Kriminalität

Für Kriminelle sind Arzneimittelfälschungen sehr lohnend

Eine aktuelle Studie zum Handel mit Arzneimittelfälschungen geht von hohen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sogar ökologischen Folgen bei gefälschten Medika­menten aus. Die Fälschungen seien aufgrund hoher Gewinne und geringer Risiken für kriminelle Organisationen attraktiv. Höhere Strafen für die Fälscher könnten ein wirksameres Mittel zur Bekämpfung sein.
Vom deutschen Zoll beschlagnahmte illegale und gefälschte Medikamente. picture-alliance/Ulrich Baumgarten/Susanne Baumgarten Vom deutschen Zoll beschlagnahmte illegale und gefälschte Medikamente.

Gefälschte Taschen, Uhren oder Schuhe sind ein Ärgernis für Hersteller, deren Produkte kopiert werden. Der Schaden für die Konsumenten ist jedoch gering. Anders sehe es beim Handel mit Arzneimittelfälschungen aus, deren Einnahme ein gesundheitliches Risiko für die Patienten berge. Im schlimmsten Fall könne die Einnahme von gefälschten Medikamenten sogar tödlich sein, warnt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD) und des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (European Union Intellectual Property Office – EUIPO).

In der Anfang 2020 veröffentlichten Analyse haben die Autoren Ausmaß und Umfang der bislang wenig erforschten Arzneimittelfälschungen genauer unter die Lupe genommen. Doch was genau sind Arzneimittelfälschungen? Die Studie schließt sich einer gängigen Definition an. Demnach sind Arzneimittelfälschungen Medikamente, die falsche Angaben über ihre Zusammensetzung oder Herkunft machen. So können Inhaltsstoffe von den Angaben auf der Verpackung abweichen oder anders dosiert als angegeben sein. Im Gegensatz zu Generika wirken die gefälschten Medikamente also nicht unbedingt wie das Original. Generika sind legale Nachahmerpräparate, deren Wirkstoffe identisch mit einem Originalpräparat sind.

Laut den Autoren sterben jährlich zwischen 72 000 und 169 000 Kinder an Lungenentzündungen und über 100 000 Menschen an Malaria, weil sie mit gefälschten Medikamenten therapiert werden. Die Patienten sind größtenteils ahnungslos und erkennen die Produktfälschungen nicht.

Auch Umweltschäden durch die nicht fachgemäße Entsorgung von chemischen Substanzen oder soziale Schäden wie der Wegfall von Arbeitsplätzen in der Pharmaindustrie gehören der Studie zufolge zu den Auswirkungen der Fälschungen.

Die Autoren nennen unterschiedliche Ursachen für die Arzneimittelfälschungen. Zum einen sind die Gewinnmargen bei den gefälschten Medikamenten hoch. Der amerikanische Pharmaproduzent Pfizer rechnete beispielsweise aus, dass die Herstellung eines Kilogramms Heroin teurer und weniger gewinnbringend ist, als die Fälschung der gleichen Menge von Viagra. Fälschungen sind für kriminelle Organisationen also ein lukrativer Markt mit Wachstumspotenzial. Derzeit befinden sie sich laut OECD/EUIPO bereits auf Platz zehn der am häufigsten gefälschten Güter.

Eine weitere Ursache für die Attraktivität des Handels mit gefälschten Arzneien sind laut der Studie der wachsende Onlinehandel, der Kriminellen einen einfachen Zugang bietet, um gefälschte Arzneien an Zwischenhändler zu verkaufen. Gut gefälschte Verpackungen seien für die Konsumenten nur schwierig vom Original zu unterscheiden.

Als bedeutendste Ursprungsländer der Arzneimittelfälschungen nennt die OECD/EUIPO-Studie Indien und China, während Singapur und Hongkong als die wichtigsten Transitländer gelten. Von dort gelangen die Medikamente meist per Post und in eher kleineren Paketen nach Afrika, Europa oder in die USA. Der Versand in kleineren Mengen mache es für die Fahnder schwieriger die Pakete zu entdecken.

Die Autoren haben berechnet, dass die Fälscher allein 2016 mit ihren Produkten bereits über vier Milliarden US-Dollar im internationalen Handel umsetzen konnten. Dies schade vor allem Pharmakonzernen in den USA und Europa, die die größten Hersteller von Pharmaka sind. Für die gesamte Branche mache der Handel mit gefälschten Medikamenten aber immer noch einen marginalen Anteil von unter einem Prozent der importierten pharmazeutischen Produkte aus.

Internationale Organisationen wie Interpol versuchten bereits mit gezielten Aktionen, die kriminellen Organisationen aufzuspüren. Laut OECD/EUIPO wäre es zudem ein wichtiger Hebel, die Strafen für Fälscher zu erhöhen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. In den meisten Ländern werde der Handel mit Arzneimittelfälschungen wesentlich schwächer als der Drogenhandel geahndet.


Link
OECD/EUIPO, 2020: Trade in counterfeit pharmaceutical products.
https://doi.org/10.1787/a7c7e054-en


Linda Engel ist freie Journalistin.
lindaengel@gmx.de

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