Klimafinanzierung

Vernachlässigte Klimafinanzierung

Im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) von 1992 verpflichteten sich wohlhabende Länder dazu, Entwicklungsländer finanziell bei der Bekämpfung des Klimawandels zu unterstützen. Dreißig Jahre später ist es immer noch fraglich, ob und inwieweit diese Versprechen eingehalten werden.
Die USA bremsen Klimaschutz seit Langem: Demonstration in Seoul im Jahr 2005. picture-alliance/dpa/dpaweb/Jeon_Heon-Kyun Die USA bremsen Klimaschutz seit Langem: Demonstration in Seoul im Jahr 2005.

Klimafinanzierung ist ein weit gefasster Begriff. Im Allgemeinen meint er öffentliche oder private Finanzierung, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern oder zur Anpassung an Folgen des Klimawandels.

  • Da Regierungen private Finanzströme nur indirekt steuern können, liegt der Fokus dieses Beitrags auf öffentlicher Finanzierung. Diese kann erfolgen:
  • über Mechanismen, die neben dem Klimaregime eingerichtet wurden, wie die Globale Umweltfazilität (GEF), die dann Mittel für Klimaaktivitäten bereitstellen;
  • über andere multilaterale Institutionen, insbesondere multilaterale Entwicklungsbanken, die dann Projekte in Entwicklungsländern finanzieren;
  • im Rahmen bilateraler Vereinbarungen zwischen reichen Ländern und Entwicklungsländern.

Globale Umweltprobleme bewältigen

Klimafinanzierung steht somit in direktem Bezug zur Eindämmung des Klimawandels, zur Anpassung daran – oder zu beidem. Sie kann aber auch weiter gefasste Ziele verfolgen wie naturbasierte Lösungen für Infrastruktur im Einklang mit den Zielen der drei sogenannten Rio-Konventionen. Neben dem UNFCCC standen auch das UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt und das UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung auf der Agenda des Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992.

Internationale Umweltziele umfassen:

  • die Begrenzung der globalen Erwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Werten,
  • die Eindämmung des Biodiversitätsverlustes,
  • den Schutz von Land- und Meeresökosystemen und
  • das Aufhalten der Landdegradation.

Die Finanzierung der Biovielfalt zielt vor allem darauf ab, Verluste zu stoppen, um menschliche Gesundheit und Wohlstand zu schützen. Fortschritte gab es kürzlich auf der UN-Biodiversitätskonferenz 2022 in Kunming-Montréal: Es wurden jährliche Finanzmittel für Biovielfalt in Höhe von 20 Milliarden Dollar ab 2025 in Aussicht gestellt, die ab 2030 auf 30 Milliarden Dollar ansteigen sollen.

Auf dem Klimagipfel in Scharm el-Scheich 2022 wurde eine weitere Form der Klimafinanzierung beschlossen: eine Schadenersatzfinanzierung für betroffene Länder. Da die UNFCCC-Mitglieder sich nicht auf Details einigen konnten, ist eine Bewertung dieses Schritts noch nicht möglich.

Drei Punkte sind zu beachten, um den Fortschritt zu bewerten, den Länder mit hohem Einkommensniveau bei der Bereitstellung öffentlicher Mittel gemacht haben:

  • Eine politische Verpflichtung ist nicht dasselbe wie ein rechtsverbindliches Ziel.
  • Zugesagte und ausgezahlte Mittel sind zwei verschiedene Dinge.
  • Tatsächliche Ergebnisse hängen von ausgezahlten Mitteln für konkrete Zwecke ab. Dies zu beurteilen ist wichtig, aber im Rahmen dieses Artikels nicht möglich. 

100 Milliarden Dollar pro Jahr

Auf dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009 verpflichteten sich die Industrieländer, bis 2020 gemeinsam 100 Milliarden Dollar pro Jahr für Klimaschutz in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Der Beschluss war ein seltenes Beispiel für ein messbares Ziel in der Klimafinanzierung. Die Zusage wurde ein Jahr später formalisiert. Auf dem Pariser Klimagipfel wurden 100 Milliarden Dollar pro Jahr als Minimum festgelegt, nicht als Ziel. Die Zusage umfasste öffentliche, private, bilaterale, multilaterale und alternative Finanzierungen.

Bislang wurde das Versprechen nicht eingelöst. Seine Wiederholung und das Versprechen, es bald zu erfüllen, sind zu einem peinlichen Ritual der jährlichen UN-Klimagipfel geworden. Zwar schließt sich die Lücke, aber der Fortschritt verläuft langsam.

Ergebnisse und Einschätzungen 

Im Jahr 2022 veröffentlichte die OECD Daten zur Klimafinanzierung für 2013 bis 2020. In dieser Zeitspanne stiegen die Auszahlungen um fast 60 Prozent, von 52 Milliarden Dollar (2013) auf 83 Milliarden Dollar (2020). Öffentliche Finanzierung, sowohl bilateral als auch multilateral, spielte dabei die größte Rolle. Ihr Anteil am Gesamtvolumen stieg von 73 Prozent (38 Milliarden Dollar) auf 82 Prozent (68 Milliarden Dollar).

Das World Resources Institute (WRI), ein unabhängiger Thinktank mit Sitz in Washington D.C., analysierte die Finanzen für die Jahre 2013 bis 2018. Nach Bereinigung der Daten zur Vermeidung von Doppelzählungen legte es niedrigere Zahlen vor als die OECD. Demnach belief sich 2013 die bilaterale und multilaterale Klimafinanzierung von Ländern mit hohen Einkommen an Entwicklungsländer auf nur 22 Milliarden Dollar und 2018 auf 33 Milliarden Dollar. Inklusive Zuwendungen multilateraler Entwicklungsbanken sind es 34 Milliarden Dollar (2013) und 55 Milliarden Dollar (2018).

Nach keiner der Berechnungen haben reiche Länder ihre Zusagen kollektiv eingehalten. Ein Versuch, die Verantwortung nach Ländern aufzuschlüsseln, zeigt: Nur sehr wenige leisten einen ausreichenden Beitrag. Solches Versagen ist nicht neu: 1970 verpflichteten sich die Industrieländer, jährlich 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungshilfe (ODA – Official Development Assistance) aufzuwenden. Zusammengenommen geben sie aber nur etwa 0,33 Prozent ihres BNE aus.

Das WRI bewertete für zwei Szenarien, wie viel jedes Industrieland zu dem 100-Milliarden-Dollar-Ziel beitragen sollte. Indikatoren waren das BNE und die Bevölkerungszahl. Im ersten Szenario stammen mindestens 70 Milliarden Dollar aus öffentlichen Mitteln, im zweiten 100 Milliarden Dollar. Demnach zahlten 2018 nur Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Japan, Norwegen und Schweden ihren fairen Anteil nach dem ersten Szenario, und nur Frankreich, Deutschland, Japan, Norwegen und Schweden nach dem zweiten.

Das britische Overseas Development Institute (ODI) kam zum Ergebnis, dass 2017/2018 nur Norwegen, Schweden und Deutschland ihren fairen Anteil leisteten, während Frankreich und Japan dies knapp verfehlten. Das Schlusslicht bildeten die USA mit nur vier Prozent ihres fairen Anteils.

Mangelnde Anreize

Es gibt mehrere Gründe, weshalb Industrie­länder ihre Versprechen nicht halten. Erstens drohen keine Sanktionen. Die meisten Klimaverpflichtungen, selbst rechtlich bindende, sind zahnlos. Wo keine Sanktionen drohen, sind Verhandlungen leichter, aber der Preis dafür ist ein Mangel an Anreizen für Länder, sich an Zusagen zu halten.

Der kollektive Charakter der Zusage ist ein weiterer Faktor. Auf den ersten Blick ist eine kollektive Zusage leichter zu machen, da sich die einzelnen Partner nicht auf eine bestimmte Summe festlegen. Längerfristig ist es natürlich schwierig, einzelne Länder für kollektives Versagen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn es nie eine klare Vereinbarung über die Lastenverteilung gab.

Darüber hinaus gibt es immer noch viele Debatten darüber, wie das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung (CBDR – Common But Differentiated Responsibility and Respective Capabilities) im Rahmen der UNFCCC umzusetzen ist. Diesem Prinzip zufolge sollten Länder mit hohen Einkommen den Entwicklungsländern Finanzmittel für Klimaschutz zur Verfügung stellen. Die Länder sind sich jedoch uneinig darüber, wie sie für frühere Emissionen zur Rechenschaft gezogen werden sollen und wie mit aktuellen Emissionen umzugehen ist. Tatsache ist, dass kein Land ein monolithisches Gebilde ist und dass Regierungen eine Vielzahl von Interessen berücksichtigen müssen. Auch die Ländergruppen sind sehr heterogen.

Wachsende Polarisierung

Zudem ist das internationale System im Wandel, und diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf Klimaverhandlungen. Die strategische Konkurrenz zwischen den USA und China polarisiert das multilaterale Szenario zunehmend. Länder ergreifen Partei in politischen, wirtschaftlichen und technologischen Fragen. Covid-19 und der Krieg in der Ukraine haben die Kluft vertieft.

Zudem bremsen die USA bei Klimaschutzmaßnahmen seit Langem: 2001 zog sich Präsident George Bush Jr. aus dem Kyoto-Protokoll zurück, mit dem Argument, dieses verschaffe China einen unfairen Handelsvorteil. Und 2017 stieg Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Obwohl Präsident Joe Biden den Klimawandel wieder zu einem zentralen Thema gemacht hat, ist es bei der derzeitigen Zersplitterung der US-Politik unwahrscheinlich, dass die USA ihren gerechten Anteil an der Verantwortung übernehmen wird.

Die Spannungen zwischen China und USA beeinträchtigen die internationale Zusammenarbeit grundsätzlich. Wie der Rest der Welt haben beide Länder ein rationales Interesse an Klimaschutz. Es bleibt aber abzuwarten, ob sie in diesem Bereich werden zusammenarbeiten können, während der Wettbewerb bei anderen Themen zunimmt.

References

OECD, 2022: Aggregate trends of climate finance provided and mobilised by developed countries in 2013–2020.
https://www.oecd-ilibrary.org/sites/d28f963c-en/index.html?itemId=/content/publication/d28f963c-en

ODI, 2021: A fair share of climate finance? Apportioning responsibility for the $100 billion climate finance goal.
https://odi.org/en/publications/a-fair-share-of-climate-finance-apportioning-responsibility-for-the-100-billion-climate-finance-goal/

WRI, 2021: A breakdown of developed countries’ climate finance contributions towards the $100 billion goal.
https://doi.org/10.46830/writn.20.00145

Larissa Basso forscht zu internationaler Umweltpolitik.
larissabasso@gmail.com

Eduardo Viola ist Professor für internationale Beziehungen an der Universität von São Paulo, der Universität von Brasília und der Getulio Vargas Foundation.
eduardo.viola@fgv.br

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