Mensch-Tier-Gesundheit

Erst stirbt das Tier, dann der Mensch

Mehr als 780 Millionen Menschen haben kein sauberes Wasser zur Verfügung, und 2,5 Milliarden Menschen fehlt es an ausreichender Sanitärversorgung. Dabei ist der Zugang zu beidem unabdingbar für die Gesundheit aller Menschen. Auch Tiere brauchen Wasser, und in dem engen Zusammenspiel von Mensch und Tier, das nach wie vor in einem Großteil des ländlichen Raumes dieser Welt vorherrscht, sind die Verflechtungen von Wasser und Mensch-Tier-Gesundheit offensichtlich.
Im ländlichen Afrika leben viele Menschen eng mit ihren Tieren zusammen. Hirten in Äthiopien. Heine Im ländlichen Afrika leben viele Menschen eng mit ihren Tieren zusammen. Hirten in Äthiopien.

Am Horn von Afrika leben viele Millionen Menschen, die sich den großen Herausforderungen von Dürre und Wassermangel stellen müssen – gemeinsam mit ihren Tieren. Mehr als 20 Millionen Menschen sind dort Wanderviehirten, auch Pastoralisten genannt. Denn Ackerbau ist in den wüsten- und halbwüstenartigen Gegenden kaum möglich. Diese Menschen haben keinen festen Wohnsitz, sondern ziehen mit ihren Tieren auf der Suche nach Wasser und Weidegründen umher. Am Horn von Afrika sind das vor allem Kamele, Rinder, Ziegen und Schafe.

Wasserquellen sind Dreh- und Angelpunkt der nomadischen Lebensweise. Sterben die Tiere aufgrund von Wassermangel, ist gleichzeitig die Existenz der von ihnen abhängigen Menschen bedroht. Die jüngste Dürre am Horn von Afrika zeigt deutlich: Erst sterben die Tiere, dann die Menschen.

Relevant ist jedoch nicht nur der Tod von Tieren durch Verdursten. Chronischer Wassermangel und die damit verbundenen Auswirkungen setzen dem Immunsystem zu. Denn wo Wasser knapp ist, gibt es auch schnell kein Weideland mehr, und so sind die Tiere nach einiger Zeit schwach und unterernährt. Parasiten und Infektionskrankheiten haben dann leichtes Spiel. Zudem breiten sich die Krankmacher schneller als sonst üblich von Tier zu Tier aus, da das Gedränge der Tiere an den wenigen noch verfügbaren Wasserstellen stark zunimmt. Eine weitere Auswirkung von Wassermangel ist, dass die Tiere weniger Milch geben, denn das kostet den Körper viel Energie. Somit geht den Menschen eine wichtige Ernährungsgrundlage verloren. Vor allem Kinder unter fünf Jahren sind auf die nahrhafte und vitaminreiche Ziegen- oder Kamelmilch angewiesen.

Auch beim Menschen gibt es Erkrankungen, die typisch für Gegenden mit Wassernot sind, zum Beispiel das Trachom, eine durch Bakterien verursachte Augenkrankheit (siehe E+Z/D+C e-Paper 2017/06). Weltweit sind fast 2 Millionen Menschen aufgrund eines Trachoms erblindet. Es ist weltweit die verbreitetste ansteckende Ursache von Blindheit. Übertragen wird die Krankheit unter anderem durch mangelnde Hygiene, zum Beispiel durch das Nutzen verschmutzter Handtücher durch mehrere Menschen, was oft mit Wassermangel in Verbindung steht.

Fliegen übertragen die Krankheit ebenfalls, und diese halten sich oft in der Nähe von Tieren auf. Daher kann es sinnvoll sein, getrennte Wasserstellen für Menschen und Tiere zu haben.


Veränderte Umweltbedingungen

Ausbleibender Regen oder starke Stürme mit Überschwemmungen führen zu veränderten Umweltbedingungen. Hierdurch steigt mancherorts für Menschen und Tiere das Risiko, an bestimmten Krankheiten zu erkranken. So kann ein durch Wassermangel karger, wenig Nahrung bietender Boden unter Umständen Gefahren bergen: Auf der Suche nach den letzten Halmen grasen die Tiere näher am Boden und scharren mit den Hufen die Erdkruste auf. Hier kann eine tödliche Gefahr lauern: Anthrax.

Die Substanz, auch Milzbrand genannt, ist unter anderem durch die Anschlägen in den USA im Jahr 2001 bekannt, als mehrere Briefe mit Milzbrandsporen an Nachrichtensender und Senatoren verschickt wurden. Das Bakterium Bacillus Anthracis produziert ein hochgiftiges Toxin und ist somit als Biowaffe verwendbar. Tiere, die sich mit dem Erreger infizieren, sterben typischerweise einen plötzlichen Tod ohne vorhergehende erkennbare Symptome. Gefährlich für den Tierhalter wird es, wenn er versucht, den Tierkörper zu verwerten, also etwa die Häute zur Ledergewinnung zu nutzen. Die Ansteckungsgefahr mit Milzbrand ist sehr hoch, denn Anthrax gehört zu den Zoonosen, ist also eine vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheit.

Das Wissen um die Rolle von Wasser als Lebensspender, aber auch als potenzielles Sammelbecken von Erregern, die Menschen und Tiere gleicherweise befallen können, ist unabdingbar im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes zur Erkennung von gesundheitlichen Risiken, die das Zusammenleben von Mensch und Tier mit sich bringt. Man denke hier nicht nur an die weltweit zirka 500 Millionen Wanderviehhalter, sondern auch an die Millionen Kleinbaubauern und Hinterhoftierhalter, die eng mit ihren Tieren zusammenleben.

Ein Einzeller, der für Menschen und Tiere gefährlich ist und durch von Fäkalien verunreinigtes Wasser übertragen wird, ist beispielsweise Cryptosporidium parvum. Die durch ihn hervorgerufene Erkrankung, die sich in wässrigem Durchfall und Magenkrämpfen äußert, wird als Kryptosporidiose bezeichnet. Problematisch ist sie vor allem bei Säuglingen und immunsupprimierten Personen. Bei Aidskranken kann der parasitisch lebende Einzeller zum Tode führen. Gemeinsam genutzte Wasserstellen von Menschen und Tieren sind unter anderem in Ostafrika eine Möglichkeit der Krankheitsübertragung, wenn Kinder in den verschmutzten Pfützen spielen oder aber es zu einem Eintrag von Fäkalien ins Grundwasser kommt.

Auch der in Wasser oder Schlamm vermischte Urin von Tieren kann gefährliche Infektionen verbreiten, zum Beispiel die Leptospirose. Leptospiren sind korkenzieherartig geformte, bewegliche Bakterien. Die Erreger gelangen über den Urin infizierter Säugetiere (Ratten, Hunde, Mäuse, Schweine) in die Umwelt. Obwohl prinzipiell jedes Säugetier mit Leptospiren infiziert werden kann, kommt Kleinsäugern – insbesondere Nagetieren – weltweit die größte Bedeutung zu.

Die den Erreger in sich tragenden Tiere erkranken in der Regel nicht an einer Leptospirose, scheiden jedoch den Keim zum Teil lebenslang im Urin aus. Durch kleine Hautverletzungen oder über die Schleimhaut kann sich der Mensch infizieren. Oftmals geschieht dies durch verunreinigtes Wasser oder Schlamm. Die Krankheit kann mild und grippeähnlich verlaufen. Es gibt aber auch schwere Verläufe mit Gelbsucht, Nierenversagen oder Hirnhautentzündung. Zwei bis zehn Prozent der unbehandelten Fälle enden tödlich.

Ein enges Zusammenleben von Mensch und Tier oder unhygienische Bedingungen, die das Auftreten von Nagern begünstigen, fördern das Auftreten dieser Zoonose. Nach plötzlichen starken Regenfällen, gefolgt von Überschwemmungen und Schlammbildung, kann es ebenfalls gehäuft zu Erkrankungen kommen. Leptospirose ist eine klassische Erkrankung nach Naturkatastrophen und sollte allen Gesundheitsfachkräften ein Begriff sein, die im Bereich Wasser und Sanitär in der humanitären Hilfe in Notunterkünften arbeiten.Ein integrierter Projektansatz im Sinne von One Health, also der Berücksichtigung von Mensch, Tier und Umwelt, ist dem Verein Tierärzte ohne Grenzen schon lange ein Anliegen. Die Nichtregierungsorganisation führt Projekte in Ostafrika durch. Zielgruppe sind Menschen, deren Existenzgrundlage von der Tierhaltung abhängt. Der Verein arbeitet unter anderem in den Bereichen Ernährungssicherung, Tiergesundheit, Dürreprävention, Landwirtschaft sowie Wasser- und Sanitärversorgung.

Ein Projektgebiet ist die Afar-Region Äthiopiens. Mit Temperaturen, die 50 Grad überschreiten können, ist diese Halbwüstenregion der Größe Irlands einer der heißesten Orte der Erde. Ziel der Projekte ist es, die Versorgung der Bevölkerung sowie der Tiere mit Wasser sicherzustellen. Das geschieht zum Beispiel durch die Instandsetzung von Wasserstellen und den Bau von Wasserauffangbecken und Bodenschutzmaßnahmen, um die Feuchtigkeit länger in der Erde zu halten. Aber auch Hygieneaufklärung und das Abgrenzen von Wasserstellen in Bereiche für Menschen und Tiere fallen darunter.


Cornelia Heine ist Referentin für internationale Tiergesundheit und Pastoralismus bei Tierärzte ohne Grenzen e. V.
cornelia.heine@togev.de

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