Onlinehandel

Afrikanischer Riese

Der Versandhändler Jumia verändert seit neun Jahren Verbraucherleben in Afrika. Nigerias meistgenutzte Plattform für Onlineshopping wird auch „Amazon von Afrika“ genannt. Allerdings musste Jumia in seiner Unternehmensgeschichte mit gravierenden Problemen kämpfen.
Arbeiterin in einem Jumia-Lager in Lagos. Guo Jun/picture-alliance/Xinhua News Agency Arbeiterin in einem Jumia-Lager in Lagos.

2011 hatte Nigeria 160 Millionen Einwohner, aber ganz überwiegend nur informelle Einzelhandelsstrukturen. „Wir wollten keine Einkaufszentren bauen, sondern gleich online durchstarten“, sagt Jumia-Mitbegründer Tunde Kehinde. Heute leben in Nigeria 200 Millionen Menschen, und der E-Commerce-Riese hat sich auch in weiteren afrikanischen Ländern etabliert.

Als Herausforderungen sahen die Jumia-Gründer die schwache digitale In­frastruktur, das komplizierte Bankenwesen und logistische Schwierigkeiten. Es gelang ihnen, Kunden von der Sicherheit des Onlineshoppings zu überzeugen und ein eigenes Verteilungsnetzwerk mit belastbarer Logistik aufzubauen. Heute hat Jumia mehr Laster als DHL und vertreibt Waren in elf Ländern. Der Konzern hat somit ein Stück weit die geographische Zersplitterung Afrikas verringert.

Jumia erleichtert vielen afrikanischen Konsumenten das Leben. Sie können online Waren, die lokal nicht verfügbar sind, bestellen und müssen für solche Besorgungen nicht mehr weit reisen. Selbst für Stadtbewohner kann der Weg ins Zentrum sehr aufwändig sein. Jumia-Kunden benötigen nicht einmal eine funktionierende Internetverbindung, denn eine andere Person kann in ihrem Namen Bestellungen aufgeben.

Die Hälfte der Nigerianer lebt auf dem Land. Gute Straßen und formale Postadressen sind dort selten. Jumia Logistics kommt ohne aus. Ein breites Netz von Paketshops macht Dienstleistungen auch in Gegenden möglich, die früher als kaum erreichbar galten.

In Nigeria haben zwei Drittel der Erwachsenen kein Bankkonto. JumiaPay bietet deshalb Zahlungsmethoden, die zur Lebenssituation afrikanischer Kunden passen. Weil Barzahlung bei Lieferung möglich ist, kann Jumia auch Menschen, die vor Online-Zahlungen zurückschrecken, Produkte verkaufen. Auch Ratenzahlung ist erlaubt, was teure Produkte erschwinglicher macht. Außerdem bringt Jumia Käufer in Kontakt mit Verkäufern, sodass Kunden auch Zugang zu Waren bekommen, die Jumia nicht selbst anbietet.

Konsumenten schätzen die digitalen Möglichkeiten – Juliet Osho zum Beispiel. Sie lebt in einer ländlichen Gegend. Als sie für ihren siebenjährigen Sohn, dessen Schule einen „Career Day“ veranstaltete, eine Pilotenuniform brauchte, fand sie nach kurzer Internetsuche ein geeignetes Kostüm und bestellte es bei Jumia. Zur Freude ihres Sohnes war es vier Tage später da.

Sola Johnson ist ebenfalls Jumia-Kundin. Online zu bestellen, findet sie bequemer, als in Einkaufszentren oder auf Märkte zu gehen. Außerdem sei es günstiger, selbst wenn es gerade keine Sonderangebote gebe. Sie bezeichnet Jumia als „empfehlenswert“. Sie habe auch schon einmal für einen Freund bestellt, der anderswo in Nigeria lebe. „Er erhielt seine Bestellung problemlos, nachdem er den Code zeigte, den ich ihm gesendet hatte“, erzählt sie.

Wachstumsstrategie

Künftig will Jumia für viele weitere Kunden wichtig werden. Afrikas Bevölkerung wächst, deren Kaufkraft auch. Doch das Unternehmen will sich nicht nur auf diese Faktoren verlassen. Die Manager betonen, sie wollten das Vertrauen der Kunden gewinnen. Nötig sind dafür die richtigen Produkte zu attraktiven Preisen. Obendrein muss der Einkauf komfortabel sein.

Jumia ging 2012 in Betrieb. Der Mutterkonzern ist die Africa Internet Group mit Sitz in Berlin. Jeremy Hodara und Sacha Poignonnec, ehemalige Mitarbeiter der Unternehmensberatung McKinsey & Company, gehörten zu den Gründern. Unter den ersten Aktionären waren die Berliner Risikokapitalgesellschaft Rocket Internet und der südafrikanische Konzern Mobile Telephone Networks. Die französische Versicherung Axa und das Telekommunikationsunternehmen Orange investierten ihrerseits früh in Jumia.

In den ersten Jahren expandierte das Unternehmen schnell. 2012 startete Jumia auch in Ägypten, Marokko, Kenia, Südafrika und der Elfenbeinküste. In den nächsten zwei Jahren kamen Ableger in Tunesien, Tansania, Ghana, Kamerun, Algerien und Uganda hinzu. 2018 war Jumia in 14 afrikanischen Ländern vertreten.

Angefangen hat alles mit zehn Mitarbeitern in Nigeria. Mittlerweile hat Jumia 5000 Angestellte auf dem ganzen Kontinent. Der Konzern expandierte auch in andere Branchen. 2013 gingen Jumia Travel, eine Seite für Hotelbuchungen, und Jumia Food online. 2015 schaltete Jumia Deals erstmals Kleinanzeigen von Drittanbietern. JumiaPay wurde 2017 eingeführt und richtete später auch ein Kreditprogramm ein, das geschäftliche Darlehen an Drittanbieter vergibt. In Kooperation mit dem Technologiekonzern Amadeus schuf Jumia zudem eine Internetseite für Flugbuchungen.

Die Krise von 2019

2019 war jedoch ein schwieriges Jahr. Im April ließ zwar der aufsehenerregende Börsengang in New York den Preis der Jumia-Aktie innerhalb von drei Geschäftstagen um mehr als 200 Prozent steigen – der Höchststand lag dann bei fast 70 Dollar. Doch die folgende Talfahrt war genauso dramatisch. Vorwürfe wegen Betrugs und verheimlichter Verluste wurden laut. Zum Jahresende war der Aktienpreis unter fünf Dollar gefallen. Jumia musste daraufhin den Betrieb in Kamerun, Tansania und Ruanda einstellen.

Wie bei Start-ups üblich, hatte Jumia viele Jahre lang Verluste ausgewiesen, doch in der Krise begann das Management, Profitabilität anzustreben. Offensichtlich verloren Investoren die Geduld. Jumia tat deshalb mehr, um auf die örtlichen Verbraucherbedürfnisse einzugehen, die Werbetrommel zu rühren und profitabel zu werden. Online-Shopping-Events wurden eingeführt – beispielsweise Black-Friday-Aktionstage.

Millionen neuer Kunden lockte das Unternehmen 2019 durch Partnerschaften mit über 110 000 Verkäufern an. Darunter sind viele afrikanische Unternehmen. Jumia hat den Marktplatz für Drittanbieter weiter ausgebaut und verlangt für dort verkaufte Waren eine Kommissionszahlung. Andererseits setzt Jumia selbst heute weniger auf den Verkauf hochwertiger digitaler Geräte wie Handys oder Laptops und vertreibt nun eher billigere Waren des täglichen Bedarfs, die mehr Käufer anziehen.

Im zweiten Quartal 2021 schrieb Jumia noch rote Zahlen. Finanzinvestoren scheinen dennoch an das Geschäftsmodell zu glauben und erwarten, dass das Unternehmen irgendwann Profite macht. Im August stand der Aktienpreis bei fast 22 Dollar.


Bimbola Oyesola arbeitet als Journalistin in Lagos.
oritokeoyee@gmail.com

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.