Ab Ende 2013 soll sie Gewinn einbringen. Dank staatlicher Unterstützung könnte das tatsächlich gelingen. Am schwierigsten ist es, der Landbevölkerung den Nutzen solcher Versicherungen klarzumachen.


[ Von Maxime Prud’Homme und Bakary Traoré ]

2007 nahm die „Wechselseitige Regionalkrankenversicherung von Sikasso“ – MUSARS (Mutuelle de santé régionale des Sikasso) – ihre Arbeit auf. 2009 lebten in Sikasso etwa 2,6 Millionen Menschen. Diese ländliche Region, in der vor allem Baumwolle angebaut wird, gilt hinsichtlich der kooperativen Krankenversicherung als führend in Mali.

Für Angestellte im öffentlichen Dienst und Lehrer etwa gibt es einige wechselseitige Versicherungs­sys­teme auf Dorfebene – allerdings auch erst 91 in ganz Mali. Obwohl die Dinge in den vergangenen Jahren Schwung gewonnen haben, sind bisher nur etwa 215 000 Menschen über diese Systeme versichert.

Eine neue Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigte, dass nur sehr wenige Menschen in Mali krankenversichert sind. In anderen afrikanischen Ländern – abgesehen von Südafrika – ist es nicht anders. In Mali verfügen 2,6 Prozent der Bevölkerung über irgendeine Art von Versicherung und davon nur 1,9 Prozent über eine Krankenversicherung. Die Ärmsten der Armen haben gar nichts.

Notwendigkeit zu expandieren

Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass das in Mali übliche Modell der „mikrokooperativen Dorfgesundheit“ kaum langfristig funktionieren wird. Darin sind sich alle wichtigen Akteure einig. Die Leistungsfähigkeit solcher Mikromodelle mit nur ein paar hundert Versicherten ist schlicht zu begrenzt – sie bringen einfach nicht das für eine vollwertige professionelle Gesundheitsversorgung nötige Geld auf.

Auf der Suche nach einem innovativeren und praktikableren Modell beschlossen Partner aus Mali, Frankreich und Kanada, MUSARS als Projekt für eine ganze Region anzulegen. In den kommenden sieben Jahren soll ganz Sikasso abgedeckt werden. Es wird erwartet, dass MUSARS Ende 2013 mit 46 000 Versicherten schwarze Zahlen schreibt. 2005 wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, 2007 kam MUSARS auf den Markt. Zu den beteiligten Partnern gehören:
– die Technische Union der malischen Mutualités (UTM): eine Dachorganisation von mehr als 70 kooperativen Gesundheitsversicherungen. Seit ihrer Gründung im April 1998 hat sie im Auftrag des Staates landesweit die kooperative Gesundheitsversorgung vorangetrieben und ausgeweitet.
– Kafo Jiginew ist ein Mikrofinanznetzwerk mit mehr als 272 000 Mitgliedern – der Hauptzielgruppe von MUSARS. Die Führungskräfte von Kafo Jiginew hatten die Idee, MUSARS aufzubauen, um für ihre Mitglieder eine Krankenversicherung zu haben.
– Die Nationale Direktion für Soziale Sicherheit und wirtschaftliche Solidarität (DNPSES) ist Teil des Ministeriums für soziale Entwicklung, Solidarität und Senioren (MDSSPA). DNPSES ist dafür verantwortlich, kooperative Gesundheitsversorgung in Mali zu fördern und zu regulieren.
– Die französische Kooperative Versicherung für Handel und Industrie – Mutuelle Assurance des Commerçants et Industriels de France (MACIF) – unterstützt MUSARS technisch und finanziell.
– Die Gesellschaft für Zusammenarbeit bei der internationalen Entwicklung (SOCODEVI) ist ein Netzwerk kanadischer Kooperativen, die technisches Wissen mit Partnern in Entwicklungsländern teilen. SOCODEVIs Bemühungen werden von der Kanadischen Internationalen Entwicklungsagentur – Canadian International Development Agency (CIDA) – finanziert.
– SSQ ist eine kanadische Finanz- und Versicherungsgruppe und Mitglied von SOCODEVI. Diese Firma hat besonders zur Entwicklung von MUSARS beigetragen.

MUSARS hat sich folgenden Prinzipien verpflichtet, um tragfähig zu werden:
– Malis Gesundheitswesen muss professioneller werden. MUSARS kann mit stimmigen Versicherungen und Verfahren dazu beitragen, Kapazitäten in diesem Sektor aufzubauen.
– Kooperation muss geschaffen und gestärkt, lokale Kapazitäten gefördert werden, also müssen die Kompetenzen von Kafo Jiginew und UTM genutzt werden.
– Soweit möglich, wird Kafo Jiginew die Prämien automatisch von den Sparkonten der Klienten einziehen. In Mali ist so etwas bisher nicht üblich.
– Um schneller zu wachsen, steht MUSRS Fusionen mit anderen kooperativen Gesundheitsversicherungen in der Region aufgeschlossen gegenüber.

MUSARS wurde in ökonomisch schwierigen Zeiten gegründet. Über Jahre hinweg war der Baumwollpreis sehr niedrig und die Einkommen der Bauern brachen um die Hälfte ein. Zugleich schossen die Preise von Lebensmitteln und anderen wichtigen Gütern in die Höhe. Derzeit herrscht außerdem große Unsicherheit bei den Bauern in Sikasso, weil das bisher staatliche Textilentwicklungsunternehmen Compagnie Malienne du Développement des Textiles (CMDT) privatisiert wird.

Krankenversicherungen unter die Leute bringen

Die schlechte ökonomische Lage macht es für MUSARS schwer, Krankenversicherungen zu verkaufen. Zudem versteht die Öffentlichkeit nicht, wie Versicherungen funktionieren. Kein Wunder – bisher gab es so etwas in Mali nicht. Zudem konsultiert die Landbevölkerung zuerst traditionelle Heiler – aus Glaube und Armut. MUSARS fällt es deshalb sehr schwer, Menschen vom Nutzen von Versicherungen zu überzeugen. Diesbezüglich unterscheidet sich Mali nicht von vielen anderen Orten der Welt.

Neue Versicherungskunden zu akquirieren ist für Personal und Management von MUSARS harte Arbeit. Sogar die Vorstandsmitglieder von MUSARS müssen noch einiges lernen.

Angesichts dieser Hürden revidierten die Partner, die MUSARS aufgebaut haben, ihre Prognosen sehr schnell. Es ist einfach unmöglich, die vorgesehene Anzahl an Policen zu verkaufen. Ursprünglich sollte MUSARS Ende 2011 schwarze Zahlen schreiben. Inzwischen wurde als viel realistischeres Ziel 2013 gewählt.

Die Versicherungsprämie kostet umgerechnet 58 Eurocent pro Monat für die Landbevölkerung und 70 Eurocent für Stadtbewohner. MUSARS macht zur Bedingung, dass alle Mitglieder eines Hauhaltes versichert sind, um selektiven Versicherungsschutz zu verhindern. Malische Haushalte bestehen aus vielen Personen, da das Konzept der Großfamilie vorherrscht. Zu einem einzigen Haushalt können über ein Duzend Menschen gehören.

MUSARS führte im August 2009 eine Umfrage zur Kundenzufriedenheit durch. Dabei zeigte sich, dass Familien mit geringem Einkommen die Raten akzeptabel und angemessen finden. Das so mobilisierte Geld reicht aus, um alle Gesundheitsrisiken, auch gravierende, abzudecken. Daher können die Beiträge aber auch nicht gesenkt werden – obwohl das helfen könnte, mehr Versicherungen zu verkaufen.

Dennoch besteht Hoffnung, dass bald deutlich mehr Menschen versichert sein werden. Die Regierung wird die Versicherungsprämien bezuschussen (siehe Kasten). MUSARS hat einen Vertrag mit MDSSPA geschlossen und kann von den staatlichen Zuschüssen profitieren. Wahrscheinlich wird das zum langfristigen Erfolg von MUSARS beitragen.

Mehr Menschen erreichen

Trotz aller Probleme ist MUSARS, was die Anzahl der Mitglieder betrifft, bereits der zweitgrößte wechselseitige Gesundheitsversorgungsdienst in der Region Sikasso. Und er ist auf dem besten Weg dazu, der größte zu werden. Projektpartner und MUSARS-Management arbeiten daran, mehr Menschen zu erreichen. Dazu muss Bewusstsein geschaffen und den Menschen erklärt werden, wie eine Versicherung funktioniert.

Zweifellos wäre es gut, die Zielgruppe besser zu kennen. Es ist entscheidend, zu verstehen, wie Familien funktionieren und wer wann und welche Entscheidung über Gesundheitsangelegenheiten trifft.

Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime, Polygamie ist erlaubt. Zu einer Großfamilie gehören daher unter Umständen – neben dem Familienoberhaupt – seine Frauen und Kinder, aber auch die Enkel und Frauen seiner Söhne, die nach der Heirat im Haus geblieben sind. Letztlich entscheidet der Patriarch, im Alltag ist es aber die Aufgabe der Frauen, sich darum zu kümmern, dass die Kinder gesund sind. Gesundheitsversorgungsdienste und Produkte, die das berücksichtigen, wären vermutlich erfolgreicher als solche, die auf westlichen Modellen basieren. Relevante Themen sind neben der Gesundheitsversorgung auch Prävention, Erziehung und Zahlungsmöglichkeiten.

MUSARS ist daran, neue Ideen zu entwickeln. Ein neuer Ansatz ist es, Baumwollbauern die Möglichkeit zu geben, ihren Jahresbeitrag auf einen Schlag zu zahlen, wenn sie ihre Ernte verkauft haben. Auch ein Rabatt von 10 Prozent für MUSARS-Kunden und Mitglieder von Kafo Jiginew, deren Monatsbeitrag von ihren Konten abgebucht wird, wird erwogen.

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