Regierungsführung

Warum afrikanische Länder eine demokratische Zivilgesellschaft fördern müssen

In Afrika werden Regierungschefs oft wie Monarchen verehrt und nicht als Entscheidungsträger gesehen, die der Öffentlichkeit dienen. Leider versäumten es die Unabhängigkeitsbewegungen, demokratische Kulturen zu verankern.
Der Unabhängigkeitsheld war nicht fehlerfrei: Statue von Kwame Nkrumah in Ghanas Hauptstadt Accra. picture-alliance/Rita Funk Der Unabhängigkeitsheld war nicht fehlerfrei: Statue von Kwame Nkrumah in Ghanas Hauptstadt Accra.

Autoritäre Tendenzen in Afrika werden heute gern auf die Kolonialherrschaft zurückgeführt. Übersehen wird dabei, dass es die Führungspersönlichkeiten der Unabhängigkeitsbewegungen waren, die mit bestimmten Formen der Machtausübung nicht brachen. In Westafrika endete die Kolonialzeit vor zwei Generationen. Dennoch gibt es vielerorts immer noch keine Zivilgesellschaft, die repräsentative Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einfordert.

Das Paradox der Entkolonialisierung war, dass die neuen Regierungen europäische Perspektiven übernahmen, sobald sie an der Macht waren. Kolonialbürokraten hatten ständig wiederholt, Afrikaner*innen könnten sich nicht selbst regieren. Die Unabhängigkeitsbewegungen nannten das rassistisch. Aber ihre Führungsleute änderten in Staatsämtern schnell ihre Haltung und schufen Einparteiensysteme mit lebenslanger Präsidentschaft. Sie konnten dann unangefochten monolithische Ideologien wie den „afrikanischen Sozialismus“ oder die „Africanité“ verfechten. Selbst der Intellektuelle Kwame Nkrumah, der Ghana 1957 in die Unabhängigkeit führte, griff nach unangefochtener persönlicher Macht – bis ihn das Militär 1966 stürzte.

In Afrika ist Religion wichtig. Vorstellungen von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit passen zu den Grundprinzipien aller monotheistischen Glaubensrichtungen. Die heiligen Schriften fordern Wahrhaftigkeit, Respekt und gewaltfreie Streitbeilegung. Dennoch tun afrikanische Spitzenpolitiker aber oft so, als seien sie von Gott ernannt und schuldeten nur ihm Rechenschaft.

Gewisse Fortschritte

Es geht auch anders. Einige afrikanische Länder, wie Ghana, haben viel erreicht. In den 1980ern wuchs der Widerstand gegen das Militärregime. Zivilgesellschaftliche und religiöse Organisationen vernetzten sich und forderten Freiheit, sodass Diktator Jerry Rawlings schließlich bei Wahlen antreten musste. Seit 1992 haben in Ghana alle vier Jahre freie Wahlen stattgefunden. Friedliche Machtwechsel gab es mehrmals.

Ghanas starke Zivilgesellschaft besteht aus verschiedenen organisierten Interessengruppen, die an öffentlichen Debatten teilnehmen. Konsens ist, dass Demokratie der Nation guttut. Freie Medien und Bildungseinrichtungen bestärken diese Sicht.

In drei westafrikanischen Ländern – Guinea, Mali und Burkina Faso – herrscht derzeit wieder das Militär. Demokratie ist in der Region nicht tief verwurzelt. Rückschläge sind möglich.

Eine demokratische Kultur muss vom Staat gepflegt werden. Das Wahlvolk muss die Verfassung kennen. Es muss wissen, was freie und faire Wahlen auszeichnet und dass es in einer Demokratie um Kompromisse geht – und nicht darum, wer anderen seinen Willen aufzwingen darf. All das muss in Schulen gelehrt werden.

Bildung ist wichtig

Wo Staaten ihren Bildungspflichten nicht gerecht werden, kann zivilgesellschaftlicher Aktivismus Abhilfe schaffen. Unabhängige Organisationen können demokratische Werte propagieren und Regierungen unter Druck setzen, damit sie ihren Job tun. In guten Zeiten eine Demokratie zu festigen, ist jedenfalls leichter, als sich gegen eine Diktatur aufzulehnen.

Auch die internationale Gemeinschaft kann helfen. Leider konzentrieren sich bilaterale und multilaterale Geberorganisationen in Verhandlungen oft zu sehr auf Regierungen und übersehen die Entwicklung der Zivilgesellschaft vor Ort. Das ist selbst bei Programmen für bessere Amtsführung der Fall.

Länder mit hohen Einkommen müssen zudem als Vorbilder dienen. Es ist bekannt, dass Rechtspopulismus westliche Demokratien bedroht. Afrikaner*innen sehen, dass der frühere US-Präsident Donald Trump mit seinen autoritären Attitüden selbst nach dem Aufruhr vom 6. Januar 2021 bislang juristisch unbehelligt bleibt. Demokratie muss nicht nur in Afrika verteidigt werden – sondern auch in reichen Ländern.

Baba G. Jallow ist der erste Roger D. Fisher Fellow für Verhandlungen und Konfliktlösung an der Jura-Fakultät der Harvard University. Er hat zuvor Gambias Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Wiedergutmachung (TRRC) geleitet und nach deren Ende das Never Again Network gegründet.
gallehb@gmail.com

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