Internationale Beziehungen

Afrikas Verantwortung für Klimagerechtigkeit

Länder mit niedrigen Einkommen leiden unter Klimafolgen. Afrikanische Eliten machen dafür die reiche Welt verantwortlich, müssen aber auch ihre eigenen Entscheidungen kritisch hinterfragen.
Fischerboote vor dem Containerhafen von Togos Hauptstadt Lomé. picture-alliance/Godong/Fred de Noyelle Fischerboote vor dem Containerhafen von Togos Hauptstadt Lomé.

Die kilometerlangen Strände Togos wurden einst von europäischen Touristen geschätzt, bieten aber heute ein trauriges Bild. Die In­frastruktur ist heruntergekommen, Gebäude fallen zunehmend dem Meer zum Opfer. Die Erosion lässt auch den Fremdenverkehr bröckeln.

Mittlerweile bedrohen die Wellen ganze Dörfer und Stadtteile. Menschen müssen wegziehen. Manche verlieren ihre Felder, andere können nicht mehr vom Fischfang leben. Im Inland werden Dürren, aber auch Hochwasser häufiger. Sie zerstören die Existenzgrundlagen von Familien. Wer es sich dank Geld oder Bildung zutraut, sucht sein Glück jenseits der Grenzen in Metropolen wie Cotonou und Lagos oder sogar in Europa.

Ein klimasicheres Leben bieten westafrikanische Küstenstädte heute aber nicht. Der steigende Meeresspiegel bedroht sie alle. Salzwasser dringt in das Grundwasser ein und beeinträchtigt die Wasserversorgung, die mit dem Städtewachstum ohnehin schon kaum mitkommt. Angesichts von Landflucht und hohen Geburtenraten schießen Slums aus dem Boden. Die städtische Infrastruktur ist überlastet, und die Umweltverschmutzung nimmt zu.

Die Klimafolgen sind gravierend. Wissenschaftlich ist klar, dass die Treibhausgas­emissionen der Industrieländer die Haupt­ursache sind. Das betonen Afrikas Eliten gern. Über wirtschaftliche und entwicklungspolitische Fehlentscheidungen afrikanischer Regierungen sprechen sie lieber nicht. Tatsache ist aber, dass sie typischerweise nach der Unabhängigkeit koloniale Ausbeutungssysteme fortführten.

Abhängigkeit von Rohstoffexporten

Afrikanische Volkswirtschaften hängen deshalb immer noch von Rohstoffexporten ab. Die örtlichen Eliten setzten hemmungslos auf Großplantagen, Bergbau und Ölförderung. Traditionelle, aber umweltfreundliche Ressourcennutzung wurde abgewertet. Von der Ausbeutung der Natur profitiert eine kleine besitzende Schicht, die multinationalen Konzernen zuarbeitet. Ihren Aufstieg unterstützten die etablierten Wirtschaftsmächte, aber auch multilaterale Institutionen wie Weltbank oder der Internationale Währungsfonds. Nicht nur die Ökologie wurde vernachlässigt. Auch gegen die Armut der afrikanischen Massen wurde wenig getan.

Es gibt viele Beispiele dafür, dass die Rohstoffwirtschaft der Umwelt schadet. Der Bau- und Ausbau der Häfen für Containerschiffe bringt die marinen Ökosysteme aus dem Gleichgewicht. Das beschleunigt in dicht besiedelten Gegenden die Küstenerosion. Die Baumaßnahmen selbst sind klimaintensiv – und die exportierten Rohstoffe treiben das nichtnachhaltige Wachstum in reicheren Weltgegenden an.

Ähnlich verheerend wirkt sich der Bau von Schnellstraßen und Staudämmen aus. Die Wälder schwinden – und dabei spielen agroindustrielle Interessen eine große Rolle. Plantagen und Tagebaubetriebe breiten sich aus.

Angesichts der sozialen und ökologischen Notlage ist die Forderung nach Klimagerechtigkeit unglaubwürdig, wenn Selbstkritik ausbleibt. Afrikas wirtschaftliche und politische Eliten tragen auch Verantwortung für den Zustand des Kontinents. Selbstkritik ist auf zwei Ebenen nötig:

  • Wir müssen den Umgang mit der Natur korrigieren. Sie ist unsere Lebensgrundlage, was unseren Vorfahren bewusst war.
  • Wir brauchen einen Fortschrittsbegriff, der den Bedürfnissen unserer Menschen dient, nicht den Interessen internationaler Unternehmen.

Überdacht werden muss aber auch das Verständnis von internationaler Solidarität. Es ist absurd, dass in Ländern mit niedrigen Einkommen die ungebremste Naturausbeutung weitergeht, während in Ländern mit hohen Einkommen allmählich Reformen hin zur Nachhaltigkeit umgesetzt werden.

Afrikanische Länder brauchen Entwicklungsmodelle mit sauberer Energie für alle, mit gerechterer Einkommensverteilung und menschenwürdigen Arbeitsplätzen. Wir brauchen für alle Bildung und Gesundheitsversorgung sowie umweltverträgliche Mobilität. Afrikanische Regierungen müssen in die richtige Richtung steuern – sonst werden sie weder Entwicklungshilfe (ODA – official development assitance) noch Klimageld nachhaltig im Sinne ihrer Bevölkerung einsetzen können. Anders ist Klimagerechtigkeit nicht möglich.

Samir Abi leitet die nichtstaatliche Organisation Visions Solidaires in Togo.
samirvstg@gmail.com

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