Niedrigeinkommensländer

Verschuldung verhindern

Infolge der Finanzkrise werden sich Entwicklungsländer wieder stärker verschulden. Durch geringes Wachstum in Industrieländern und der damit sinkenden Nachfrage werden Exporte und Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer zurückgehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2009 um minus 1,1 Prozent sinken wird, in den Industrieländern sogar um minus 3,4 Prozent. Für Subsahara-Afrika prognostiziert der IWF einen Rückgang des Wachstums von 5,5 Prozent im Jahr 2008 auf 1,2 Prozent in diesem Jahr. Zudem gehen in vielen armen Ländern die Exportwerte wegen der sinkenden Rohstoffpreise zurück, da sie meist vor allem Rohstoffe ausführen. Damit sinken auch die Steuereinnahmen. Viele dieser Länder haben nicht den finanziellen Spielraum, die Auswirkungen der Krise abzufedern, und sind auf externe Hilfe angewiesen.


[ Von Kathrin Berensmann ]

Nach den jüngsten Schuldentragfähigkeitsanalysen des IWF sind etwa ein Drittel der Niedrigeinkommensländer hoch verschuldet. Das gilt auch für einige Länder, die bereits im Rahmen der HeavilyIndebted-Poor-Countries-(HIPC-)Initiative und der Multilateral-Debt-Relief-Initiative einen um­fangreichen Schuldenerlass erhalten haben, wie Burkina Faso, Burundi, Gambia, Haiti sowie Sao Tomé und Prin­cipe. Aktuelle Simulationen des IWF und der Weltbank deuten zudem darauf hin, dass weitere fünf graduierte HIPC-Länder Gefahr laufen, in eine Schuldenfalle zu tappen.

Um das zu verhindern, müssen zwei gegensätzliche Ziele erreicht werden: Auf der einen Seite sollen die Geber die Finanzierungslücke mit neuen Mitteln (Kredite und Zuschüsse) schließen. Aber auf der anderen Seite soll Schuldentragfähigkeit in den ärmsten Ländern gewährleistet werden.

Schuldentragfähigkeit in den ärmsten Ländern zu garantieren bedeutet vor allem prudent lending und borrowing – hoch konzessionäre Kredite müssen also gewährt werden. Wegen der angespannten Finanzlage in den Industrieländern sind Zuschüsse nur begrenzt möglich. Zudem bedarf es einer engen Beobachtung der Verschuldungssituation in den ärmsten Ländern.

Von den multilateralen Gebern haben insbesondere die Bretton-Woods-Institutionen, der IWF und die Weltbank schnell auf die Krise reagiert. Der IWF hat seine konzessionären Kredite bis 2014 auf 17 Milliarden Dollar erhöht. Zudem erlässt der IWF al­len Niedrigeinkommensländern Zinszahlungen für ausstehende konzessionäre Kredite bis Ende 2011.

Das bisherige Instrumentarium des IWF hatte bis zu seiner Reform einige Schwächen bei der Bewältigung der aktuellen Finanzkrise. Es fehlte eine flexible Finanzierungsfazilität, die kurzfristig und zu konzessionären Bedingungen verfügbar war, sowie ein Notkredit. Diese Reform der Finanzierungsfazilitäten ist viel versprechend. Denn die Schwachstellen des bisherigen Instrumentenkastens des Fonds werden damit behoben.

Auch die Weltbank hat ihre Instrumente an die neue Situation angepasst und begonnen, einen Teil der IDA-Mittel – zwei Milliarden Dollar – vorzeitig auszuzahlen. Das Gesamtvolumen von IDA-15 – 42 Milliarden Dollar – wird jedoch nicht erhöht.

Außerdem hat Weltbankpräsident Robert Zoellick auf dem letzten G20-Treffen in Pittsburgh für die Entwicklungsländer eine so genannte „Crisis Response Facility“ vorgeschlagen. Diese soll schnell und effektiv Finanzmittel für Niedrigeinkommensländer bereitstellen und eine permanente Fazilität von IDA werden.

Wichtig zur Beobachtung und Analyse der Verschuldungslage ist auch das so genannte Debt Sustainability Framework des IWF und der Weltbank. Dieses Rahmenwerk soll im Voraus anzeigen, wenn die Verschuldungslage in einem Entwicklungsland kritisch ist. Gläubiger und Schuldner können es dann als Orientierung für die Aufnahme zukünftiger Kredite heranziehen.

Absorption von exogenen Schocks

Die aktuelle Finanzkrise hat wieder gezeigt, dass geeignete Instrumente Schocks absorbieren können und daher flexibel und antizyklisch sein sollten. Die Agence Française de Développement will seit zwei Jahren in Niedrigeinkommensländern mit einem innovativen Finanzierungsinstrument – dem Counter Cyclical Loan – eine hohe Verschuldung verhindern, indem sie die Zahlungsbedingungen an die Entwicklung der Exporte eines Landes knüpft. Es ist empirisch erwiesen, dass Verschuldungskrisen in Niedrigeinkommensländern wesentlich durch Einbrüche von Exporterlösen mitverursacht werden. Um nicht die antizyklische Wirkung des Instruments zu gefährden, müssen die Exportdaten rechtzeitig verfügbar sein.

Innovative Anwendung von Debt Swaps

Auch Debt Swaps (Schuldenumwandlung) können Verschuldung verhindern und bewältigen. Schuldenumwandlung bedeutet, dass Auslandsschulden erlassen, aber teils in inländischer Wäh­rung für festgelegte entwicklungspolitische Zwecke verwendet werden. Die Bundesregierung hat von 1993 bis 2008 1,36 Milliarden Euro für Schuldenumwandlungen in 19 Ländern zugesagt. Der Vorteil dabei ist, dass zusätzliche Mittel in inländischer Währung für entwicklungspolitische Zwecke mobilisiert werden können.

Innovativ können die Debt Swaps im Rahmen einer dreiseitigen Vereinbarung angewendet werden. Das Bundesminis­terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat Indonesien 50 Millionen Euro und Pakistan 40 Millionen Euro Forderungen aus der FZ erlassen. Indonesien und Pakistan haben je die Hälfte des Schulenerlasses in den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria eingezahlt. Dieser Fonds hat geregelte Evaluierungsmechanismen; somit ist es einfacher zu prüfen, ob die Regierung des Partnerlandes solche Investitionen auch ohne Debt Swaps durchgeführt hätte. Wie beim Counter Cyclical Loan ist die Wirkung der Debt Swaps einzelner Geber auf die gesamte Verschuldung zwar gering, aber die Schuldensituation wird verbessert.

Im Zuge der aktuellen Finanzkrise hat der Generalsekretär der UNCTAD, Supachai Panitchpakdi, eine Stundung der Schuldendienstleistungen für öffentliche Kredite (Moratorium) für alle Niedrigeinkommensländer zur kurzfristigen Reduzierung der Schulden vorgeschlagen. So gewinnt der Schuldner Zeit, seine Liquidität zu verbessern. Auf der anderen Seite verletzt ein Moratorium die fundamentalen Prinzipien eines Vertrages, nämlich die Einhaltung der Vertragsbedingungen. Zudem besteht die Gefahr eines Moral-Hazard-Verhaltens der Schuldner. Daher kann ein Moratorium nur eine Notlösung für Ausnahmefälle sein, sollte aber nicht pauschal für alle Entwicklungsländer angewendet werden.

Darüber hinaus ist auch ein internationales Insolvenzrechtverfahren für Staaten wichtig, um Verschuldungskrisen in Nied­rigeinkommensländern zu bewältigen. Dabei werden Auslandsschulden nach bestimmten Regeln durch eine Mehrheitsentscheidung von Gläubigern gegenüber Minderheiten umgeschuldet. Ein wichtiger Grund für die Einführung eines internationalen Insolvenzrechtverfahrens ist, dass ad hoc organisierte und damit ungeregelte sowie langwierige Prozesse derzeit keine schnelle Umschuldung ermöglichen, wie etwa in Argentinien. Das ist für Gläubiger wie für Schuldner kostspielig.

Verantwortung der Partnerländer

Nicht zuletzt spielen die Partnerländer selbst bei der Verhinderung und Bewältigung einer Verschuldungskrise eine wichtige Rolle. Um die Finanzlücke zu schließen, müssen sie die inländischen Ressourcen besser mobilisieren. Inländische Ersparnisse müssen generiert und für produktive Investitionen genutzt werden. Dafür sind der öffentliche und der Privatsektor maßgeblich. Der öffentliche Sektor mobilisiert inländische Ressourcen durch Steuern und öffentliche Einnahmen, wie etwa durch Investitionen. Der private Sektor mobilisiert Ersparnisse von Haushalten und Unternehmen durch Finanzintermediäre – wie etwa Banken – die diese Ressourcen in produktive Investitionen lenken sollen. Ebenso wichtig ist ein verantwortliches und vorausschauendes Debt-Management in den Partnerländern.

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