Urbanisierung

Jakartas Herausforderungen bestehen fort

Die indonesische Regierung plant eine neue Hauptstadt. Sie selbst mag damit dem urbanen Chaos Jakartas entkommen – die vielen Probleme des Ballungsraums müssen aber trotzdem gelöst werden.
Jakarta ist eine Stadt der Gegensätze. Aditya Irawan/picture-alliance/NurPhoto Jakarta ist eine Stadt der Gegensätze.

Indonesiens Hauptstadt Jakarta ist eine merkwürdige Mischung aus Hochhäusern und Slums. Man kann problemlos durch beide Arten von Vierteln laufen – sie liegen nicht weit auseinander, und manchmal reicht es, eine Straße zu überqueren, um aus einer Wohngegend der gehobenen Mittelschicht in ein Armenviertel zu gelangen. Viele informelle Siedlungen, sogenannte Kampungs, bestehen bereits seit Generationen.

Von 13 Flüssen umgeben, entstand Jakarta im 4. Jahrhundert aus einer Hafensiedlung. Etwa 11 Millionen Menschen leben heute innerhalb der Stadtgrenzen; im gesamten Ballungsraum sind es 28 Millionen. Die Bevölkerung ist schneller gewachsen, als guter neuer Wohnraum entstand. Jährlich werden Tausende neue bezahlbare Häuser gebaut, aber das reicht nicht. Auch die Infrastruktur hält nicht mit: Müllentsorgung, Wasser, Strom et cetera sind kritische Themen.

Die Klimakrise verschärft die Probleme. Etwa 40 Prozent der Stadt liegen unterhalb des Meeresspiegels und laufen Gefahr, überflutet zu werden. Manche Uferbereiche stehen permanent unter Wasser.

Unter den 20 größten Städten Südostasiens rangiert Jakarta bezüglich der Lebenshaltungskosten laut der Online-Datenbank Numbeo auf Platz 11. Was die Kaufkraft angeht, steht die Stadt jedoch auf Platz 15. Singapur führt beide Listen an, nur ist dort die Kaufkraft pro Kopf fünfmal höher als in Jakarta.

Jakartas Niedriglöhner leben in Kampungs. Viele arbeiten als Haushaltshilfe, Fahrer, in Läden oder betreiben kleine Geschäfte. Ihre Jobs sind meist so informell wie ihre Wohnsituation. Die reicheren Leute sind weitgehend von ihren Diensten abhängig.

Nicht nur Jakartas Bevölkerung wächst. Auch die Wirtschaft – samt informellem Sektor – expandiert. Die ohnehin hohen Bodenpreise steigen weiter. Immer mehr Hochhäuser werden gebaut, für Büros und Wohnungen. Gleichzeitig wird das verfügbare Land für Kampungs immer weniger, und die Menschen werden zunehmend an den Stadtrand gedrängt. Eine Folge davon sind Verkehrsstaus, die das Pendeln für alle stressiger machen. Trotz neuer Schnellstraßen und Stadtbahnstrecken sind Verkehr und Luftverschmutzung ein Alptraum.

Das nur eine Flugstunde entfernte Singapur gilt vielen als Beispiel dafür, wie eine Hauptstadt sein sollte – so auch der indonesischen Regierung. Allerdings hat Singapur nicht die gleichen Probleme. Die Stadt ist jünger, besser von Stadtplanern entwickelt, und der kleine Staat hatte in den letzten Jahrzehnten die Binnenmigration besser unter Kontrolle. Die Behörden in Jakarta hingegen konnten die Indonesier nicht davon abhalten, nach Jakarta zu ziehen, wo es für sie leichter ist, ihren Lebensunterhalt zu verdienen als auf dem Land.

Noch einmal bei null anzufangen erscheint daher attraktiv. Die Regierung hat entschieden, die Hauptstadt nach Kalimantan zu verlegen, den indonesischen Teil der Insel Borneo. Kalimantan ist so groß wie Frankreich und Deutschland zusammen, hat aber lediglich 20 Millionen Einwohner. Bis 2024 sollen die Regierungsgebäude in der neuen Hauptstadt an der Grenze der beiden Regentschaften Kutai Kartanegara und Penajam North Paser errichtet sein. Jakarta liegt am westlichen Ende von Java, der bevölkerungsreichsten Insel Indonesiens, Kalimantan ist zentraler gelegen auf dem riesigen Archipel.

Der Umzug in eine neue Hauptstadt könnte der Regierung und ihrem bürokratischen Apparat einige Vorteile bringen. Islamabad in Pakistan, Abuja in Nigeria oder Brasília in Brasilien zeigen, dass es möglich ist. Die größere Herausforderung liegt darin, mehr dafür zu tun, dass Jakarta lebenswerter und nachhaltiger wird. Der Umzug wird den Druck etwas mindern, die Lösung ist er aber nicht. Wie Karachi, Lagos und Rio de Janeiro zeigen, erfordern Megastädte auch nach Wegzug der Bundesregierung Aufmerksamkeit.


Edith Koesoemawiria ist freie Journalistin.
hidayati@gmx.de

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