Stockende Modernisierung

Gebt Unternehmern eine Chance

Mosambik gilt als Geberliebling, denn die Regierung in Maputo bekennt sich zu einer marktorientierten Wirtschaftspolitik und bemüht sich augenscheinlich um solide Amts- und Regierungsführung. Dennoch läuft nicht alles reibungslos. Zwei deutsche Fachleute bemängeln, dass eine Rentseeking-Mentalität nach wie vor echtes Unternehmertum behindert.


[ Von Winfried Borowczak und Friedrich Kaufmann ]

Schon seit einigen Jahren betont die Entwick­lungspolitik der Geber in Mosambik den Aufbau funktionstüchtiger Institutionen in Staat und Privatsektor. „Good Governance“ gilt als notwendige Voraussetzung für den volkswirtschaftlichen Erfolg. Diese Neuorientierung nach der neoliberalen Strukturanpassung der 1980er und 1990er Jahre zeugt auch in Mosambik davon, dass der extreme Marktradikalismus gescheitert ist. In vielen Entwicklungsländern belegte das die anhaltende Armut schon lange vor dem Ausbruch der aktuellen Weltwirtschaftskrise.

Mosambik zählt immer noch zu den ärmsten Ländern der Welt. Beim Human Development Index liegt es auf Platz 175 unter 179 Ländern. Auch beim Indikator Wirtschaftsleistung pro Einwohner und Jahr erreichte das Land 2006 mit knapp 350 Dollar lediglich einen der untersten Ränge. Diese Daten sind deprimierend, denn Mosambik weist seit Mitte der 1990er Jahre ein hohes Wirtschaftswachstum auf. Nach dem Spitzenwert von 13 Prozent für 2001 sanken die jährlichen Wachstumsraten für die vergangenen Jahre auf immer noch beachtliche sieben bis acht Prozent. Privates Investitionskapital ist ins Land geflossen, und die internationale Gebergemeinschaft ist mit Beratung und Geld zur Stelle. Dennoch hält sich die Armut hartnäckig. Folglich stellt sich die Frage, was falsch läuft.

Problematische Regulierung

Grundsätzlich sind gesetzliche Regulierungen in Staaten mit geringer Durchsetzungs- und Einforderungskapazität problematisch. Auch die klügsten Bestimmungen führen nur dort zum wirtschafts- und sozialpolitischen Erfolg, wo handlungsfähige Institutionen sie effektiv implementieren. Wo staatliche Kapazitäten dafür zu schwach sind, ist es deshalb oft besser, wenig oder gar nicht zu regulieren und auf die Wirkung freiwilliger Selbstregulierung und -bindung zu setzen.

Formale Regeln, die nicht durchgesetzt werden, helfen nicht weiter. Vielmehr werden sie häufig geradezu als Einladung zum unkooperativen Spiel verstanden (Wentzel, 2003). Solange Korruptionsbekämpfung, unabhängige Justiz und funktionierende Instanzen nur Schlagwörter sind, bleibt Regulierung kontraproduktiv. Mosambik bildet diesbezüglich keine Ausnahme (Kaufmann, 2007).

Über die Frage der angemessenen und stimmigen Gesetze hinaus gibt es aber ein weiteres Problem, das bisher kaum thematisiert wird. Woher kommen eigentlich die Unternehmer? Marktorientierte Wirtschaftspolitik will Räume und Chancen für Unternehmen schaffen. Zum Teil ist das sicherlich auch gelungen – doch das nutzt wenig, wenn es nicht genügend Personen gibt, die Willens und in der Lage sind, solche Möglichkeiten für (möglichst erfolgreiche) Firmengründungen zu nutzen.

Auf dem Papier – darüber sind sich die Geber einig – sieht die (Makro-)Wirtschaftspolitik Mosambiks gut aus. Dennoch ist der Privatsektor nicht wie erhofft gediehen. Bisher befindet sich die Mehrzahl der erfolg­reichen kleinen und mittleren Unternehmen Mosambiks in ausländischer Hand. Einheimische Gründer gibt es sehr selten – und Erfolge noch seltener.

Das hat vielfältige Gründe. Dazu tragen die schwierigen soziokulturellen Ausgangsbedingungen nach Kolonialismus, Sozialismus und Bürgerkrieg bei. Wer wirtschaftlich Erfolg hat, sieht sich Ansprüchen von allen Seiten ausgesetzt, es gibt keine Kultur oder Mentalität der geschäftlichen Investitionen, und der informelle Sektor ist eher Ausdruck eines harten Überlebenskampfes als Hort unausgegorener Gründungsideen (siehe Kasten).
Die Haltung von Teilen der Regierungspartei und der politischen Elite taugt nicht immer dazu, diese Kultur zu korrigieren.
– Ein Teil der Entscheidungsträger betreibt weiterhin unbeirrt „Rent seeking“. Es geht um Pfründe, persönliche Bereicherung und Machterhalt. Regierung und politische Elite orientieren sich häufig am Status quo, anstatt auf Entwicklung und Veränderung zu dringen.
– Viele mosambikanische „Unternehmer“ sind durch die Privatisierungspolitik im Zuge der Strukturanpassungen über Nacht zu ihren Firmen gekommen. Sie verfügen allenfalls über begrenzte unternehmerische Kompetenz, sind dafür aber eng mit der politischen Elite verbunden. Sie bleiben von deren Schutz und Gefälligkeiten abhängig – etwa bei Genehmigungsverfahren, öffentlichen Aufträgen oder der Zuweisung von Grundstücken. Lange Jahre vergaben der Staat und/oder staatliche Banken Vorzugskredite an Angehörige der politischen Elite. Deren Rückzahlung ist bis heute weitgehend unterblieben.
– Die wenigen existierenden Unternehmerverbände sind in der Regel von der Regierungspartei durchsetzt oder werden von „Parteiunternehmern“ geführt. Die Rollenverteilung der Akteure Staat, Privatsektor, Zivilgesellschaft ist sehr diffus. Diese Sphären durchdringen sich gegenseitig, wechselseitige Unabhängigkeit ist nicht gegeben. Partizipative Dialogforen würden aber ausdifferenzierter Partner bedürfen.
– Trotz weitgehend sinnvoller Gesetze bleiben die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln ungünstig. Das schlecht funktionierende Rechtssystem ist kaum dazu geeignet, Eigentumsrechte durchzusetzen oder bei Verträgen für Rechtssicherheit zu sorgen. Alternative Streitschlichtungsverfahren – selbstorganisierte Schiedsgerichte etwa – gibt es in nicht ausreichendem Maß. Folglich scheuen politisch ungebundene Unternehmer langfristige Investitionen.
– Der Einfluss einiger weniger mosambikanischer (und teils auch ausländischer) Unternehmen ist so stark, dass sie im Sinne von „State capture“ ihre eigenen Rahmenbedingungen gestalten. Basis dieses Handelns ist auch hier die Zugehörigkeit beziehungsweise der Zugang zur politischen Elite.
– Die Wirtschaft wird mehr und mehr von extraktiven Unternehmen dominiert, die mit ausländischem Management und Kapital arbeiten und vom Staat privilegiert werden. Beispielhaft ist die Aluminiumhütte MOZAL bei Maputo, die allein rund 60 Prozent zur industriellen Produktion des Landes beiträgt. An zweiter Stelle steht die Gasförderung mit rund acht Prozent. Solche industriellen Monostrukturen haben bisher wenig zur Bildung einer einheimischen Unternehmerklasse beigetragen und bilden eher ökonomische „Inseln“.
– Kriminelle Kartelle beherrschen monopol- und oligopolartig Schwarzmärkte wie Drogenhandel und Geldwäsche. Sie werden nicht konsequent vom Staat bekämpft.

Perspektiven der Zusammenarbeit

Die Basis für die Entstehung eines dynamischen, wettbewerbsorientierten und -fähigen Unternehmertums ist also sehr schwach. Es gibt keinen Königsweg aus dieser Notlage. Klar ist aber, dass die Geberinstitutionen soziologischer denken und politischer handeln müssen.

Sie müssen die aufgezeigten Probleme thematisieren. Im Sinne einer Pluralisierung der Macht gilt es, Konzepte und Instrumente zu entwickeln, die nicht nur gut regulierte Freiräume für Unternehmer schafft, sondern die Privatsektorförderung auch an den soziokulturellen Realitäten des Landes orientiert. Sonst besteht die Gefahr, dass staatliche Entwicklungszusammenarbeit kontraproduktiv wirkt.

Wenn die Geber nicht stärker politökonomisch agieren, die Zivilgesellschaft einbeziehen und die genannten Faktoren ernst nehmen, können sie ungünstige Strukturen sogar noch verfestigen. Eine neue, komplexere Strategie wird notwendigerweise eine Konfliktstrategie sein. Sinnvoll wären beispielsweise eine Kartellbehörde und ein Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Aber wenn derlei richtig funktionieren soll, werden mächtige Interessen in Mosambik berührt.

Selbstverständlich ist es sinnvoll, die technische Zusammenarbeit zur Reduktion der Transaktionskosten fortzuführen. Darüber hinaus müssen die Geber allerdings auch andere Dinge angehen:
– Sie müssen darauf dringen, Amt- und Privatinteressen strikt zu trennen, und Interessenskonflikte offenlegen. Nur so bekommt privates Unternehmertum eine Chance. Der politische Dialog, in dem über die Zuschüsse der Geber zum nationalen Haushalt Mosambiks („Budgethilfe“) verhandelt wird, bietet hierzu Gelegenheit. Bisher waren die Geber aber nicht ausreichend konfliktbereit.
– Die Zivilgesellschaft aus unabhängigen Unternehmerverbänden, Gewerkschaften und andere Interessensorganisationen muss stärker werden. Dafür sind freie, kritische Medien nötig. Da der Staat, wie oben skizziert, die Entwicklung eher hemmt als fördert, muss dies teilweise von unabhängigen Organisationen außerhalb des Staatsapparates betrieben werden. Politische Stiftungen haben hier eine prominente Rolle.
– Dem Mangel an unternehmerischen Talenten muss spätestens in der Schule und dem Universitätssystem systematisch begegnet werden.
– Obwohl die Stärkung der staatlichen Institutionen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmen­bedingungen, insbesondere eines unabhängigen Jus­tizsystems, unabdingbar ist, sollte man keine schnellen Erfolge erwarten. Staatdessen müssen parallel Systeme und Verfahren der Selbstregulierung und Selbstbindung der Wirtschaft gefördert werden.

Diese Empfehlungen treffen sicher auf Mosambik zu. Inwieweit sie für andere Länder mit einer ähnlichen Geschichte, Gesellschaft und politischer Struktur gelten, muss im Einzelfall geprüft werden.

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