Leserbrief

Der Schein trügt

Hochkarätige Entwicklung,
E+Z/D+C 5/2007, S. 204

Das Bild, das Saleem H. Ali in seinem Beitrag von den Saphirstätten Madagaskars zeichnet, fällt zu positiv aus. Die Programme für einen umwelt- und sozialverträglichen Abbau der Edelsteine reichen bei Weitem nicht aus, um von einer grundlegenden Verbesserung in den betroffenen Gebieten zu sprechen. Zwar hat der nachhaltige Abbau der Bodenschätze Einzug in den nationalen Entwick­lungsplan gefunden und das Programm zur Verwaltung mineralischer Ressourcen (PGRM) weist einzelne Erfolge vor. Die meisten Arbeiter aber spüren davon kaum etwas.
Die realen Arbeitsverhältnisse sind prekär: Jeden Monat kommen durchschnittlich drei bis fünf Personen in den Minen ums Leben, weil die bis zu 40 Meter langen Stollen nicht einmal notdürftige Schutzmaßnahmen wie Stützpfeiler oder eine geregelte Luftzufuhr bieten.

Auch von fairen Löhnen können die Saphir-Sucher nur träumen. Sie verdienen umgerechnet maximal 75 Eurocent am Tag – weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Da die meisten ihre Rechte nicht kennen, dominieren Willkür, Ausbeutung und eine moderne Form von Sklavenarbeit.

Der anhaltende Zustrom von Arbeitern überfordert zudem die Infrastruktur der Region, in der vor wenigen Jahren nur einige Holzhütten standen. Schätzungen gehen davon aus, dass allein rund um die edelsteinreiche Stadt Ilakaka mehr als 40 000 Arbeiter von der Suche nach den Saphiren abhängig sind. Gegen Kost und Logis verpflichten sich Tagelöhner, ihre Funde zu Niedrigpreisen zu verkaufen. Weil viele den Wert der Steine nicht kennen, sind sie den Zwischenhändlern hilflos ausgeliefert. Im Juni 2007 entstand mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Dokumentarfilm über die Situation in Ilakaka. Kopien sowie Informationen über Nutzungsrechte und Portogebühren können im Madagaskar-Büro der Stiftung (ebert@fes.mg) angefordert werden.

Ali spricht in seinem Artikel davon, den Edelsteinsuchern „Know-how für die Suche und Anreize für den Schutz der natürlichen Ressourcen zu geben“. Natürlich wäre der Aufbau einer heimischen Industrie wünschenswert. Von einer Verarbeitung vor Ort haben die meisten aber noch nie etwas gehört. Da die Arbeiter oft nicht lesen und schreiben können, gehen die Ausbildungsseminare der Geberinstitutionen größtenteils an ihren Bedürfnissen vorbei.

Auf einer internationalen Konferenz im Oktober 2006 identifizierte die Minengewerkschaft FISEMA konkrete Ziele zur Sensibilisierung, Aufklärung und zur Etablierung einer tragfähigen Arbeitnehmervertretung für die Edelsteinschürfer. Als wichtig erachtet sie vor allem, dass die Arbeiter einfache Zusammenhänge verstehen. Erst wenn sich ihre eigene Lebenssituation verbessert, sind sie für komplexere Themen wie Umweltschutz zu gewinnen. Gelingt das nicht, werden alle Anstrengungen der Regierung, Naturschutzzonen einzurichten, erfolglos bleiben.

Oliver Dalichau, Friedrich-Ebert-Stiftung,
Antananarivo, Madagaskar

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